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Stefan Kebekus
2025-10-15 15:31:07 +02:00
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@@ -212,7 +212,7 @@ eigene Notation entwickelt hat.
\begin{prop}[Komplexe Differenzierbarkeit und Wirtinger-Kalkül]
Es sei $U ⊂ $ offen, $p ∈ U$ und $f: U → $ eine komplex-wertige Funktion.
Schreibe $f$ in Komponenten, $f = f_1 + i · f_2$, mit $f_1, f_2 : U → $. Dann
Schreibe $f$ in Komponenten, $f = f_1 + i · f_2$, mit $f_1, f_2 : U → $. Dann
sind die folgenden Aussagen äquivalent.
\begin{enumerate}
\item Die Funktion $f$ ist bei $p$ komplex differenzierbar.
@@ -312,39 +312,39 @@ zwischen Differenzierbarkeit und komplexer Differenzierbarkeit wissen.
\section{Fingerübungen beim Ableiten}
\begin{notation}[Ableitungen von Wegen in der komplexen Ebene]
Seien $V ⊂ $ und $U ⊂ = ℝ²$ offen. Weiter sei $γ: V → U$ eine
differenzierbare Abbildung (=ein „Weg in der komplexen Ebene“). Wir schreiben
$\gamma$ in Komponenten,
Seien $V ⊂ $ und $U ⊂ = ℝ²$ offen. Weiter sei $γ: V → U$ eine
differenzierbare Abbildung (=ein „Weg in der komplexen Ebene“). Wir schreiben
$γ$ in Komponenten,
\[
γ = \begin{pmatrix} γ_1 \\ γ_2\end{pmatrix},
\]
wobei $\gamma_1$ und $\gamma_2 : V \to \bR$ reellwertige Abbildungen sind.
Gegeben ein Element $t \in V$, dann ist die Ableitungsmatrix
wobei $γ_1$ und $γ_2 : V $ reellwertige Abbildungen sind.
Gegeben ein Element $t V$, dann ist die Ableitungsmatrix
\[
J_γ(t) = \begin{pmatrix} γ_1'(t) \\ γ_2'(t) \end{pmatrix}
J_γ(t) = \begin{pmatrix} γ_1'(t) \\ γ_2'(t) \end{pmatrix}
\]
eine Matrix vom Format $2 \times 1$, kann also als Element von $ℝ² = $
aufgefasst werden. Wir bezeichnen diese komplexe Zahl mit
$γ'(t)$.
eine Matrix vom Format $2 1$, kann also als Element von $ℝ² = $
aufgefasst werden. Wir bezeichnen diese komplexe Zahl mit
$γ'(t)$.
\end{notation}
Gegeben eine komplex differenzierbare Funktion, interessiere ich mich für die
Ableitung des Weges $f ◦ γ: V → $.
\begin{prop}[Reell-komplexe Kettenregel]
Seien $V ⊂ $ und $U ⊂ = ℝ²$ offen. Weiter sei $γ: V → U$ eine
differenzierbare Abbildung und $f \in \sO(U)$. Dann ist
Seien $V ⊂ $ und $U ⊂ = ℝ²$ offen. Weiter sei $γ: V → U$ eine
differenzierbare Abbildung und $f 𝒪(U)$. Dann ist
\[
(f ◦ γ)' = (f' \circ γ) · γ'.
(f ◦ γ)' = (f' γ) · γ'.
\]
\end{prop}
\begin{proof}
Gegeben ein $z \in U$, so haben wir uns schon überlegt, dass die
Gegeben ein $z U$, so haben wir uns schon überlegt, dass die
Ableitungsmatrix $J_f(z)$ exakt die Drehstreckung ist, die der Multiplikation
mit der komplexen Zahl $f'(z)$ entspricht. Nach der Kettenregel für
differenzierbare Funktionen gilt für jedes $t \in V$ also die Gleichung
differenzierbare Funktionen gilt für jedes $t V$ also die Gleichung
\[
(f ◦ γ)'(t) = \underbrace{J_f(γ(t))}_{2\times 2\text{-Matrix}} · \underbrace{J_γ(t)}_{\text{Vektor}}
(f ◦ γ)'(t) = \underbrace{J_f(γ(t))}_{2 2\text{-Matrix}} · \underbrace{J_γ(t)}_{\text{Vektor}}
= \underbrace{f'(γ(t))}_{\text{kompl.~Zahl}} · \underbrace{γ'(t)}_{\text{kompl.~Zahl}}.
\]
\end{proof}
@@ -356,11 +356,11 @@ Funktionen auch für komplex differenzierbare Funktionen.
---
\begin{enumerate}
\item Summen, Differenzen, Produkte und Kompositionen von komplex
differenzierbaren Funktionen sind komplex differenzierbar. Es gilt die
differenzierbaren Funktionen sind komplex differenzierbar. Es gilt die
Summen-, Produkt- und Kettenregel.
\item Quotienten von komplex differenzierbaren Funktionen sind komplex
differenzierbar wo sie definiert sind. Es gilt die Quotientenregel.
differenzierbar wo sie definiert sind. Es gilt die Quotientenregel.
\end{enumerate}
\end{prop}
\begin{proof}
@@ -368,27 +368,27 @@ Funktionen auch für komplex differenzierbare Funktionen.
\end{proof}
\begin{prop}[Umkehrabbildungen]\label{prop:2-4-4}
Es sei $U ⊂ $ offen und es sei $f \in \sO(U)$ holomorph, sodass die folgenden
Es sei $U ⊂ $ offen und es sei $f 𝒪(U)$ holomorph, sodass die folgenden
Bedingungen gelten:
\begin{enumerate}
\item\label{il:2-4-4-1} Die Abbildung $f$ ist injektiv.
\item\label{il:2-4-4-2} Für alle $p ∈ U$ gilt: $f'(p)0$.
\end{enumerate}
Dann ist die Bildmenge $V := f(U)$ offen und die Umkehrabbildung ist
wieder holomorph, $f^{-1} \in \sO(V)$.
wieder holomorph, $f^{-1} 𝒪(V)$.
\end{prop}
\begin{proof}
Annahme \ref{il:2-4-4-1} stellt sicher, dass für alle $p \in U$ die
Ableitungsmatrix $J_f(p) \in \operatorname{Mat}(2 \times 2, \bR)$ invertierbar
Annahme \ref{il:2-4-4-1} stellt sicher, dass für alle $p U$ die
Ableitungsmatrix $J_f(p) \operatorname{Mat}(2 2, )$ invertierbar
ist. Damit wissen wir aus der Vorlesung „Analysis II“: Die Bildmenge $V :=
f(U)$ ist offen und die Umkehrabbildung $f^{-1}: V → U$ ist differenzierbar.
Genauer: wenn $q ∈ V$ ist mit Urbildpunkt $p ∈ U$, dann ist die
Ableitungsmatrix von $f^{-1}$ bei $q$
\[
J_{f^{-1}}(q) = \left(J_f (p)\right)^{-1}.
\]
\]
Per Annahme ist $J_f (p)$ eine Drehstreckung, mit einem Streckungsfaktor
ungleich $0$. Also ist auch $\left(J_f (p)\right)^{-1}$ eine Drehstreckung und
ungleich $0$. Also ist auch $\left(J_f (p)\right)^{-1}$ eine Drehstreckung und
nach Satz~\ref{satz:2-3-5} ist $f^{-1}$ bei $q$ komplex differenzierbar.
\end{proof}
@@ -397,12 +397,12 @@ Funktionen auch für komplex differenzierbare Funktionen.
Folgendes können wir jetzt schon sagen oder durch direktes Nachrechnen beweisen.
\begin{itemize}
\item Alle Polynome sind holomorph. In Formeln: $[z]𝒪()$.
\item Alle Polynome sind holomorph. In Formeln: $[z]𝒪()$.
\item Alle rationalen Funktionen sind außerhalb der Nullstellenmenge des Nenners
holomorph.
\item Die komplexe Exponentialfunktion ist auf ganz $\bC$ holomorph und es gilt
\item Die komplexe Exponentialfunktion ist auf ganz $$ holomorph und es gilt
$\exp' = \exp$.
\item Die komplexe Sinus- und Cosinusfunktion ist auf ganz $\bC$ holomorph und
\item Die komplexe Sinus- und Cosinusfunktion ist auf ganz $$ holomorph und
es gelten die üblichen Formeln für die Ableitung.
\end{itemize}
@@ -412,20 +412,20 @@ es gelten die üblichen Formeln für die Ableitung.
Es sei
\begin{align*}
\bH & := \{z ∈ \mid \text{Im}(z) > 0\} && \text{die „obere Halbebene“} \\
S & := \{z ∈ \mid \text{Im}(z) ≠ 0 \text{ oder } \text{Re}(z) ≤ 0\} && \text{die „geschlitzte Ebene“.}
S & := \{z ∈ \mid \text{Im}(z) ≠ 0 \text{ oder } \text{Re}(z) ≤ 0\} && \text{die „geschlitzte Ebene“.}
\end{align*}
\index{obere Halbebene}\index{geschlitzte Ebene}Dann ist die Abbildung
\[
s : \bH \to S, \quad z \mapsto z^2
s : \bH S, \quad z ↦ z²
\]
bijektiv und deshalb existiert nach Proposition~\ref{prop:2-4-4} eine holomorphe
Wurzelfunktion
\[
\sqrt{\bullet} : S \to \bH
\sqrt{} : S \bH
\]
mit Ableitung
\[
\sqrt{\bullet}' : S \to \bC, \quad z \mapsto \frac{1}{2·\sqrt{z}}
\sqrt{}' : S , \quad z \frac{1}{2·\sqrt{z}}
\]
\begin{frage}[Wurzelfunktion ?!]
@@ -437,11 +437,11 @@ mit Ableitung
Analog zur Wurzelfunktion ist der Hauptzweig des Logarithmus auf der geschlitzten Ebene,
\[
\log : S \to \bC, \quad z \mapsto \log|z| + i · \arg(z),
\log : S , \quad z \log|z| + i · \arg(z),
\]
holomorph mit Ableitung
\[
\log' : S \to \bC, \quad z \mapsto \frac{1}{z}.
\log' : S , \quad z \frac{1}{z}.
\]
\begin{frage}[Logarithmus ?!]

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@@ -5,62 +5,63 @@
\section{Integration von vektorwertigen Funktionen}
In diesem Abschnitt ist $[a,b] \subset \mathbb{R}$ stets ein nicht leeres,
kompaktes Intervall. Weiter sei $V$ ein reeller, endlich-dimensionaler
Vektorraum.
In diesem Abschnitt ist $[a,b] $ stets ein nicht leeres, kompaktes Intervall.
Weiter sei $V$ ein reeller, endlich-dimensionaler Vektorraum.
\begin{definition}[Integration von Funktionen mit Werten im $\bR^n$]\label{def:3-1-1}%
Gegeben eine stetige Abbildung $f: [a,b] \to \mathbb{R}^n$, dann definiert man
\begin{definition}[Integration von Funktionen mit Werten im $^n$]\label{def:3-1-1}%
Gegeben eine stetige Abbildung $f: [a,b] ^n$, dann definiert man
\[
\int_a^b f(t) \, dt \in \bR^n
\int_a^b f(t) \, dt ^n
\]
durch komponentenweise Integration.
\end{definition}
\begin{definition}[Integration von vektorwertigen Funktionen]
Gegeben eine stetige Abbildung $f: [a,b] \to V$, dann wählt man eine Basis von
$V$ mit $\mathbb{R}^n$ zu identifizieren, definiert $\int_a^b f(t) \, dt$
mithilfe von Definition~\ref{def:3-1-1} und rechnet nach, dass das Ergebnis
nicht von der Wahl der Basis abhängt.
Gegeben eine stetige Abbildung $f: [a,b] V$, dann wählt man eine Basis von
$V$ mit $^n$ zu identifizieren, definiert $\int_a^b f(t) \, dt$ mithilfe von
Definition~\ref{def:3-1-1} und rechnet nach, dass das Ergebnis nicht von der
Wahl der Basis abhängt.
\end{definition}
\begin{bsp}
Es ist
\[
\int_0^{2\pi} \exp(i \cdot t) \, dt = \begin{pmatrix} \int_0^{2\pi} \cos(t) \, dt \\ \int_0^{2\pi} \sin(t) \, dt \end{pmatrix} = 0 \in \mathbb{C}.
\int_0^{2π} \exp(i · t) \, dt = \begin{pmatrix} \int_0^{2π} \cos(t) \, dt \\ \int_0^{2π} \sin(t) \, dt \end{pmatrix} = 0 .
\]
\end{bsp}
Die folgenden Aussagen sollten Ihnen aus den Analysis-Vorlesungen bekannt sein.
\begin{prop}
Sei $f: [a,b] \to V$ stetig. Dann gilt Folgendes.
Sei $f: [a,b] V$ stetig. Dann gilt Folgendes.
\begin{enumerate}
\item Für jedes $c \in (a,b)$ gilt $\int_a^b f(t) \, dt = \int_a^c f(t) \, dt + \int_c^b f(t) \, dt$.
\item Für jedes $c (a,b)$ gilt $\int_a^b f(t) \, dt = \int_a^c f(t) \, dt +
\int_c^b f(t) \, dt$.
\item Wenn $W$ reell-dimensionaler $\mathbb{R}$-Vektorraum ist und $\phi: V \to W$ linear, dann ist
\item Wenn $W$ reell-dimensionaler $$-Vektorraum ist und $φ: V → W$ linear,
dann ist
\[
\int_a^b (\phi \circ f)(t) \, dt = \phi \left( \int_a^b f(t) \, dt \right).
\int_a^b (φ ◦ f)(t) \, dt = φ \left( \int_a^b f(t) \, dt \right).
\]
\item Wenn $f \equiv \vec{v}$ konstant ist, dann ist $\int_a^b f(t) \, dt =
(b-a) \cdot \vec{v}$
(b-a) · \vec{v}$
\item Für jede Norm auf $V$ gilt $\left\| \int_a^b f(t) \, dt \right\| \leq
\item Für jede Norm auf $V$ gilt $\left\| \int_a^b f(t) \, dt \right\|
\int_a^b \|f(t)\| \, dt.$ \qed
\end{enumerate}
\end{prop}
\begin{definition}[Stammfunktionen]
Sei $f: [a,b] \to V$ stetig. Eine Abbildung $F: [a,b] \to V$ heißt
Sei $f: [a,b] V$ stetig. Eine Abbildung $F: [a,b] V$ heißt
Stammfunktion\index{Stammfunktion} von $f$, falls $F$ differenzierbar ist und
die Gleichung $F' = f$ gilt.
\end{definition}
\begin{satz}[Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung]
Sei $f: [a,b] \to V$ stetig. Dann ist
Sei $f: [a,b] V$ stetig. Dann ist
\[
F: [a,b] \to V, \quad t \mapsto \int_a^t f(u) \, du
F: [a,b] V, \quad t \int_a^t f(u) \, du
\]
eine Stammfunktion \qed
\end{satz}
@@ -70,11 +71,233 @@ Die folgenden Aussagen sollten Ihnen aus den Analysis-Vorlesungen bekannt sein.
\end{satz}
\begin{satz}[Integrale und Stammfunktionen]
Sei $f: [a,b] \to V$ stetig und $F$ eine Stammfunktion. Dann ist
\[
\int_a^b f(t) \, dt = F(b) - F(a). \qed
\]
Sei $f: [a,b] V$ stetig und $F$ eine Stammfunktion. Dann ist
\[
\int_a^b f(t) \, dt = F(b) - F(a). \eqno\qed
\]
\end{satz}
% !TEX root = LineareAlgebra2
\begin{satz}[Integrale und Stammfunktionen]
Sei $f: [a,b] → V$ stetig und $F$ eine Stammfunktion. Dann ist
\[
\int_a^b f(t) \, dt = F(b) - F(a). \eqno\qed
\]
\end{satz}
\sideremark{Vorlesung 4}
\begin{bsp}[Integrale und Stammfunktionen]
Durch die Formel $\frac{1}{i} \exp(it)$ ist eine Stammfunktion von $\exp(it)$
gegeben. Also ist
\[
\int_0^{2π} \exp(it) \, dt = \frac{1}{i} \left( \exp(2πi) - \exp(2πi · 0) \right) = 0.
\]
\end{bsp}
\subsection{Rechenregeln zur Integration}
\begin{satz}[Substitution]\label{satz:substitution}%
Es sei $[α]$ nicht leer und kompakt, und $γ: [α][a,b]$ sei
differenzierbar. Dann ist
\[
\int_{γ(α)}^{γ(β)} f(t) \, dt = \int_α^β f(γ(s)) · γ'(s) \, ds. \qed
\]
\end{satz}
\begin{satz}[Ableiten unter dem Integral]\label{satz:ableiten-integral}%
Es sei $U ⊂ $ offen, und es sei $(f_t)_{t ∈ [a,b]}$ eine Familie von
holomorphen Funktionen. Falls die Abbildung
\[
f: U [a,b], \quad (z,t) ↦ f_t(z)
\]
und
\[
\frac{∂f}{∂z}: U [a,b], \quad (z,t)\frac{∂f_t}{∂z}(z)
\]
beide stetig sind, dann ist die Abbildung
\[
F: U → , \quad z ↦ \int_0^b f_t(z) \, dt
\]
holomorph und
\[
\frac{dF}{dz}(z) = \int_0^b \frac{∂f_t}{∂z}(z) \, dt. \eqno\qed
\]
\end{satz}
\begin{satz}[Hausaufgabe]
Partielle Integration funktioniert so, wie man denkt.
\end{satz}
\begin{satz}[Hausaufgabe]
Partialbruchzerlegung funktioniert so, wie man denkt:
\[
\frac{1}{1 +} = \frac{i/2}{x+i} + \frac{-i/2}{x-i}.
\]
\end{satz}
\section{Wegintegrale}
\begin{definition}[Wegintegrale]\label{def:3-2-1}%
Sei $U ⊂ $ offen und sei $f: U → $ holomorph. Weiter sei $γ: [a,b] → U$ ein
stetig differenzierbarer Weg. Dann definiert man das
\emph{Wegintegral}\index{Wegintegral} als
\[
\int_γ f(z) \, dz := \int_a^b f(γ(t)) · γ'(t) \, dt.
\]
\end{definition}
\begin{bsp}[Wegintegral]\label{bsp:3-2-2}%
Es sei $U = ^*$ und es sei $f(z) = z^n$. Weiter betrachten wir den Weg
\[
γ: [0,2π]^*, \quad t ↦ r\exp(it),
\]
der einen Kreis mit Radius $r$ um den Nullpunkt beschreibt. Dann ist
\begin{align*}
\int_γ f(z) \, dz &= \int_0^{} \left[ r · \exp(it) \right]^n · ri · \exp(it) \, dt \\
&= i · \int_0^{} r^{n+1} · \exp\bigl((n+1)it\bigr) \, dt \\
&= \begin{cases}
0 & \text{falls } n ≠ -1 \\
2πi & \text{falls } n = -1.
\end{cases}
\end{align*}
\end{bsp}
\begin{erg}[Wegintegrale über stückweise stetig differenzierbare Wegs]
Manchmal ist es günstig, auch stückweise stetig differenzierbare Wege
zuzulassen: Sei $U ⊂ $ offen, sei $f ∈ 𝒪(U)$, und sei $γ: [a,b] → U$
stückweise stetig differenzierbar. Dann definiert man
\[
\int_γ f(z) \, dz
\]
als Summe der Integrale über die (endlich vielen) stetig differenzierbaren
Teilwege.
\end{erg}
\subsection{Elementare Fakten zur Wegintegration}
\begin{prop}[Umkehrung des Weges]
In der Situation von Definition~\ref{def:3-2-1} sei $\overline{γ}: [a,b] → U$
derselbe Weg wie $γ$, nur umgekehrt durchlaufen: $\overline{γ}(t) = γ(b+a-t)$.
Dann ist
\[
\int_{\overline{γ}} f(z) \, dz = - \int_γ f(z) \, dz. \eqno\qed
\]
\end{prop}
\begin{prop}[Unabhängigkeit von der Parametrisierung]
In der Situation von Definition~\ref{def:3-2-1} sei $δ : [c, d][a,b]$
stetig differenzierbar mit $δ(c) = a$ und $δ(d) = b$. Dann ist
\[
\int_{γ ◦ δ} f(z) \, dz = \int_γ f(z) \, dz.
\]
\end{prop}
\begin{proof}
Um die Notation zu entwickeln, schreibe
\[
φ: [a,b], \quad φ(t) = f(γ(t)) · γ'(t).
\]
Dann
\begin{align*}
\int_γ f(z) \, dz &= \int_a^b f(γ(t)) · γ'(t) \, dt = \int_a^b φ(t) \, dt \\
&= \int_c^d φ(δ(s)) · δ'(s) \, ds && \text{Substitutionsregel} \\
&= \int_c^d f\bigl((γ ◦ δ)(s)\bigr) · γ'(δ(s)) · δ'(s) \, ds \\
&= \int_c^d f\bigl((γ ◦ δ)(s)\bigr) · (γ ◦ δ)' \, ds && \text{reell-komplexe Kettenregel} \\
&= \int_{γ ◦ δ} f(z) \, dz. && \qedhere
\end{align*}
\end{proof}
\begin{beobachtung}[Abschätzungen]
Wir bleiben in der Situation von Definition~\ref{def:3-2-1} und erinnern uns
daran, dass die Länge des Weges $γ$ durch die Formel
\[
L(γ) := \int_0^b |γ'(t)| \, dt
\]
gegeben ist. Damit erhalten wir die Abschätzung
\[
\left| \int_γ f(z) \, dz \right| ≤ \int_a^b |f(γ(t))| · |γ'(t)| \, dt ≤ \sup_{t ∈ [a,b]} |f(γ(t))| · L(γ).
\]
\end{beobachtung}
\subsection{Wegintegrale und Stammfunktionen}
\begin{definition}[Stammfunktion]
Sei $U ⊂ $ offen und $f: U → $ stetig. Eine holomorphe Funktion $F: U → $
heißt \emph{Stammfunktion}\index{Stammfunktion} von $f$, wenn $F' = f$ ist.
\end{definition}
Wir haben zwei Begriffe von Stammfunktionen: einmal für Funktionen auf reellen
Intervallen $φ: [a,b]$, einmal für Funktionen $φ: U → $ auf offenen Mengen
von $$. Die Begriffe hängen offenbar zusammen.
\begin{beobachtung}
Es sei $U ⊂ $ offen, es sei $f: U → $ stetig mit Stammfunktion $F: U → $.
Weiter sei $γ: [a,b] → U$ stetig differenzierbar. Dann ist
\begin{align*}
(F ◦ γ)' & = (F' ◦ γ) · γ' && \text{reell-komplexe Kettenregel} \\
& = (f ◦ γ) · γ' && F ◦ γ \text{ ist Stammfunktion auf } [a,b] \text{ von } (f ◦ γ) · γ'.
\end{align*}
Also gilt nach dem Hauptsatz der Differenzial- und Integralrechnung
\[
\int_γ f(z) \, dz = \int_a^b [f ◦ γ(t)] · γ'(t) \, dt = [F ◦ γ](b) - [F ◦ γ](a).
\]
\end{beobachtung}
\begin{kons}[Wegintegrale bei Existenz von Stammfunktionen]
Wenn in der Situation von Definition~\ref{def:3-2-1} eine Stammfunktion von
$f$ existiert, dann hängt das Wegintegral $\int_γ f(z) \, dz$ nur vom Start-
und Endpunkt des Weges ab, aber nicht vom Weg selbst. Insbesondere gilt: Wenn
$γ$ ein geschlossener Weg ist (d.h.~Startpunkt = Endpunkt), dann ist $\int_γ
f(z) \, dz = 0$.
\end{kons}
\begin{bsp}[Wegintegrale bei Existenz von Stammfunktionen]
Betrachte die Situation von Beispiel~\ref{bsp:3-2-2}. Für $n ≠ -1$ ist
$\frac{1}{n+1} · z^{n+1}$ eine Stammfunktion von $z^n$. Also ist für $n ≠ -1$
das Integral
\[
\int_γ z^n \, dz = 0, \quad \text{wo } γ: [0,2π]^*, \quad t ↦ \exp(it).
\]
Für $n = -1$ gibt es keine auf ganz $^*$ definierte Stammfunktion, denn das
wäre der Logarithmus.
\end{bsp}
\begin{kons}[Funktionen mit verschwindender Ableitung]\label{kons:3-2-11}%
Sei $U ⊂ $ offen und sei $f: U → $ holomorph mit $f' \equiv 0$. Dann ist
$f$ lokal konstant.
\end{kons}
Vor dem Beweis der Konsequenz~\ref{kons:3-2-11} erinnere ich an zwei elementare
Fakten der Analysis und Topologie.
\begin{fakt}[Zerlegung in Zusammenhangskomponenten]\label{fakt:3-2-12}%
Sei $U ⊂ $ offen. Dann kann ich $U$ auf eindeutige Weise schreiben als
\[
U = \bigcup_{α ∈ A} U_α,
\]
wobei die Teilmengen $U_α$ offen, zusammenhängend und disjunkt sind.
\qed
\end{fakt}
\begin{fakt}[Zusammenhang und Wegzusammenhang]\label{fakt:3-2-13}%
Wenn $U ⊂ $ offen und zusammenhängend ist, und wenn $z_1, z_2 ∈ U$ sind, dann
gibt es einen stetig differenzierbaren Weg $γ: [0,1] → U$ mit $γ(0) = z_1$ und
$γ(1) = z_2$. \qed
\end{fakt}
\begin{proof}[Beweis von Konsequenz~\ref{kons:3-2-11}]
Nach Fakt~\ref{fakt:3-2-12} können wir ohne Beschränkung der Allgemeinheit
annehmen, dass die offene Menge $U$ zusammenhängend ist. Seien nun zwei
Punkte $z_1, z_2 ∈ U$ gegeben. Nach Fakt~\ref{fakt:3-2-13} gibt es einen
stetig differenzierbaren Weg $γ: [0,1] → U$ mit $γ(0) = z_1$ und $γ'(0) =
z_2$. Dann ist aber
\[
f(z_2) - f(z_1) = \int_γ f'(z) \, dz = \int_{γ} 0 \, dz = 0. \qed
\]
\end{proof}
% !TEX root = Funktionentheorie

View File

@@ -21,7 +21,7 @@
\usetikzlibrary{quotes,babel,angles,calc}
\usepackage{svg}
\input{stdPreamble}
\input{gfx/stdPreamble}
\usepackage{makeidx}
\makeindex
@@ -55,6 +55,7 @@
\newtheorem{proposition}[thm]{Proposition}
\newtheorem{prov}[thm]{Provokation}
\theoremstyle{remark}
\newtheorem{erg}[thm]{Ergänzung}
\newtheorem{bemerkung}[thm]{Bemerkung}
\newtheorem{beobachtung}[thm]{Beobachtung}
\newtheorem{konstruktion}[thm]{Konstruktion}