Working
This commit is contained in:
@@ -3,16 +3,18 @@
|
||||
|
||||
\chapter{Lokale Struktur holomorpher Funktionen}
|
||||
|
||||
\section{Wurzeln holomorpher Funktionen}
|
||||
|
||||
Ich beginne mit einer Erinnerung.
|
||||
|
||||
\begin{lem}\label{lem:8-0-1}%
|
||||
Es sei $U ⊂ ℂ$ offen und $f ∈ 𝒪(U)$. Weiter sei ein Punkt $ρ ∈ U$ gegeben,
|
||||
sodass $f'(ρ) ≠ 0$ ist. Dann gibt es eine offene Umgebung $V = V(ρ) ⊂ U$,
|
||||
sodass Folgendes gilt.
|
||||
sodass folgendes gilt.
|
||||
\begin{enumerate}
|
||||
\item Das Bild $W := f(V) ⊂ ℂ$ ist offen.
|
||||
\item Die eingeschränkte Abbildung $f|_V: V → W$ ist bijektiv und die
|
||||
Umkehrfunktion ist holomorph.
|
||||
|
||||
\item Die eingeschränkte Abbildung $f|_V: V → W$ ist biholomorph.
|
||||
\end{enumerate}
|
||||
\end{lem}
|
||||
\begin{proof}
|
||||
@@ -32,7 +34,7 @@ existiert.
|
||||
\begin{satz}[Wurzeln holomorpher Funktionen]\label{satz:8-0-2}%
|
||||
Sei $U ⊂ ℂ$ offen und $f ∈ 𝒪(U)$. Angenommen, $f$ hat bei $ρ ∈ U$ eine
|
||||
Nullstelle von Ordnung $n$, mit $1 ≤ n < ∞$. Dann gibt es eine Umgebung $V =
|
||||
V(ρ) ⊂ U$ und eine Funktion $b ∈ 𝒪(V)$ sodass folgendes gilt:
|
||||
V(ρ) ⊂ U$ und eine Funktion $b ∈ 𝒪(V)$, sodass folgendes gilt.
|
||||
\begin{enumerate}
|
||||
\item Für jedes $z ∈ V$ gilt $f(z) = b(z)^n$.
|
||||
|
||||
@@ -40,39 +42,43 @@ existiert.
|
||||
\end{enumerate}
|
||||
\end{satz}
|
||||
\begin{proof}
|
||||
Wir betrachten nur den Fall, dass $ρ ∈ ℂ$ der Nullpunkt ist. Falls $n = 1$,
|
||||
dann zeigt Lemma~\ref{lem:8-0-1}, dass wir $b := f$ setzen können.
|
||||
Wir betrachten aus Faulheit nur den Fall, dass $ρ ∈ ℂ$ der Nullpunkt ist.
|
||||
Falls $n = 1$ ist, dann zeigt Lemma~\ref{lem:8-0-1}, dass wir $b := f$ setzen
|
||||
können.
|
||||
|
||||
Sei also $n > 1$. Wir haben schon gesehen: auf einer geeigneten Kreisscheibe
|
||||
$D$ um $ρ = 0$ gibt es eine Funktion $g$ mit $g(0) ≠ 0$, sodass auf ganz $D$
|
||||
die folgende Gleichung gilt:
|
||||
Sei also $n > 1$. Wir haben im Abschnitt~\ref{sec:7-1} aber schon gesehen:
|
||||
auf einer geeigneten Kreisscheibe $D$ um $ρ = 0$ gibt es eine Funktion $g$ mit
|
||||
$g(0) ≠ 0$, sodass auf ganz $D$ die folgende Gleichung gilt:
|
||||
\[
|
||||
f(z) = z^n·g(z).
|
||||
\]
|
||||
Insbesondere gibt es offene Umgebung $Ω = Ω(g(0)) ⊂ ℂ$, sodass auf $Ω$ eine
|
||||
Wegen $g(0) ≠ 0$ gibt es eine offene Umgebung $Ω = Ω(g(0)) ⊂ ℂ$ auf der eine
|
||||
$n$-te Wurzelfunktion existiert, also eine Funktion $r: Ω → ℂ^*$ sodass für
|
||||
jedes $ω ∈ Ω$ die Gleichung $r(ω)^n = ω$ gilt. Setze dann $V := D ∩ g^{-1}(Ω)$
|
||||
und definiere die Funktion
|
||||
jedes $ω ∈ Ω$ die Gleichung $r(ω)^n = ω$ gilt. Setze dann $V := D ∩
|
||||
g^{-1}(Ω)$ und definiere die Funktion
|
||||
\[
|
||||
b : V → ℂ, \quad z ↦ z·r(g(z)).
|
||||
\]
|
||||
Rechne nach, dass $b$ die gewünschten Eigenschaften hat.
|
||||
\end{proof}
|
||||
|
||||
|
||||
\section{Lokale Struktur}
|
||||
|
||||
Als Konsequenz von Satz~\ref{satz:8-0-2} können wir sagen, dass lokal jede
|
||||
holomorphe Funktion aussieht wie $z ↦ z^n$. Die folgende Notation und der
|
||||
folgende Satz machen diese Aussage präzise.
|
||||
|
||||
\begin{definition}[Einbettungen]\label{def:8-0-2}%
|
||||
Es sei $U \subseteq \bC$ offen und $f \in \mathcal{O}(U)$. Nenne $f$ eine
|
||||
\emph{Einbettung von $U$ in $\bC$}\index{Einbettung}, wenn $f(U) \subseteq
|
||||
\bC$ offen und die eingeschränkte Abbildung $f: U \to f(U)$ biholomorph ist.
|
||||
Es sei $U ⊆ ℂ$ offen und $f ∈ \mathcal{O}(U)$. Nenne $f$ eine
|
||||
\emph{Einbettung von $U$ in $ℂ$}\index{Einbettung}, wenn $f(U) ⊆ ℂ$ offen und
|
||||
die eingeschränkte Abbildung $f: U → f(U)$ biholomorph ist.
|
||||
\end{definition}
|
||||
|
||||
\begin{notation}[Einbettungen]
|
||||
In der Situation von Definition~\ref{def:8-0-2} schreibt man anstelle der
|
||||
üblichen Notation $f: U \to \bC$ oft $f: U \hookrightarrow \bC$, um darauf
|
||||
hinzuweisen, dass $f$ eine Einbettung ist,
|
||||
üblichen Notation $f: U → ℂ$ oft $f: U ↪ ℂ$, um darauf hinzuweisen, dass $f$
|
||||
eine Einbettung ist,
|
||||
\end{notation}
|
||||
|
||||
\begin{satz}[Lokale Struktur holomorpher Funktionen]\label{satz:8-0-3}%
|
||||
@@ -80,66 +86,96 @@ folgende Satz machen diese Aussage präzise.
|
||||
$f$ in der Nähe von $ρ$ nicht konstant ist. Dann gibt es eine Zahl $n ∈ ℕ$
|
||||
und Einbettungen der Einheitskreisscheibe,
|
||||
\[
|
||||
u, v: Δ \hookrightarrow ℂ,
|
||||
u, v: Δ ↪ ℂ,
|
||||
\]
|
||||
sodass die folgenden Eigenschaften gelten
|
||||
\[
|
||||
\begin{equation}\label{eq:8-0-1}
|
||||
u(Δ) ⊆ U, \quad u(0) = ρ, \quad v(0) = f(ρ)
|
||||
\]
|
||||
\end{equation}
|
||||
und das folgende Diagramm kommutiert
|
||||
\[
|
||||
\begin{equation}\label{eq:8-0-2}
|
||||
\begin{tikzcd}
|
||||
Δ \ar[r, hook, "u"] \ar[d, "z ↦ z^n"'] & U \ar[d, "f"] \\
|
||||
Δ \ar[r, hook, "v"'] & ℂ.
|
||||
\end{tikzcd}
|
||||
\]
|
||||
\end{equation}
|
||||
\end{satz}
|
||||
\begin{proof}
|
||||
Wir betrachten die Funktion $z ↦ f(z) - ρ$, die am Punkt $ρ$ eine Nullstelle
|
||||
hat. Sei $1 ≤ n < ∞$ die Nullstellenordnung dieser Funktion bei $p$. Nach
|
||||
Wir nehme ohne Beschränkung der Allgemeinheit an, dass $f$ bei $ρ$ eine
|
||||
Nullstelle hat, ansonsten betrachte die Funktion $z ↦ f(z) - f(ρ)$. Sei $1 ≤
|
||||
n < ∞$ dann die Nullstellenordnung von $f$ bei $p$. Nach
|
||||
Satz~\ref{satz:8-0-2} über die Wurzeln holomorpher Funktionen gibt es eine
|
||||
Umgebung $V = V(ρ)$ und eine Einbettung
|
||||
Umgebung $V = V(ρ) ⊆ U$ und eine Einbettung
|
||||
\[
|
||||
b: V → ℂ
|
||||
b: V ↪ ℂ,
|
||||
\]
|
||||
mit Bildmenge $W$, sodass für jedes $z ∈ V$ gilt: $f(z) - ρ = b(z)^n$.
|
||||
sodass für jedes $z ∈ V$ die Gleichung $f(z) = b(z)^n$ gilt. Insbesondere ist
|
||||
$b(0) = 0$.
|
||||
|
||||
|
||||
Die Menge $W$ ist eine offene Umgebung der $0$. Wir können daher ein Skalar
|
||||
$λ ∈ ℝ⁺$ wählen, sodass die skalierte Menge $λ·W = \{λ·w \::\: w ∈ W\}$ den
|
||||
Einheitskreis $Δ$ enthält. Betrachte die Abbildung
|
||||
\paragraph{Schritt 1: Konstruktion der Einbettung $u$}
|
||||
|
||||
Die Bildmenge $b(V)$ der Einbettung $b$ ist eine offene Umgebung der $0$. Wir
|
||||
können daher ein Skalar $λ ∈ ℝ⁺$ wählen, sodass die Bildmenge der skalierten
|
||||
Einbettung
|
||||
\[
|
||||
u : Δ → ℂ, \quad z ↦ \bigl(λ·b(z)\bigr)^{-1}
|
||||
λ·b : V → ℂ, \quad z ↦ λ·b(z)
|
||||
\]
|
||||
und setze
|
||||
die Einheitskreisscheibe $Δ$ enthält. Betrachte die Umkehrabbildung
|
||||
\[
|
||||
U := (λ·b)^{-1}(Δ).
|
||||
(λ·b)^{-1} : (λ·b)(V) → V
|
||||
\]
|
||||
Dann ist $u: Δ → U$ eine biholomorphe Abbildung und für jedes $z ∈ U$ gilt:
|
||||
und definiere die Abbildung $u$ als Einschränkung
|
||||
\[
|
||||
u := (λ·b)^{-1}|_Δ : Δ → V ⊆ U.
|
||||
\]
|
||||
Dann ist $u(Δ) = (λ·b)^{-1}(Δ)$ offen und $u: Δ → u(Δ)$ ist biholomorph. Also
|
||||
ist $u$ schon einmal eine Einbettung und es gilt
|
||||
\[
|
||||
u(0) = (λ·b)^{-1}(0) = b^{-1}(λ^{-1}·0) = b^{-1}(0) = ρ.
|
||||
\]
|
||||
Damit erfüllt $u$ die in \eqref{eq:8-0-1} genannten Eigenschaften. Zusätzlich
|
||||
gilt für jedes $z$ aus dem Bild der Abbildung $u$ die Gleichung
|
||||
\begin{equation}\label{eq:xx}
|
||||
\left(u^{-1}(z)\right)^n = \left(λ·b(z)\right)^n = λ^n·b(z)^n = λ^n·f(z).
|
||||
\end{equation}
|
||||
|
||||
|
||||
\paragraph{Schritt 2: Konstruktion der Einbettung $v$}
|
||||
|
||||
Betrachte als Nächstes die Abbildung
|
||||
\[
|
||||
v: Δ → ℂ, \quad z ↦ \frac{1}{λ^n}·z.
|
||||
\]
|
||||
Es ist klar, dass $v$ eine Einbettung ist. Ebenso ist klar, dass die
|
||||
Gleichung $v(0) = 0 = f(ρ)$ gilt. Also erfüllt auch $v$ die in
|
||||
\eqref{eq:8-0-1} genannten Eigenschaften.
|
||||
|
||||
|
||||
\paragraph{Schritt 3: Kommutativität des Diagramms}
|
||||
|
||||
Wir müssen zeigen, dass abschließend zeigen, Diagramm~\eqref{eq:8-0-2}
|
||||
kommutiert. Äquivalent: wir müssen zeigen, dass jedes $δ ∈ Δ$ die Gleichung
|
||||
\[
|
||||
f(u(δ)) = v(δ^n)
|
||||
\]
|
||||
erfüllt. Sei also ein Element $δ ∈ Δ$ gegeben. Dann ist aber
|
||||
\begin{align*}
|
||||
\left(u^{-1}(z)\right)^n & = \left(λ·b(z)\right)^n \\
|
||||
& = λ^n·b(z)^n \\
|
||||
& = λ^n·(f(z) - ρ)^n \\
|
||||
& = \left(\sqrt[n]{λ}·(f(z) - ρ)\right)^n.
|
||||
f(u(δ)) & = \frac{1}{λ^n}·λ^n·f(u(δ)) \\
|
||||
& = \frac{1}{λ^n}·(u^{-1}(u(δ)))^n && \text{Gleichung \eqref{eq:xx}} \\
|
||||
& = \frac{1}{λ^n}·δ^n && \text{Umkehrabbildung} \\
|
||||
& = v(δ^n) && \text{Definition von } v.
|
||||
\end{align*}
|
||||
Betrachte dann die Abbildung
|
||||
\[
|
||||
v: Δ → ℂ, \quad z ↦ \frac{z}{\sqrt[n]{λ}} + ρ.
|
||||
\]
|
||||
Nachdem wir die Kreisscheibe $D$ um $0$ gegebenenfalls verkleinern, können wir
|
||||
annehmen, dass $g(D) ⊂ \widetilde{W}$ ist. Dann gilt für jedes $z ∈ D$:
|
||||
\[
|
||||
f(z) = z^n·r(g(z))^n = \left[z·r(g(z))\right]^n.
|
||||
\]
|
||||
Jetzt ist klar: $\left[z·r(g(z))\right](ρ)$ ist eine Wurzel von $g(ρ) ≠ 0$,
|
||||
also selbst ungleich 0. Deshalb sagt Lemma~\ref{lem:8-0-1}, dass es eine
|
||||
Umgebung $V ⊂ Δ$ gibt, sodass $b = z·r(g(z))$ biholomorph auf die Bildmenge
|
||||
ist.
|
||||
Damit ist der Satz bewiesen.
|
||||
\end{proof}
|
||||
|
||||
|
||||
\section{Anwendungen}
|
||||
|
||||
Satz~\ref{satz:8-0-3} erlaubt, jede (nicht-konstante) holomorphe Funktion lokal
|
||||
mit der holomorphen Funktion $z ↦ z^n$ zu vergleichen. Zum Beispiel ist die
|
||||
Abbildung $z ↦ z^n$ offen (= Bilder offener Mengen sind offen). Also erhalten
|
||||
wir:
|
||||
Abbildung $z ↦ z^n$ offen\index{offene Abbildung} (= Bilder offener Mengen sind
|
||||
offen). Also erhalten wir:
|
||||
|
||||
\begin{satz}[Satz von der Gebietstreue]\label{satz:gebietstreue}%
|
||||
Sei $U ⊂ ℂ$ offen und zusammenhängend, und sei $f ∈ 𝒪(U)$ nicht konstant.
|
||||
|
||||
Reference in New Issue
Block a user