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\chapter{Singuläre Stellen holomorpher Funktionen}
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\section{Isolierte Singularitäten}
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Wir interessieren uns für die folgende Situation: Sei $U ⊂ ℂ$ ein Gebiet, sei $ρ
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∈ U$ ein Punkt. Gegeben eine holomorphe Funktion $f ∈ 𝒪(U ∖ ρ)$. Was kann ich
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über das Verhalten von $f$ bei $ρ$ sagen?
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\begin{bsp}
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In diesen Beispielen ist $U = ℂ$ und $ρ = 0$.
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\begin{enumerate}
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\item Die Funktion $f(z) = z$ ist die Einschränkung einer holomorphe Funktion,
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die bereits auf ganz $U$ definiert ist. Man sagt in diesem Fall, die
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\emph{Singularität von $f$ bei $ρ$ ist hebbar}.
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\item Die Funktion $f(z) = 1/z$ ist keinesfalls die Einschränkung einer
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holomorphe Funktion, die bereits auf ganz $U$ definiert. Tatsächlich ist
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$f$ ist nicht einmal Einschränkung einer stetigen Funktion, die auf ganz $ℂ$
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definiert ist (denn für jedes $ε ∈ ℝ⁺$ ist die Funktion $|1/z|$ auf $B_ε(0)
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∖ 0$ unbeschränkt). Aber: ganz schlimm ist $f$ auch nicht, denn $z·f(z)$
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ist holomorph. Man sagt, die \emph{Funktion $f$ hat bei $0$ eine
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Polstelle}.
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\item Im Vergleich zu den vorhergehenden Funktionen ist $f(z) = \exp(1/z)$
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echt übel. Man rechne nach: für jedes $n ∈ ℕ$ ist $z^n·\exp(1/z)$ in der
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Nähe von $0$ betragsmäßig unbeschränkt (dazu reicht es, reelle $z$ zu
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betrachten). So etwas nennen wir eine \emph{wesentliche Singularität}.
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\end{enumerate}
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\end{bsp}
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\begin{definition}[Funktionen mit isolierten Singularitäten]\label{def:9-1-1}%
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Sei $U ⊂ ℂ$ offen. Eine \emph{holomorphe Funktion mit isolierten
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Singularitäten}\index{holomorph!mit isolieren Singularitäten} ist eine
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holomorphe Funktion $f ∈ 𝒪(U ∖ T)$ wobei $T ⊂ U$ eine diskrete Menge ist.
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\end{definition}
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\begin{definition}[Typen mit isolierten Singularitäten]
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In der Situation von Definition~\ref{def:9-1-1} sei ein Punkt $ρ ∈ T$.
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\begin{enumerate}
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\item Wenn es eine Funktion $F ∈ 𝒪( (U ∖ T) ∪ \{ρ\})$, die auch $U ∖ T$ mit
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$f$ übereinstimmt, dann sagt man, dass $f$ bei $ρ$ eine \emph{hebbare
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Singularität}\index{hebbare Singularität} hat.
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\item Wenn $f$ hat bei $ρ$ keine hebbare Singularität, es aber eine Zahl $n ∈
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ℕ$ gibt, sodass die Funktion $(z - ρ)^n·f(z)$ eine hebbare Singularität hat,
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dann sagt man, dass $f$ bei $ρ$ eine \emph{Polstelle}\index{Polstelle} hat.
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Die kleinste Zahl $n$ heißt
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\emph{Polstellenordnung}\index{Polstellenordnung} von $f$ am Punkt $ρ$.
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\item Wenn die Funktion $f$ bei $ρ$ weder eine hebbare Singularität noch eine
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Polstelle hat, dann sagt man, dass $f$ bei $ρ$ eine \emph{wesentliche
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Singularität}\index{wesentliche Singularität} hat.
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\end{enumerate}
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\end{definition}
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\begin{satz}[Hebbarkeitsatz von Riemann]\label{satz:9-1-hebbarkeit}%
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\index{Hebbarkeitsatz von Riemann}In der Situation von
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Definition~\ref{def:9-1-1} sei $ρ ∈ T$. Falls die Funktion $|f|$ in der Nähe
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von $ρ$ beschränkt ist, dann hat $f$ bei $ρ$ eine hebbare Singularität.
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Genauer: Falls es $ε > 0$ und $M > 0$ gibt, sodass für jedes $z ∈ B_ε(ρ) ∖ T$
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die Ungleichung $|f(z)| < M$ gilt, dann hat $f$ bei $ρ$ eine hebbare
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Singularität.
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\end{satz}
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\begin{proof}
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Nach Verkleinerung von $U$ können wir ohne Einschränkung annehmen, dass $U$
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eine Kreisscheibe um $ρ$ ist und dass $ρ$ der einzige Punkt in $U ∩ T$ ist.
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Betrachte die Funktion
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\[
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φ : U \longrightarrow ℂ, \quad z ↦ \begin{cases}
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f(z)·(z - ρ) & \text{falls } z ≠ ρ \\
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0 & \text{falls } z = ρ.
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\end{cases}
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\]
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Per Annahme ist diese Funktion stetig, und auf $U ∖ \{ρ\}$ holomorph. Also
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ist nach Korollar~\ref{kor:5-2-7} („Hebbarkeitssatz“) die Abbildung $φ$ auf
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ganz $U$ holomorph. Weil $φ$ aber bei $ρ$ eine Nullstelle hat, finden durch
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Potenzreihenentwicklung eine holomorphe Funktion $g ∈ 𝒪(U)$, sodass für jedes
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$z ∈ U$ die Gleichung $φ(z) = (z - ρ)·g(z)$ gilt. Die Funktionen $g$ und $f$
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stimmen demnach auf $U ∖ \{ρ\}$ überein, sind nach Korollar~\ref{kor:7-2-2}
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(„Identitätssatz für holomorphe Funktionen“) also gleich!
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\end{proof}
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\begin{bemerkung}
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Die Aussage ist in der reellen Analysis überhaupt nicht differenzierbar!
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Betrachte die Funktion $f : ℝ² ∖ \{0\} → ℝ$, $\vec{v} ↦ |\vec{v}|$. Die
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Abbildung ist stetig und außerhalb von $0$ differenzierbar. Aber auf ganz
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$ℝ²$ überhaupt nicht differenzierbar.
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\end{bemerkung}
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\begin{frage}
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Was kann ich über Beiträge von Funktionen mit Polstelle sagen?
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\end{frage}
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Als Antwort eine Beispielrechnung.
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\begin{rem}[Beispielrechnung zu Funktionen mit Polstellen]
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In der Situation von Definition~\ref{def:9-1-1} sei $ρ ∈ T$ eine Polstelle der
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Ordnung $n > 0$ hat. Also gibt es eine Zahl $ε > 0$ und eine holomorphe
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Funktion $g ∈ 𝒪(B_ε(ρ))$, sodass folgendes gilt.
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\begin{enumerate}
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\item Die Kreisscheibe $B_ε(ρ)$ liegt in $U$.
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\item Es ist $g(ρ) ≠ 0$.
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\item Für jedes $z ∈ B_ε(ρ) ∖ \{ρ\}$ gilt die Gleichung $g(z) =
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(z - ρ)^n · f(z)$.
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\end{enumerate}
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Die Funktion $|g|$ ist stetig. Wenn ich $ε$ verkleinere, kann ich ohne
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Beschränkung der Allgemeinheit zusätzlich annehmen, dass für jedes $z ∈
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B_ε(ρ)$ die Gleichung
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\[
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|g(z)| > \tfrac{1}{2} |g(ρ)|
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\]
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gilt. Also ist für jedes $z ∈ B_ε(ρ) ∖ \{ρ\}$
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\[
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\frac{1}{2} |g(ρ)| < |g(z)| = |z - ρ|^n · |f(z)| < ε^n · |f(z)|.
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\]
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Die Beispielrechnung endet hier.
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\end{rem}
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Zusammengefasst sagt uns die Beispielrechnung folgendes: Hat $f$ bei $ρ$ einen
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Pol, dann gilt für jedes $M ∈ ℝ⁺$ und alle ausreichend kleinen $ε > 0$.
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\begin{enumerate}
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\item Es ist $B_ε(ρ) ⊂ U$ und $ρ$ ist die einzige Singularität von $f$ auf
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$B_ε(ρ)$.
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\item Für jedes $z ∈ B_ε(ρ) ∖ \{ρ\}$ ist $|f(z)| > M$.
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\end{enumerate}
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Die Funktionswerte von $f$ explodieren also betragsmäßig, wenn ich mich dem
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Punkt $ρ$ annähere. Auf jeden Fall sind die Funktionswerte von $0$ weg
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beschränkt. \textbf{Das ist bei wesentlichen Singularitäten ganz anders!}
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\begin{satz}[Satz von Casorati\footnote{Felice Casorati (* 17.~Dezember 1835 in
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Pavia; † 11.~September 1890 in Casteggio) war ein italienischer
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Mathematiker.}-Weierstraß\footnote{Karl Theodor Wilhelm Weierstraß (*
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31.~Oktober 1815 in Ostenfelde bei Ennigerloh, Münsterland; † 19.~Februar 1897
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in Berlin) war ein deutscher Mathematiker, der sich um die logisch fundierte
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Aufarbeitung der Analysis verdient gemacht hat. Daneben leistete er
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bahnbrechende Beiträge in verschiedenen Gebieten der Mathematik, wie der
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Funktionentheorie, der Variationsrechnung, der Differenzialgeometrie und der
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Theorie der elliptischen Funktionen.}]\label{satz:9-1-casorati-weierstrass}%
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\index{Satz von Casorati-Weierstraß}In der Situation von
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Definition~\ref{def:9-1-1} sei $ρ ∈ T$. Falls $f$ bei $ρ$ eine wesentliche
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Singularität hat, dann ist $f(U ∖ T) ⊂ ℂ$ dicht.
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\end{satz}
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\begin{bemerkung}[Anwendungsidee]
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Betrachte weiter die Situation von Definition~\ref{def:9-1-1}. Wenn $ρ ∈ T$
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eine wesentliche Singularität ist, dann gilt für jedes $ε > 0$, dass die
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Bildmenge $f\bigl(B_ε(ρ) ∖ (U ∖ T)\bigr)$ in ganz $ℂ$ dicht ist. Die
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Funktionswerte sind also in der Nähe von $ρ$ kein bisschen von $0$ weg
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beschränkt --- ganz im Gegensatz zum Verhalten von Funktionen mit Polstellen.
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\end{bemerkung}
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\begin{proof}
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Wir beweisen die Kontraposition: Angenommen, $f(U ∖ T) ⊂ ℂ$ wäre nicht dicht.
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Dann gibt es einen Punkt $z_0 ∈ ℂ$ und ein $ε > 0$, sodass $B_ε(z_0)$ die
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Bildmenge $f(U ∖ T)$ nicht schneidet. Betrachte als Nächstes die Funktion $f
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- z_0$, dann gilt für jedes $z ∈ U ∖ T$ die Ungleichung
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\[
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|f(z) - z_0| > ε.
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\]
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Jetzt betrachte
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\[
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\frac{1}{f - z_0} ∈ 𝒪\bigl(U ∖ T\bigr)
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\]
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und stelle fest: Die Beträge dieser Funktion sind nach oben durch
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$\frac{1}{ε}$ beschränkt. Also sind nach Satz~\ref{satz:9-1-hebbarkeit}
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(„Hebbarkeitsatz von Riemann“) alle Singularitäten hebbar und es gibt eine
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holomorphe Funktion $h ∈ 𝒪(U)$ die auf $U ∖ T$ mit $\frac{1}{f - z_0}$
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übereinstimmt. Es folgt direkt, dass $f = h^{-1} + z_0$ nur Polstellen und
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deshalb keine wesentlichen Singularitäten hat.
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\end{proof}
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\section{Entwicklung in Laurentreihen}
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\sideremark{Vorlesung 13}
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In Kapitel~\ref{chap:6} haben wir gesehen, dass holomorphe Funktionen auf
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Kreisscheiben Potenzreihenentwicklungen besitzen. Wir wollen jetzt einen
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ähnlichen Satz für holomorphe Funktionen auf Kreisringen beweisen. Dazu
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verwenden wir denselben Trick wie bei der Potenzreihenentwicklung.
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\begin{bemerkung}[Erinnerung]
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Gegeben Kreisscheibe $B_r(0)$ und $f ∈ 𝒪(B_r(0))$, dann wähle $0 < ρ < r$.
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Nach Satz~\vref{satz:4-4-1} („Integralformel von Cauchy“) gilt für alle $w ∈
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B_{ρ}(0)$
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\[
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f(w) = \frac{1}{2π i} \int_{∂ B_{ρ}(0)} \frac{f(z)}{z - w} \, dz.
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\]
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Schreibe
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\[
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\frac{1}{z - w} = \frac{1}{z} · \frac{1}{1 - w/z} = \frac{1}{z} · \sum_{i=0}^∞ \left(\frac{w}{z}\right)ⁱ,
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\]
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und setze dies in das Integral ein. Vertausche Integral und Summe und erhalte
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eine Potenzreihendarstellung von $f$.
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\end{bemerkung}
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So etwas wollen wir jetzt auch für holomorphe Funktionen auf $B_r(0)$ machen,
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die bei $0$ eine Singularität haben. Sogar noch allgemeiner: für Funktionen auf
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Kreisringen.
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\begin{notation}[Kreisring]
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Seien reelle Zahlen $0 < r < R$ gegeben und sei $ρ ∈ ℂ$. Dann sei
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\[
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K_{r,R}(ρ) = \{ z ∈ ℂ \::\: r < |z - ρ| < R \}
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\]
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der offene \emph{Kreisring}\index{Kreisring} um $p$ mit Radien $r$ und $R$.
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\end{notation}
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\begin{situation}[Holomorphe Funktion auf Kreisring]\label{situation:9-2-2}%
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Es seien reelle Zahlen $0 < r < R$ und es sei eine holomorphe Funktion auf dem
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Kreisring $K_{r,R}(0)$ gegeben, $f ∈ 𝒪(K_{r,R}(0))$.
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\end{situation}
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\begin{konstruktion}[Potenzreihenentwicklung auf Kreisring]
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In Situation~\ref{situation:9-2-2} sei ein Punkt $w ∈ K_{r,R}(0)$ gegeben.
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Dann wähle reelle Zahlen $a$ und $A$ mit
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\[
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r < a < |w| < A < R.
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\]
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und betrachte den folgenden Weg $γ$ in $K_{r,R}(0)$:
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\begin{center}
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\begin{tikzpicture}[scale=2]
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% Radii
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\def\r{0.6}
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\def\a{1.0}
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\def\R{1.8}
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% Outer and inner circles of the annulus
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\draw[thick] (0,0) circle (\R);
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\draw[thick] (0,0) circle (\a);
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% Coordinate axes (optional, remove if not needed)
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\draw[->] (-2,0)--(2,0);
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\draw[->] (0,-2)--(0,2);
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% Labels for radii on x-axis
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\draw (\a,0) node[below] {$a$};
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\draw (\R,0) node[below] {$R$};
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% Point w
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\coordinate (w) at (0.65,0.55);
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\fill (w) circle (0.03) node[above right] {$w$};
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% small epsilon circle around w
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\draw[dashed] (w) circle (0.25) node[right] {$B_\varepsilon(w)$};
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% Path γ (stylized as a wiggly circle between a and R)
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\begin{scope}
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\draw[thick,->,domain=0:360,smooth,variable=\t]
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plot ({1.45*cos(\t) +0.12*cos(5*\t)},
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{1.45*sin(\t) +0.12*sin(5*\t)});
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\end{scope}
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% Label γ
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\node at (1.2,-0.2) {$\gamma$};
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\end{tikzpicture}
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\begin{tikzpicture}[scale=1.2]
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% Koordinatenachsen
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\draw[->] (-2.5,0) -- (2.5,0);
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||
\draw[->] (0,-2.5) -- (0,2.5);
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% Äußerer Kreis (Radius A)
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||
\draw[thick, ->] (1.8,0) arc (0:45:1.8);
|
||
\draw[thick] (1.8,0) arc (0:360:1.8);
|
||
\draw[thick, ->] (1.8,0) arc (360:315:1.8);
|
||
\draw[thick, ->] (-1.8,0) arc (180:225:1.8);
|
||
\draw[thick, ->] (0,-1.8) arc (270:315:1.8);
|
||
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||
% Innerer Kreis (Radius a)
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\draw[thick, <-] (1.0,0) arc (0:45:1.0);
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||
\draw[thick] (1.0,0) arc (0:360:1.0);
|
||
\draw[thick, <-] (1.0,0) arc (360:315:1.0);
|
||
\draw[thick, <-] (-1.0,0) arc (180:225:1.0);
|
||
\draw[thick, <-] (0,-1.0) arc (270:315:1.0);
|
||
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||
% Kleiner Kreis um w (mit gestrichelter Linie)
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||
\draw[dashed] (0.5,0.8) circle (0.3);
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||
\draw[thick, ->] (0.5,0.8) + (135:0.3) arc (135:225:0.3);
|
||
|
||
% Verbindungslinien (gestrichelt)
|
||
\draw[dashed] (0.5,0.5) -- (1.0,0);
|
||
\draw[dashed] (0.5,1.1) -- (0,1.8);
|
||
|
||
% Beschriftungen
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||
\node at (2.0,0) [below right] {$R$};
|
||
\node at (1.1,0) [below right] {$a$};
|
||
\node at (1.8,0) [below left] {$A$};
|
||
\node at (0.5,0.8) [above right] {$\gamma$};
|
||
\end{tikzpicture}
|
||
\end{center}
|
||
\begin{center}
|
||
\textit{[Hier würde Ihre Skizze mit den Kreisen und Wegen eingefügt.]}
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||
\end{center}
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Als erstes werde ich kann den Funktionswert $f(w)$ als Integral über den Weg
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$γ$ ausdrücken. Dazu wähle eine Zahl $ε > 0$, sodass die abgeschlossene
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Kreisscheibe $\overline{B_ε(w)}$ ganz in $K_{a,A}(0)$ liegt. Dann gilt nach
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der Cauchy Integralformel die Gleichung
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\[
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||
f(w) = \frac{1}{2π i} \int_{∂ B_ε(w)} \frac{f(z)}{z - w} dz.
|
||
\]
|
||
Jetzt beobachte, dass der Weg $γ$ frei homotop zum Weg rund um $∂ B_ε(w)$ ist.
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||
Also sind nach Satz~\ref{satz:4-3-6} („Invarianz von Wegintegralen unter
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freier Homotopie“) die Integrale über diese Wege gleich,
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||
\begin{align*}
|
||
f(w) & = \frac{1}{2π i} \int_{∂ B_ε(w)} \frac{f(z)}{z - w} \, dz \\
|
||
& = \frac{1}{2π i} \int_{γ} \frac{f(z)}{z - w} \, dz \\
|
||
& = \frac{1}{2π i} \left[ \int_{∂ B_A(0)} \frac{f(z)}{z - w} \, dz - \int_{∂ B_a(0)} \frac{f(z)}{z - w} \, dz \right].
|
||
\end{align*}
|
||
Jetzt wenden wir den Trick mit der geometrischen Reihe zweimal an.
|
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\begin{itemize}
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||
\item Für alle $z ∈ ∂ B_A(0)$ und alle $w ∈ K_{r,A}(0)$ ist
|
||
\[
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||
\frac{f(z)}{z - w} = \frac{f(z)}{z} · \sum \left(\frac{w}{z}\right)ⁱ
|
||
\]
|
||
und deshalb
|
||
\[
|
||
\int_{∂ B_A(0)} \frac{f(z)}{z - w} \, dz
|
||
= \sum_{i=0}^∞ \left( \int_{∂ B_A(0)} \frac{f(z)}{z^{i+1}} \, dz \right) · wⁱ.
|
||
\]
|
||
|
||
\item Für alle $z ∈ ∂ B_a(0)$ und alle $w ∈ K_{a,R}(0)$ ist
|
||
\[
|
||
\frac{f(z)}{z - w} = \frac{-f(z)}{w - z} = \frac{-f(z)}{w} · \frac{1}{1 - z/w} = \frac{-f(z)}{w} \sum \left(\frac{z}{w}\right)ⁱ
|
||
\]
|
||
und deshalb
|
||
\[
|
||
\int_{∂ B_a(0)} \frac{f(z)}{z - w} \, dz = \sum_{i=0}^∞ \left( \int_{∂ B_a} (-f(z) \, zⁱ) \, dz \right) · w^{-(i+1)}.
|
||
\]
|
||
\end{itemize}
|
||
Wie zuvor gilt: Der Wert der Integrale hängen nicht von der Wahl von $a$ und
|
||
$A$ ab und die Reihen konvergieren auf $K_{r,R}(0)$ lokal gleichmäßig.
|
||
Zusammenfassend können wir sagen: Es gibt Familien von komplexen Zahlen
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||
$(α_i)_{i ∈ ℤ}$, sodass für jedes $w ∈ K_{r,R}(0)$ die folgende Gleichung
|
||
gilt,
|
||
\[
|
||
f(w) = \sum_{i=0}^∞ α_i \, wⁱ + \sum_{i=0}^∞ α_{-(i+1)} \, w^{-(i+1)}.
|
||
\]
|
||
Beide Reihen konvergieren auf $K_{r,R}(0)$ lokal gleichmäßig, und es gilt
|
||
\[
|
||
f(w) = \lim_{n → ∞} \sum_{i=-n}^n α_i \, wⁱ.
|
||
\]
|
||
Die Konstruktion endet hier.
|
||
\end{konstruktion}
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||
Die Darstellung von $f$ als „Potenzreihe mit negativen Exponenten“ ist natürlich
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schrecklich wichtig. Sie wird als
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||
\emph{Laurentreihenentwicklung}\footnote{Pierre Alphonse Laurent (* 18.~Juli 1813
|
||
in Paris; † 2.~September 1854 ebenda) war ein französischer Mathematiker.}
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||
bezeichnet.
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||
|
||
\begin{definition}[Laurentreihen]
|
||
Eine \emph{Laurentreihe}\index{Laurentreihe} mit Entwicklungspunkt $ρ$ ist ein
|
||
Ausdruck der Form
|
||
\[
|
||
\sum_{i ∈ ℤ} c_i \, (z - ρ)ⁱ.
|
||
\]
|
||
Dabei sind die $c_i$ und $ρ$ komplexe Zahlen. Gegeben eine natürliche Zahl
|
||
$n$, so bezeichnet man den Ausdruck
|
||
\[
|
||
\sum_{i=-n}^n c_i \, (z - ρ)ⁱ
|
||
\]
|
||
als die \emph{$n$.te Partialsumme}\index{Partialsumme!einer Laurentreihe} der
|
||
Laurentreihe. Man sagt, die Laurentreihe konvergiert für ein $z_0 ∈ ℂ$ gegen
|
||
$g ∈ ℂ$, wenn die Folge $\sum_{i=-n}^n c_i \, (z_0 - p)ⁱ$ gegen $g$
|
||
konvergiert. Man sagt, die Laurentreihe konvergiert auf einer Menge $M ⊆ ℂ$
|
||
lokal gleichmäßig, wenn die Folge der Partialsummen auf $M$ lokal gleichmäßig
|
||
konvergiert.
|
||
\end{definition}
|
||
|
||
% !TEX root = Funktionentheorie
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