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.vscode/ltex.dictionary.de-DE.txt
vendored
1
.vscode/ltex.dictionary.de-DE.txt
vendored
@@ -10,3 +10,4 @@ Exponentialabbildung
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Quotientengruppe
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Quotientengruppe
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homotop
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homotop
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||||||
zusammenziehbar
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zusammenziehbar
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Lebesgue-Zahl
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@@ -142,7 +142,7 @@ Die folgenden Aussagen sollten Ihnen aus den Analysis-Vorlesungen bekannt sein.
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\begin{definition}[Wegintegrale]\label{def:3-2-1}%
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\begin{definition}[Wegintegrale]\label{def:3-2-1}%
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||||||
Sei $U ⊂ ℂ$ offen und sei $f: U → ℂ$ holomorph. Weiter sei $γ: [a,b] → U$ ein
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Sei $U ⊂ ℂ$ offen und sei $f: U → ℂ$ holomorph. Weiter sei $γ: [a,b] → U$ ein
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||||||
stetig differenzierbarer Weg. Dann definiert man das
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stetig differenzierbarer Weg. Dann definiert man das
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||||||
\emph{Wegintegral}\index{Wegintegral} als
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\emph{Wegintegral}\index{Wegintegral!für stetig differenzierbare Wege} als
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\[
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\[
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\int_γ f(z) \, dz := \int_a^b f(γ(t)) · γ'(t) \, dt.
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\int_γ f(z) \, dz := \int_a^b f(γ(t)) · γ'(t) \, dt.
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||||||
\]
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\]
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@@ -385,7 +385,7 @@ beim Beweis helfen.
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|||||||
\end{equation}
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\end{equation}
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ist. Dazu wähle irgendeinen Weg $δ: [0, 1] → U$ mit $δ(0) = z_0$, und $δ(1) =
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ist. Dazu wähle irgendeinen Weg $δ: [0, 1] → U$ mit $δ(0) = z_0$, und $δ(1) =
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||||||
p$. Für komplexe Zahlen $h$ von hinreichend kleinem Betrag ist die
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p$. Für komplexe Zahlen $h$ von hinreichend kleinem Betrag ist die
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||||||
Kreisscheibe um $p$ mit Radius $|h|$ komplett in $U$ enthalten. Gegeben ein
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Kreisscheibe um $p$ mit Radius $|h|$ komplett in $U$ enthalten. Gegeben ein
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||||||
solches $h$, betrachten wir den Weg
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solches $h$, betrachten wir den Weg
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\[
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\[
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γ_h: [0, 1] → U, \quad t ↦ p + t · h.
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γ_h: [0, 1] → U, \quad t ↦ p + t · h.
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@@ -513,7 +513,7 @@ folgenden Art.
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Zusammenfassung: Die Funktion $F$ ist am Punkt $p$ partiell nach $x$
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Zusammenfassung: Die Funktion $F$ ist am Punkt $p$ partiell nach $x$
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differenzierbar und es ist $\frac{∂ F}{∂ x}(p) = f(p)$. Analog beweist man:
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differenzierbar und es ist $\frac{∂ F}{∂ x}(p) = f(p)$. Analog beweist man:
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||||||
Die Funktion $F$ ist am Punkt $p$ partiell nach $y$ differenzierbar und es ist
|
Die Funktion $F$ ist am Punkt $p$ partiell nach $y$ differenzierbar und es ist
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||||||
$\frac{∂ F}{∂ y}(p) = i · f(p)$. Das hat zwei Konsequenzen.
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$\frac{∂ F}{∂ y}(p) = i · f(p)$. Das hat zwei Konsequenzen.
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||||||
\begin{itemize}
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\begin{itemize}
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\item Weil $f$ stetig ist, haben wir gezeigt, dass $F$ stetig partiell
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\item Weil $f$ stetig ist, haben wir gezeigt, dass $F$ stetig partiell
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||||||
differenzierbar ist, also total differenzierbar.
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differenzierbar ist, also total differenzierbar.
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@@ -526,175 +526,4 @@ folgenden Art.
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gilt.
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gilt.
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\end{proof}
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\end{proof}
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\chapter{Integration über stetige Wege}
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\section{Wegintegrale}
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In Definition~\ref{def:3-2-1} haben wir Wegintegrale nur für stetig
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differenzierbare Wege definiert. In vielen Situationen ist es aber nützlich,
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Wegintegrale auch für stetige Wege zu definieren. Als Vorbereitung erinnern wir
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uns an zwei elementare Fakten der Analysis und Topologie.
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\begin{erinnerung}[Bilder von kompakten Mengen unter stetigen Abbildungen]\label{eri:3-4-1}%
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Es sei $U ⊂ ℂ$ offen, es sei $K \subset \bR^n$ kompakt und es sei $\gamma : K
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→ U$ stetig. Dann gilt Folgendes.
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\begin{enumerate}
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\item Die Bildmenge $\gamma(K) \subset U$ ist kompakt.
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||||||
\item Es gibt endlich viele Kreisscheiben $\Delta_1, …, \Delta_n$ in $U$,
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die die Bildmenge $\gamma(K)$ überdecken. In Formelsprache:
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\[
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\gamma(K) \subseteq \cup_{j=1}^n \Delta_j \subseteq U.
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\]
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\item\label{il:3-4-1-3} Es gibt eine relle Zahl $\delta > 0$, sodass es für
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jede Teilmenge $A \subseteq K$ mit Durchmesser \O$(A) \leq \delta$ einen
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Index $i$ gibt mit $\gamma(A) \subseteq \Delta_i$.
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\end{enumerate}
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||||||
Die Zahl $\delta$ aus \ref{il:3-4-1-3} ist Ihnen vielleicht als
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\emph{Lebesgue-Zahl}\index{Lebesgue-Zahl} der Überdeckung $\{\Delta_1, …,
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\Delta_n\}$ bekannt. Details finden Sie unter anderem bei
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\href{https://en.wikipedia.org/wiki/Lebesgue's_number_lemma}{Wikipedia}.
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\end{erinnerung}
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\begin{konstruktion}[Wegintegrale: Integration über stetige Wege]\label{kons:3-4-2}%
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||||||
Sei $U ⊂ ℂ$ offen und sei $f: U → ℂ$ holomorph. Weiter sei $γ: [a,b] → U$ ein
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||||||
stetig differenzierbarer Weg. Nach Erinnerung~\ref{eri:3-4-1} gibt es eine
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||||||
Überdeckung von $γ([a,b])$ durch endlich viele Kreisscheiben $\Delta_1, …,
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||||||
\Delta_n$, die ganz in $U$ liegen. Nach Satz~\ref{satz:3-3-11} finden wir auf
|
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jeder dieser Kreisscheiben eine Stammfunktion $F_i: \Delta_i → ℂ$ von $f$.
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||||||
Nach Punkt~\ref{il:3-4-1-3} der Erinnerung~\ref{eri:3-4-1} gibt es eine
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endliche Unterteilung des Intervalls $[a,b]$,
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\[
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||||||
a = t_0 < t_1 < t_2 < … < t_m = b,
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\]
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||||||
sodass für jeden Index $0 \le j < m$ der Wertebereicht $\gamma([t_j,
|
|
||||||
t_{j+1}])$ ganz in einer der Kreisscheiben $\Delta_1, …, \Delta_n$ liegt.
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|
||||||
Genauer: für jeden Index $0 \le j < m$ gibt es einen Index $i_j ∈ \{1, …, n\}$
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||||||
mit
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\[
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||||||
γ([t_{j-1}, t_j]) ⊂ \Delta_{i_j}.
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||||||
\]
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||||||
Wir betrachten dann die Zahl
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||||||
\[
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||||||
I_\gamma := \sum_{j=0}^{m-1} \left( F_{i_j}(γ(t_{j+1})) - F_{i_j}(γ(t_j)) \right).
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||||||
\]
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|
||||||
Konstruktion~\ref{kons:3-4-2} endet hier.
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||||||
\end{konstruktion}
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||||||
Der Beweis des folgenden Fakts ist elementar, aber etwas langwierig. Er wird in der
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Vorlesung nicht geführt.
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\begin{fakt}[Wegintegrale: Unabhängigkeit von der Wahl der Überdeckung]\label{fakt:3-4-3}%
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||||||
Die Zahl $I_γ$ aus der obigen Konstruktion hängt nicht von der Wahl der
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||||||
Überdeckung durch Kreisscheiben, der Wahl der Stammfunktionen und der Wahl der
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Unterteilung des Intervalls $[a,b]$ ab. \qed
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\end{fakt}
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\begin{beobachtung}
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||||||
Wenn der Weg $\gamma$ aus Konstruktion~\ref{kons:3-4-2} stetig differenzierbar
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ist, dann gilt
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\[
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||||||
I_γ = \int_γ f(z) \, dz.
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||||||
\]
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||||||
\end{beobachtung}
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||||||
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||||||
\begin{definition}[Wegintegrale: Integration über stetige Wege]\label{def:3-4-5}%
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||||||
Sei $U ⊂ ℂ$ offen und sei $f: U → ℂ$ holomorph. Weiter sei $γ: [a,b] → U$ ein
|
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||||||
stetiger Weg. Dann definiert man das \emph{Wegintegral}\index{Wegintegral}
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als
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\[
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||||||
\int_γ f(z) \, dz := I_\gamma.
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||||||
\]
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||||||
\end{definition}
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||||||
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||||||
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||||||
\section{Homotopie von Wegen}
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||||||
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||||||
Gegeben eine offene Menge $U ⊂ ℂ$ und Punkte $z_0, z_1 ∈ U$, so betrachten wir
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||||||
Wege, die $z_0$ und $z_1$ verbinden. Anschaulich ist klar, dass manche dieser
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|
||||||
Wege stetig ineinander übergeführt werden können und andere nicht.
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||||||
\begin{definition}[Homotopie von Wegen]\label{def:3-4-1}%
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||||||
Es sei $U$ ein topologischer Raum, und $[a, b] ⊂ ℝ$ ein kompaktes Intervall.
|
|
||||||
Zwei stetige Wege
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||||||
\[
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||||||
γ_0: [a, b] → U, \quad γ_1: [a, b] → U
|
|
||||||
\quad\text{mit}\quad
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|
||||||
γ_0(a) = γ_1(a), \quad γ_0(b) = γ_1(b)
|
|
||||||
\]
|
|
||||||
heißen \emph{homotop}\index{homotop}, wenn es stetige Abbildung
|
|
||||||
\[
|
|
||||||
Γ: [a, b] ⨯ [0, 1] \longrightarrow U
|
|
||||||
\]
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|
||||||
gibt, sodass die folgenden Bedingungen erfüllt sind:
|
|
||||||
\begin{itemize}
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|
||||||
\item $\forall s ∈ [0, 1] : Γ(a, s) = γ_0(a) \text{ und } Γ(b, s) = γ_0(b)$
|
|
||||||
\item $\forall t ∈ [a, b] : Γ(t, 0) = γ_0(t) \text{ und } Γ(t, 1) = γ_1(t)$.
|
|
||||||
\end{itemize}
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||||||
Eine Abbildung $Γ$ mit diesen Eigenschaften heißt
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||||||
\emph{Homotopie}\index{Homotopie} zwischen den Wegen $γ_0$ und $γ_1$.
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||||||
\end{definition}
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||||||
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||||||
In der Situation von Definition~\ref{def:3-4-1} kann man die Homotopie als
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||||||
Familie von Wegen auffassen, $γ_s := Γ(•, s)$, die stetig zwischen den Wegen
|
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||||||
$γ_0$ und $γ_1$ interpoliert.
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||||||
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||||||
\begin{definition}[Zusammenziehbare Wege und einfach zusammenhängende Räume]\label{def:3-4-2}%
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||||||
Es sei $U$ ein topologischer Raum, und $[a, b] ⊂ ℝ$ ein kompaktes Intervall.
|
|
||||||
Ein \emph{geschlossener Weg}\index{geschlossener Weg} in $U$ ist ein stetiger
|
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||||||
Weg
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\[
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||||||
γ: [a, b] → U \quad\text{mit}\quad γ(a) = γ(b).
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||||||
\]
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|
||||||
Ein geschlossener Weg heißt \emph{zusammenziehbar}\index{zusammenziehbar} oder
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||||||
\emph{kontrahierbar}\index{kontrahierbar}, wenn er homotop zu einem konstanten
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||||||
Weg ist. Der Raum $U$ heißt \emph{wegweise einfach
|
|
||||||
zusammenhängend}\index{wegweise einfach zusammenhängend}, wenn jeder
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|
||||||
geschlossener Weg zusammenziehbar ist.
|
|
||||||
\end{definition}
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||||||
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||||||
\begin{bsp}[Zentrierte geschlossene Wege in der Kreisscheibe]
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||||||
Es sei $U ⊂ ℂ$ die Einheits-Kreisscheibe und es sei $γ_0: [a, b] → U$ ein Weg
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||||||
mit $γ_0(a) = γ_0(b) = 0$. Dann ist
|
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||||||
\[
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|
||||||
Γ: [a, b] ⨯ [0, 1] → U, \quad (t, s) ↦ (1 - t) · γ_0(t)
|
|
||||||
\]
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|
||||||
eine Homotopie zwischen dem Weg $γ_0$ und dem konstanten Weg $γ_1 \equiv 0$.
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|
||||||
Also ist $γ_0$ zusammenziehbar.
|
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||||||
\end{bsp}
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||||||
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|
||||||
\begin{bsp}[Allgemeine geschlossene Wege in der Kreisscheibe]\label{bsp:3-4-4}%
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||||||
Es sei $U ⊂ ℂ$ die Einheits-Kreisscheibe und es sei $γ_0: [a, b] → U$
|
|
||||||
irgendein geschlossener Weg mit $γ_0(a) = γ_0(b) =: z$. Dann ist
|
|
||||||
\[
|
|
||||||
Γ: [a, b] ⨯ [0, 1] → U, \quad (t, s) ↦ (1 - s) · (γ_0(t) - z) + z
|
|
||||||
\]
|
|
||||||
eine Homotopie zwischen $γ_0$ und dem konstanten Weg $γ_1 \equiv z$. Also ist
|
|
||||||
die Kreisscheibe einfach zusammenhängend.
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|
||||||
\end{bsp}
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||||||
|
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||||||
\begin{bemerkung}[Konvexe Mengen sind einfach zusammenhängend]
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||||||
Der wesentliche Punkt in Beispiel~\ref{bsp:3-4-4} ist, dass die Bildmenge von
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$Γ$ ganz in der Kreisscheibe enthalten ist. Die zum Beweis notwendige
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Rechnung verwendet allerdings nur, dass die Kreisscheibe konvex ist.
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Tatsächlich sind alle konvexen Mengen wegweise einfach zusammenhängend. In
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nicht-konvexen Mengen können geschlossene Wege durchaus nicht zusammenziehbar
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sein.
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\end{bemerkung}
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\begin{bemerkung}
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Homotopie ist eine Äquivalenzrelation auf der Menge der Wege mit festen
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Anfangs- und Endpunkten. Insbesondere ist Homotopie reflexiv, symmetrisch und
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transitiv.
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\end{bemerkung}
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|
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\begin{bemerkung}
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Wir haben noch kein Kriterium dafür, dass eine Menge \emph{nicht} einfach
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||||||
zusammenhängend ist. Der Integralsatz von Cauchy wird uns aber bald ein
|
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solches Kriterium liefern.
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|
||||||
\end{bemerkung}
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% !TEX root = Funktionentheorie
|
% !TEX root = Funktionentheorie
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174
04-wegintegraleStetig.tex
Normal file
174
04-wegintegraleStetig.tex
Normal file
@@ -0,0 +1,174 @@
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% spell checker language
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\selectlanguage{german}
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|
\chapter{Integration über stetige Wege}
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\section{Wegintegrale}
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||||||
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In Definition~\ref{def:3-2-1} haben wir Wegintegrale nur für stetig
|
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differenzierbare Wege definiert. In vielen Situationen ist es aber nützlich,
|
||||||
|
Wegintegrale auch für stetige Wege zu definieren. Als Vorbereitung erinnern wir
|
||||||
|
uns an zwei elementare Fakten der Analysis und Topologie.
|
||||||
|
|
||||||
|
\begin{erinnerung}[Bilder von kompakten Mengen unter stetigen Abbildungen]\label{eri:3-4-1}%
|
||||||
|
Es sei $U ⊂ ℂ$ offen, es sei $K ⊂ ℝ^n$ kompakt und es sei $γ : K → U$ stetig.
|
||||||
|
Dann gilt Folgendes.
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||||||
|
\begin{enumerate}
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||||||
|
\item Die Bildmenge $γ(K) ⊂ U$ ist kompakt.
|
||||||
|
|
||||||
|
\item Es gibt endlich viele Kreisscheiben $Δ_1, …, Δ_n$ in $U$,
|
||||||
|
die die Bildmenge $γ(K)$ überdecken. In Formelsprache:
|
||||||
|
\[
|
||||||
|
γ(K) ⊆ ∪_{j=1}^n Δ_j ⊆ U.
|
||||||
|
\]
|
||||||
|
|
||||||
|
\item\label{il:3-4-1-3} Es gibt eine reelle Zahl $δ > 0$, sodass es für jede
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||||||
|
Teilmenge $A ⊆ K$ mit Durchmesser $d(A) ≤ δ$ einen Index $i$ gibt mit $γ(A)
|
||||||
|
⊆ Δ_i$.
|
||||||
|
\end{enumerate}
|
||||||
|
Die Zahl $δ$ aus \ref{il:3-4-1-3} ist Ihnen vielleicht als
|
||||||
|
\emph{Lebesgue-Zahl}\index{Lebesgue-Zahl} der Überdeckung $\{Δ_1, …, Δ_n\}$
|
||||||
|
bekannt. Details finden Sie unter anderem bei
|
||||||
|
\href{https://en.wikipedia.org/wiki/Lebesgue's_number_lemma}{Wikipedia}.
|
||||||
|
\end{erinnerung}
|
||||||
|
|
||||||
|
\begin{konstruktion}[Wegintegrale: Integration über stetige Wege]\label{kons:3-4-2}%
|
||||||
|
Sei $U ⊂ ℂ$ offen und sei $f: U → ℂ$ holomorph. Weiter sei $γ: [a,b] → U$ ein
|
||||||
|
stetig differenzierbarer Weg. Nach Erinnerung~\ref{eri:3-4-1} gibt es eine
|
||||||
|
Überdeckung von $γ([a,b])$ durch endlich viele Kreisscheiben $Δ_1, …, Δ_n$,
|
||||||
|
die ganz in $U$ liegen. Nach Satz~\ref{satz:3-3-11} finden wir auf jeder
|
||||||
|
dieser Kreisscheiben eine Stammfunktion $F_i: Δ_i → ℂ$ von $f$.
|
||||||
|
|
||||||
|
Nach Punkt~\ref{il:3-4-1-3} der Erinnerung~\ref{eri:3-4-1} gibt es eine
|
||||||
|
endliche Unterteilung des Intervalls $[a,b]$,
|
||||||
|
\[
|
||||||
|
a = t_0 < t_1 < t_2 < … < t_m = b,
|
||||||
|
\]
|
||||||
|
sodass für jeden Index $0 \le j < m$ der Wertebereich $γ([t_j, t_{j+1}])$ ganz
|
||||||
|
in einer der Kreisscheiben $Δ_1, …, Δ_n$ liegt. Genauer: für jeden Index $0
|
||||||
|
\le j < m$ gibt es einen Index $i_j ∈ \{1, …, n\}$ mit
|
||||||
|
\[
|
||||||
|
γ([t_{j-1}, t_j]) ⊂ Δ_{i_j}.
|
||||||
|
\]
|
||||||
|
Wir betrachten dann die Zahl
|
||||||
|
\[
|
||||||
|
I_{γ} := \sum_{j=0}^{m-1} \left( F_{i_j}(γ(t_{j+1})) - F_{i_j}(γ(t_j)) \right).
|
||||||
|
\]
|
||||||
|
Konstruktion~\ref{kons:3-4-2} endet hier.
|
||||||
|
\end{konstruktion}
|
||||||
|
|
||||||
|
Der Beweis des folgenden Fakts ist elementar, aber etwas langwierig. Ich lass
|
||||||
|
ihn deshalb lieber weg.
|
||||||
|
|
||||||
|
\begin{fakt}[Wegintegrale: Unabhängigkeit von der Wahl der Überdeckung]\label{fakt:3-4-3}%
|
||||||
|
Die Zahl $I_γ$ aus der obigen Konstruktion hängt nicht von der Wahl der
|
||||||
|
Überdeckung durch Kreisscheiben, der Wahl der Stammfunktionen und der Wahl der
|
||||||
|
Unterteilung des Intervalls $[a,b]$ ab. \qed
|
||||||
|
\end{fakt}
|
||||||
|
|
||||||
|
\begin{beobachtung}
|
||||||
|
Wenn der Weg $γ$ aus Konstruktion~\ref{kons:3-4-2} stetig differenzierbar ist,
|
||||||
|
dann gilt
|
||||||
|
\[
|
||||||
|
I_γ = \int_γ f(z) \, dz.
|
||||||
|
\]
|
||||||
|
\end{beobachtung}
|
||||||
|
|
||||||
|
\begin{definition}[Wegintegrale: Integration über stetige Wege]\label{def:3-4-5}%
|
||||||
|
Sei $U ⊂ ℂ$ offen und sei $f: U → ℂ$ holomorph. Weiter sei $γ: [a,b] → U$ ein
|
||||||
|
stetiger Weg. Dann definiert man das \emph{Wegintegral}\index{Wegintegral!für
|
||||||
|
stetige Wege} als
|
||||||
|
\[
|
||||||
|
\int_γ f(z) \, dz := I_{γ}.
|
||||||
|
\]
|
||||||
|
\end{definition}
|
||||||
|
|
||||||
|
|
||||||
|
\section{Homotopie von Wegen}
|
||||||
|
|
||||||
|
Gegeben eine offene Menge $U ⊂ ℂ$ und Punkte $z_0, z_1 ∈ U$, so betrachten wir
|
||||||
|
Wege, die $z_0$ und $z_1$ verbinden. Anschaulich ist klar, dass manche dieser
|
||||||
|
Wege stetig ineinander übergeführt werden können und andere nicht.
|
||||||
|
|
||||||
|
\begin{definition}[Homotopie von Wegen]\label{def:3-4-1}%
|
||||||
|
Es sei $U$ ein topologischer Raum, und $[a, b] ⊂ ℝ$ ein kompaktes Intervall.
|
||||||
|
Zwei stetige Wege
|
||||||
|
\[
|
||||||
|
γ_0: [a, b] → U, \quad γ_1: [a, b] → U
|
||||||
|
\quad\text{mit}\quad
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γ_0(a) = γ_1(a), \quad γ_0(b) = γ_1(b)
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heißen \emph{homotop}\index{homotope Wege}, wenn es stetige Abbildung
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Γ: [a, b] ⨯ [0, 1] \longrightarrow U
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gibt, sodass die folgenden Bedingungen erfüllt sind:
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\begin{itemize}
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\item $\forall s ∈ [0, 1] : Γ(a, s) = γ_0(a) \text{ und } Γ(b, s) = γ_0(b)$
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\item $\forall t ∈ [a, b] : Γ(t, 0) = γ_0(t) \text{ und } Γ(t, 1) = γ_1(t)$.
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\end{itemize}
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Eine Abbildung $Γ$ mit diesen Eigenschaften heißt
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\emph{Homotopie}\index{Homotopie von Wegen} zwischen den Wegen $γ_0$ und
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$γ_1$.
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\end{definition}
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In der Situation von Definition~\ref{def:3-4-1} kann man die Homotopie als
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Familie von Wegen auffassen, $γ_s := Γ(•, s)$, die stetig zwischen den Wegen
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$γ_0$ und $γ_1$ interpoliert.
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\begin{definition}[Zusammenziehbare Wege und einfach zusammenhängende Räume]\label{def:3-4-2}%
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Es sei $U$ ein topologischer Raum, und $[a, b] ⊂ ℝ$ ein kompaktes Intervall.
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Ein \emph{geschlossener Weg}\index{geschlossener Weg} in $U$ ist ein stetiger
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Weg
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γ: [a, b] → U \quad\text{mit}\quad γ(a) = γ(b).
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Ein geschlossener Weg heißt \emph{zusammenziehbar}\index{zusammenziehbare
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Wege} oder \emph{kontrahierbar}\index{kontrahierbare Wege}, wenn er homotop zu
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einem konstanten Weg ist. Der Raum $U$ heißt \emph{wegweise einfach
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zusammenhängend}\index{wegweise einfach zusammenhängend}, wenn jeder
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geschlossener Weg zusammenziehbar ist.
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\end{definition}
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\begin{bsp}[Zentrierte geschlossene Wege in der Kreisscheibe]
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Es sei $U ⊂ ℂ$ die Einheits-Kreisscheibe und es sei $γ_0: [a, b] → U$ ein Weg
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mit $γ_0(a) = γ_0(b) = 0$. Dann ist
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Γ: [a, b] ⨯ [0, 1] → U, \quad (t, s) ↦ (1 - t) · γ_0(t)
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\]
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eine Homotopie zwischen dem Weg $γ_0$ und dem konstanten Weg $γ_1 \equiv 0$.
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Also ist $γ_0$ zusammenziehbar.
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\end{bsp}
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\begin{bsp}[Allgemeine geschlossene Wege in der Kreisscheibe]\label{bsp:3-4-4}%
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Es sei $U ⊂ ℂ$ die Einheits-Kreisscheibe und es sei $γ_0: [a, b] → U$
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irgendein geschlossener Weg mit $γ_0(a) = γ_0(b) =: z$. Dann ist
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\[
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Γ: [a, b] ⨯ [0, 1] → U, \quad (t, s) ↦ (1 - s) · (γ_0(t) - z) + z
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\]
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eine Homotopie zwischen $γ_0$ und dem konstanten Weg $γ_1 \equiv z$. Also ist
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die Kreisscheibe einfach zusammenhängend.
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\end{bsp}
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\begin{bemerkung}[Konvexe Mengen sind einfach zusammenhängend]
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Der wesentliche Punkt in Beispiel~\ref{bsp:3-4-4} ist, dass die Bildmenge von
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$Γ$ ganz in der Kreisscheibe enthalten ist. Die zum Beweis notwendige
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Rechnung verwendet allerdings nur, dass die Kreisscheibe konvex ist.
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Tatsächlich sind alle konvexen Mengen wegweise einfach zusammenhängend. In
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nicht-konvexen Mengen können geschlossene Wege durchaus nicht zusammenziehbar
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sein.
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\end{bemerkung}
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\begin{bemerkung}
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Homotopie ist eine Äquivalenzrelation auf der Menge der Wege mit festen
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Anfangs- und Endpunkten. Insbesondere ist Homotopie reflexiv, symmetrisch und
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transitiv.
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\end{bemerkung}
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\begin{bemerkung}
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Wir haben noch kein Kriterium dafür, dass eine Menge \emph{nicht} einfach
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zusammenhängend ist. Der Integralsatz von Cauchy wird uns aber bald ein
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solches Kriterium liefern.
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\end{bemerkung}
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% !TEX root = Funktionentheorie
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@@ -136,7 +136,8 @@ Link in den Text ein.
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\input{01-komplexeZahlen}
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\input{01-komplexeZahlen}
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\input{02-diffbarkeit}
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\input{02-diffbarkeit}
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\input{03-wegintegrale}
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\input{03-wegintegraleDiffbar}
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\input{04-wegintegraleStetig}
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\addchap{Lizenz}
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\addchap{Lizenz}
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Reference in New Issue
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