From 8b1adfaccd8df08f0b28a588ade0add4937746d1 Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: Stefan Kebekus Date: Fri, 17 Oct 2025 16:56:31 +0200 Subject: [PATCH] Cleanup --- .vscode/ltex.dictionary.de-DE.txt | 1 + ...ntegrale.tex => 03-wegintegraleDiffbar.tex | 177 +----------------- 04-wegintegraleStetig.tex | 174 +++++++++++++++++ Funktionentheorie.tex | 3 +- 4 files changed, 180 insertions(+), 175 deletions(-) rename 03-wegintegrale.tex => 03-wegintegraleDiffbar.tex (73%) create mode 100644 04-wegintegraleStetig.tex diff --git a/.vscode/ltex.dictionary.de-DE.txt b/.vscode/ltex.dictionary.de-DE.txt index 284776a..d3c23f5 100644 --- a/.vscode/ltex.dictionary.de-DE.txt +++ b/.vscode/ltex.dictionary.de-DE.txt @@ -10,3 +10,4 @@ Exponentialabbildung Quotientengruppe homotop zusammenziehbar +Lebesgue-Zahl diff --git a/03-wegintegrale.tex b/03-wegintegraleDiffbar.tex similarity index 73% rename from 03-wegintegrale.tex rename to 03-wegintegraleDiffbar.tex index 9727d46..bbcab19 100644 --- a/03-wegintegrale.tex +++ b/03-wegintegraleDiffbar.tex @@ -142,7 +142,7 @@ Die folgenden Aussagen sollten Ihnen aus den Analysis-Vorlesungen bekannt sein. \begin{definition}[Wegintegrale]\label{def:3-2-1}% Sei $U ⊂ ℂ$ offen und sei $f: U → ℂ$ holomorph. Weiter sei $γ: [a,b] → U$ ein stetig differenzierbarer Weg. Dann definiert man das - \emph{Wegintegral}\index{Wegintegral} als + \emph{Wegintegral}\index{Wegintegral!für stetig differenzierbare Wege} als \[ \int_γ f(z) \, dz := \int_a^b f(γ(t)) · γ'(t) \, dt. \] @@ -385,7 +385,7 @@ beim Beweis helfen. \end{equation} ist. Dazu wähle irgendeinen Weg $δ: [0, 1] → U$ mit $δ(0) = z_0$, und $δ(1) = p$. Für komplexe Zahlen $h$ von hinreichend kleinem Betrag ist die - Kreisscheibe um $p$ mit Radius $|h|$ komplett in $U$ enthalten. Gegeben ein + Kreisscheibe um $p$ mit Radius $|h|$ komplett in $U$ enthalten. Gegeben ein solches $h$, betrachten wir den Weg \[ γ_h: [0, 1] → U, \quad t ↦ p + t · h. @@ -513,7 +513,7 @@ folgenden Art. Zusammenfassung: Die Funktion $F$ ist am Punkt $p$ partiell nach $x$ differenzierbar und es ist $\frac{∂ F}{∂ x}(p) = f(p)$. Analog beweist man: Die Funktion $F$ ist am Punkt $p$ partiell nach $y$ differenzierbar und es ist - $\frac{∂ F}{∂ y}(p) = i · f(p)$. Das hat zwei Konsequenzen. + $\frac{∂ F}{∂ y}(p) = i · f(p)$. Das hat zwei Konsequenzen. \begin{itemize} \item Weil $f$ stetig ist, haben wir gezeigt, dass $F$ stetig partiell differenzierbar ist, also total differenzierbar. @@ -526,175 +526,4 @@ folgenden Art. gilt. \end{proof} - -\chapter{Integration über stetige Wege} - -\section{Wegintegrale} - -In Definition~\ref{def:3-2-1} haben wir Wegintegrale nur für stetig -differenzierbare Wege definiert. In vielen Situationen ist es aber nützlich, -Wegintegrale auch für stetige Wege zu definieren. Als Vorbereitung erinnern wir -uns an zwei elementare Fakten der Analysis und Topologie. - -\begin{erinnerung}[Bilder von kompakten Mengen unter stetigen Abbildungen]\label{eri:3-4-1}% - Es sei $U ⊂ ℂ$ offen, es sei $K \subset \bR^n$ kompakt und es sei $\gamma : K - → U$ stetig. Dann gilt Folgendes. - \begin{enumerate} - \item Die Bildmenge $\gamma(K) \subset U$ ist kompakt. - - \item Es gibt endlich viele Kreisscheiben $\Delta_1, …, \Delta_n$ in $U$, - die die Bildmenge $\gamma(K)$ überdecken. In Formelsprache: - \[ - \gamma(K) \subseteq \cup_{j=1}^n \Delta_j \subseteq U. - \] - - \item\label{il:3-4-1-3} Es gibt eine relle Zahl $\delta > 0$, sodass es für - jede Teilmenge $A \subseteq K$ mit Durchmesser \O$(A) \leq \delta$ einen - Index $i$ gibt mit $\gamma(A) \subseteq \Delta_i$. - \end{enumerate} - Die Zahl $\delta$ aus \ref{il:3-4-1-3} ist Ihnen vielleicht als - \emph{Lebesgue-Zahl}\index{Lebesgue-Zahl} der Überdeckung $\{\Delta_1, …, - \Delta_n\}$ bekannt. Details finden Sie unter anderem bei - \href{https://en.wikipedia.org/wiki/Lebesgue's_number_lemma}{Wikipedia}. -\end{erinnerung} - -\begin{konstruktion}[Wegintegrale: Integration über stetige Wege]\label{kons:3-4-2}% - Sei $U ⊂ ℂ$ offen und sei $f: U → ℂ$ holomorph. Weiter sei $γ: [a,b] → U$ ein - stetig differenzierbarer Weg. Nach Erinnerung~\ref{eri:3-4-1} gibt es eine - Überdeckung von $γ([a,b])$ durch endlich viele Kreisscheiben $\Delta_1, …, - \Delta_n$, die ganz in $U$ liegen. Nach Satz~\ref{satz:3-3-11} finden wir auf - jeder dieser Kreisscheiben eine Stammfunktion $F_i: \Delta_i → ℂ$ von $f$. - - Nach Punkt~\ref{il:3-4-1-3} der Erinnerung~\ref{eri:3-4-1} gibt es eine - endliche Unterteilung des Intervalls $[a,b]$, - \[ - a = t_0 < t_1 < t_2 < … < t_m = b, - \] - sodass für jeden Index $0 \le j < m$ der Wertebereicht $\gamma([t_j, - t_{j+1}])$ ganz in einer der Kreisscheiben $\Delta_1, …, \Delta_n$ liegt. - Genauer: für jeden Index $0 \le j < m$ gibt es einen Index $i_j ∈ \{1, …, n\}$ - mit - \[ - γ([t_{j-1}, t_j]) ⊂ \Delta_{i_j}. - \] - Wir betrachten dann die Zahl - \[ - I_\gamma := \sum_{j=0}^{m-1} \left( F_{i_j}(γ(t_{j+1})) - F_{i_j}(γ(t_j)) \right). - \] - Konstruktion~\ref{kons:3-4-2} endet hier. -\end{konstruktion} - -Der Beweis des folgenden Fakts ist elementar, aber etwas langwierig. Er wird in der -Vorlesung nicht geführt. - -\begin{fakt}[Wegintegrale: Unabhängigkeit von der Wahl der Überdeckung]\label{fakt:3-4-3}% - Die Zahl $I_γ$ aus der obigen Konstruktion hängt nicht von der Wahl der - Überdeckung durch Kreisscheiben, der Wahl der Stammfunktionen und der Wahl der - Unterteilung des Intervalls $[a,b]$ ab. \qed -\end{fakt} - -\begin{beobachtung} - Wenn der Weg $\gamma$ aus Konstruktion~\ref{kons:3-4-2} stetig differenzierbar - ist, dann gilt - \[ - I_γ = \int_γ f(z) \, dz. - \] -\end{beobachtung} - -\begin{definition}[Wegintegrale: Integration über stetige Wege]\label{def:3-4-5}% - Sei $U ⊂ ℂ$ offen und sei $f: U → ℂ$ holomorph. Weiter sei $γ: [a,b] → U$ ein - stetiger Weg. Dann definiert man das \emph{Wegintegral}\index{Wegintegral} - als - \[ - \int_γ f(z) \, dz := I_\gamma. - \] -\end{definition} - - -\section{Homotopie von Wegen} - -Gegeben eine offene Menge $U ⊂ ℂ$ und Punkte $z_0, z_1 ∈ U$, so betrachten wir -Wege, die $z_0$ und $z_1$ verbinden. Anschaulich ist klar, dass manche dieser -Wege stetig ineinander übergeführt werden können und andere nicht. - -\begin{definition}[Homotopie von Wegen]\label{def:3-4-1}% - Es sei $U$ ein topologischer Raum, und $[a, b] ⊂ ℝ$ ein kompaktes Intervall. - Zwei stetige Wege - \[ - γ_0: [a, b] → U, \quad γ_1: [a, b] → U - \quad\text{mit}\quad - γ_0(a) = γ_1(a), \quad γ_0(b) = γ_1(b) - \] - heißen \emph{homotop}\index{homotop}, wenn es stetige Abbildung - \[ - Γ: [a, b] ⨯ [0, 1] \longrightarrow U - \] - gibt, sodass die folgenden Bedingungen erfüllt sind: - \begin{itemize} - \item $\forall s ∈ [0, 1] : Γ(a, s) = γ_0(a) \text{ und } Γ(b, s) = γ_0(b)$ - \item $\forall t ∈ [a, b] : Γ(t, 0) = γ_0(t) \text{ und } Γ(t, 1) = γ_1(t)$. - \end{itemize} - Eine Abbildung $Γ$ mit diesen Eigenschaften heißt - \emph{Homotopie}\index{Homotopie} zwischen den Wegen $γ_0$ und $γ_1$. -\end{definition} - -In der Situation von Definition~\ref{def:3-4-1} kann man die Homotopie als -Familie von Wegen auffassen, $γ_s := Γ(•, s)$, die stetig zwischen den Wegen -$γ_0$ und $γ_1$ interpoliert. - -\begin{definition}[Zusammenziehbare Wege und einfach zusammenhängende Räume]\label{def:3-4-2}% - Es sei $U$ ein topologischer Raum, und $[a, b] ⊂ ℝ$ ein kompaktes Intervall. - Ein \emph{geschlossener Weg}\index{geschlossener Weg} in $U$ ist ein stetiger - Weg - \[ - γ: [a, b] → U \quad\text{mit}\quad γ(a) = γ(b). - \] - Ein geschlossener Weg heißt \emph{zusammenziehbar}\index{zusammenziehbar} oder - \emph{kontrahierbar}\index{kontrahierbar}, wenn er homotop zu einem konstanten - Weg ist. Der Raum $U$ heißt \emph{wegweise einfach - zusammenhängend}\index{wegweise einfach zusammenhängend}, wenn jeder - geschlossener Weg zusammenziehbar ist. -\end{definition} - -\begin{bsp}[Zentrierte geschlossene Wege in der Kreisscheibe] - Es sei $U ⊂ ℂ$ die Einheits-Kreisscheibe und es sei $γ_0: [a, b] → U$ ein Weg - mit $γ_0(a) = γ_0(b) = 0$. Dann ist - \[ - Γ: [a, b] ⨯ [0, 1] → U, \quad (t, s) ↦ (1 - t) · γ_0(t) - \] - eine Homotopie zwischen dem Weg $γ_0$ und dem konstanten Weg $γ_1 \equiv 0$. - Also ist $γ_0$ zusammenziehbar. -\end{bsp} - -\begin{bsp}[Allgemeine geschlossene Wege in der Kreisscheibe]\label{bsp:3-4-4}% - Es sei $U ⊂ ℂ$ die Einheits-Kreisscheibe und es sei $γ_0: [a, b] → U$ - irgendein geschlossener Weg mit $γ_0(a) = γ_0(b) =: z$. Dann ist - \[ - Γ: [a, b] ⨯ [0, 1] → U, \quad (t, s) ↦ (1 - s) · (γ_0(t) - z) + z - \] - eine Homotopie zwischen $γ_0$ und dem konstanten Weg $γ_1 \equiv z$. Also ist - die Kreisscheibe einfach zusammenhängend. -\end{bsp} - -\begin{bemerkung}[Konvexe Mengen sind einfach zusammenhängend] - Der wesentliche Punkt in Beispiel~\ref{bsp:3-4-4} ist, dass die Bildmenge von - $Γ$ ganz in der Kreisscheibe enthalten ist. Die zum Beweis notwendige - Rechnung verwendet allerdings nur, dass die Kreisscheibe konvex ist. - Tatsächlich sind alle konvexen Mengen wegweise einfach zusammenhängend. In - nicht-konvexen Mengen können geschlossene Wege durchaus nicht zusammenziehbar - sein. -\end{bemerkung} - -\begin{bemerkung} - Homotopie ist eine Äquivalenzrelation auf der Menge der Wege mit festen - Anfangs- und Endpunkten. Insbesondere ist Homotopie reflexiv, symmetrisch und - transitiv. -\end{bemerkung} - -\begin{bemerkung} - Wir haben noch kein Kriterium dafür, dass eine Menge \emph{nicht} einfach - zusammenhängend ist. Der Integralsatz von Cauchy wird uns aber bald ein - solches Kriterium liefern. -\end{bemerkung} - % !TEX root = Funktionentheorie diff --git a/04-wegintegraleStetig.tex b/04-wegintegraleStetig.tex new file mode 100644 index 0000000..933a1cc --- /dev/null +++ b/04-wegintegraleStetig.tex @@ -0,0 +1,174 @@ +% spell checker language +\selectlanguage{german} + +\chapter{Integration über stetige Wege} + +\section{Wegintegrale} + +In Definition~\ref{def:3-2-1} haben wir Wegintegrale nur für stetig +differenzierbare Wege definiert. In vielen Situationen ist es aber nützlich, +Wegintegrale auch für stetige Wege zu definieren. Als Vorbereitung erinnern wir +uns an zwei elementare Fakten der Analysis und Topologie. + +\begin{erinnerung}[Bilder von kompakten Mengen unter stetigen Abbildungen]\label{eri:3-4-1}% + Es sei $U ⊂ ℂ$ offen, es sei $K ⊂ ℝ^n$ kompakt und es sei $γ : K → U$ stetig. + Dann gilt Folgendes. + \begin{enumerate} + \item Die Bildmenge $γ(K) ⊂ U$ ist kompakt. + + \item Es gibt endlich viele Kreisscheiben $Δ_1, …, Δ_n$ in $U$, + die die Bildmenge $γ(K)$ überdecken. In Formelsprache: + \[ + γ(K) ⊆ ∪_{j=1}^n Δ_j ⊆ U. + \] + + \item\label{il:3-4-1-3} Es gibt eine reelle Zahl $δ > 0$, sodass es für jede + Teilmenge $A ⊆ K$ mit Durchmesser $d(A) ≤ δ$ einen Index $i$ gibt mit $γ(A) + ⊆ Δ_i$. + \end{enumerate} + Die Zahl $δ$ aus \ref{il:3-4-1-3} ist Ihnen vielleicht als + \emph{Lebesgue-Zahl}\index{Lebesgue-Zahl} der Überdeckung $\{Δ_1, …, Δ_n\}$ + bekannt. Details finden Sie unter anderem bei + \href{https://en.wikipedia.org/wiki/Lebesgue's_number_lemma}{Wikipedia}. +\end{erinnerung} + +\begin{konstruktion}[Wegintegrale: Integration über stetige Wege]\label{kons:3-4-2}% + Sei $U ⊂ ℂ$ offen und sei $f: U → ℂ$ holomorph. Weiter sei $γ: [a,b] → U$ ein + stetig differenzierbarer Weg. Nach Erinnerung~\ref{eri:3-4-1} gibt es eine + Überdeckung von $γ([a,b])$ durch endlich viele Kreisscheiben $Δ_1, …, Δ_n$, + die ganz in $U$ liegen. Nach Satz~\ref{satz:3-3-11} finden wir auf jeder + dieser Kreisscheiben eine Stammfunktion $F_i: Δ_i → ℂ$ von $f$. + + Nach Punkt~\ref{il:3-4-1-3} der Erinnerung~\ref{eri:3-4-1} gibt es eine + endliche Unterteilung des Intervalls $[a,b]$, + \[ + a = t_0 < t_1 < t_2 < … < t_m = b, + \] + sodass für jeden Index $0 \le j < m$ der Wertebereich $γ([t_j, t_{j+1}])$ ganz + in einer der Kreisscheiben $Δ_1, …, Δ_n$ liegt. Genauer: für jeden Index $0 + \le j < m$ gibt es einen Index $i_j ∈ \{1, …, n\}$ mit + \[ + γ([t_{j-1}, t_j]) ⊂ Δ_{i_j}. + \] + Wir betrachten dann die Zahl + \[ + I_{γ} := \sum_{j=0}^{m-1} \left( F_{i_j}(γ(t_{j+1})) - F_{i_j}(γ(t_j)) \right). + \] + Konstruktion~\ref{kons:3-4-2} endet hier. +\end{konstruktion} + +Der Beweis des folgenden Fakts ist elementar, aber etwas langwierig. Ich lass +ihn deshalb lieber weg. + +\begin{fakt}[Wegintegrale: Unabhängigkeit von der Wahl der Überdeckung]\label{fakt:3-4-3}% + Die Zahl $I_γ$ aus der obigen Konstruktion hängt nicht von der Wahl der + Überdeckung durch Kreisscheiben, der Wahl der Stammfunktionen und der Wahl der + Unterteilung des Intervalls $[a,b]$ ab. \qed +\end{fakt} + +\begin{beobachtung} + Wenn der Weg $γ$ aus Konstruktion~\ref{kons:3-4-2} stetig differenzierbar ist, + dann gilt + \[ + I_γ = \int_γ f(z) \, dz. + \] +\end{beobachtung} + +\begin{definition}[Wegintegrale: Integration über stetige Wege]\label{def:3-4-5}% + Sei $U ⊂ ℂ$ offen und sei $f: U → ℂ$ holomorph. Weiter sei $γ: [a,b] → U$ ein + stetiger Weg. Dann definiert man das \emph{Wegintegral}\index{Wegintegral!für + stetige Wege} als + \[ + \int_γ f(z) \, dz := I_{γ}. + \] +\end{definition} + + +\section{Homotopie von Wegen} + +Gegeben eine offene Menge $U ⊂ ℂ$ und Punkte $z_0, z_1 ∈ U$, so betrachten wir +Wege, die $z_0$ und $z_1$ verbinden. Anschaulich ist klar, dass manche dieser +Wege stetig ineinander übergeführt werden können und andere nicht. + +\begin{definition}[Homotopie von Wegen]\label{def:3-4-1}% + Es sei $U$ ein topologischer Raum, und $[a, b] ⊂ ℝ$ ein kompaktes Intervall. + Zwei stetige Wege + \[ + γ_0: [a, b] → U, \quad γ_1: [a, b] → U + \quad\text{mit}\quad + γ_0(a) = γ_1(a), \quad γ_0(b) = γ_1(b) + \] + heißen \emph{homotop}\index{homotope Wege}, wenn es stetige Abbildung + \[ + Γ: [a, b] ⨯ [0, 1] \longrightarrow U + \] + gibt, sodass die folgenden Bedingungen erfüllt sind: + \begin{itemize} + \item $\forall s ∈ [0, 1] : Γ(a, s) = γ_0(a) \text{ und } Γ(b, s) = γ_0(b)$ + \item $\forall t ∈ [a, b] : Γ(t, 0) = γ_0(t) \text{ und } Γ(t, 1) = γ_1(t)$. + \end{itemize} + Eine Abbildung $Γ$ mit diesen Eigenschaften heißt + \emph{Homotopie}\index{Homotopie von Wegen} zwischen den Wegen $γ_0$ und + $γ_1$. +\end{definition} + +In der Situation von Definition~\ref{def:3-4-1} kann man die Homotopie als +Familie von Wegen auffassen, $γ_s := Γ(•, s)$, die stetig zwischen den Wegen +$γ_0$ und $γ_1$ interpoliert. + +\begin{definition}[Zusammenziehbare Wege und einfach zusammenhängende Räume]\label{def:3-4-2}% + Es sei $U$ ein topologischer Raum, und $[a, b] ⊂ ℝ$ ein kompaktes Intervall. + Ein \emph{geschlossener Weg}\index{geschlossener Weg} in $U$ ist ein stetiger + Weg + \[ + γ: [a, b] → U \quad\text{mit}\quad γ(a) = γ(b). + \] + Ein geschlossener Weg heißt \emph{zusammenziehbar}\index{zusammenziehbare + Wege} oder \emph{kontrahierbar}\index{kontrahierbare Wege}, wenn er homotop zu + einem konstanten Weg ist. Der Raum $U$ heißt \emph{wegweise einfach + zusammenhängend}\index{wegweise einfach zusammenhängend}, wenn jeder + geschlossener Weg zusammenziehbar ist. +\end{definition} + +\begin{bsp}[Zentrierte geschlossene Wege in der Kreisscheibe] + Es sei $U ⊂ ℂ$ die Einheits-Kreisscheibe und es sei $γ_0: [a, b] → U$ ein Weg + mit $γ_0(a) = γ_0(b) = 0$. Dann ist + \[ + Γ: [a, b] ⨯ [0, 1] → U, \quad (t, s) ↦ (1 - t) · γ_0(t) + \] + eine Homotopie zwischen dem Weg $γ_0$ und dem konstanten Weg $γ_1 \equiv 0$. + Also ist $γ_0$ zusammenziehbar. +\end{bsp} + +\begin{bsp}[Allgemeine geschlossene Wege in der Kreisscheibe]\label{bsp:3-4-4}% + Es sei $U ⊂ ℂ$ die Einheits-Kreisscheibe und es sei $γ_0: [a, b] → U$ + irgendein geschlossener Weg mit $γ_0(a) = γ_0(b) =: z$. Dann ist + \[ + Γ: [a, b] ⨯ [0, 1] → U, \quad (t, s) ↦ (1 - s) · (γ_0(t) - z) + z + \] + eine Homotopie zwischen $γ_0$ und dem konstanten Weg $γ_1 \equiv z$. Also ist + die Kreisscheibe einfach zusammenhängend. +\end{bsp} + +\begin{bemerkung}[Konvexe Mengen sind einfach zusammenhängend] + Der wesentliche Punkt in Beispiel~\ref{bsp:3-4-4} ist, dass die Bildmenge von + $Γ$ ganz in der Kreisscheibe enthalten ist. Die zum Beweis notwendige + Rechnung verwendet allerdings nur, dass die Kreisscheibe konvex ist. + Tatsächlich sind alle konvexen Mengen wegweise einfach zusammenhängend. In + nicht-konvexen Mengen können geschlossene Wege durchaus nicht zusammenziehbar + sein. +\end{bemerkung} + +\begin{bemerkung} + Homotopie ist eine Äquivalenzrelation auf der Menge der Wege mit festen + Anfangs- und Endpunkten. Insbesondere ist Homotopie reflexiv, symmetrisch und + transitiv. +\end{bemerkung} + +\begin{bemerkung} + Wir haben noch kein Kriterium dafür, dass eine Menge \emph{nicht} einfach + zusammenhängend ist. 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