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Stefan Kebekus
2025-12-02 13:37:04 +01:00
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@@ -38,7 +38,7 @@
\end{bemerkung}
\begin{satz}[Zählen von Null- und Polstellen]\label{satz:12-5-1}%
In Situation~\ref{sit:12-5-1} betrachte den Weg $f ◦ γ : [a,b]$. Dann gilt
In Situation~\ref{sit:12-5-1} betrachte den Weg $f ◦ γ : [a,b]$. Dann gilt
\[
\Um(f ◦ γ, 0) = \sum_{p ∈ U} \Um(γ, p) · ν_p(f).
\]
@@ -59,8 +59,8 @@
Sommières, Département Hérault; † 19.~August 1910 in Lunel) war ein
französischer Mathematiker. }]\label{kor:12-5-2}%
\index{Satz von Rouché}Sei $U ⊂ $ offen, $f ∈ 𝒪(U)$ und $K ⊂ U$ eine
abgeschlossene Kreisscheibe. Sei außerdem eine holomorphe Funktion $g ∈ 𝒪(U)$
gegeben, sodass für jedes $z ∈ δ K$ die Ungleichung
abgeschlossene Kreisscheibe. Sei außerdem eine holomorphe Funktion $g ∈
𝒪(U)$ gegeben, sodass für jedes $z ∈ δ K$ die Ungleichung
\begin{equation}\label{eq:12-5-5}%
|f(z)| > |g(z)|
\end{equation}
@@ -112,13 +112,13 @@
\section{Funktionen mit vorgegebenen Nullstellen}
\begin{satz}[Weierstraß]
\index{Satz von Weierstraß}Sei $P \subset \bC$ eine diskrete und
abgeschlossene Menge und $n : P \to \bN$ eine beliebige Abbildung. Dann
existiert eine Funktion $f \in \sO(\bC)$, sodass folgendes gilt.
\index{Satz von Weierstraß}Sei $P $ eine diskrete und abgeschlossene Menge
und $n : P $ eine beliebige Abbildung. Dann existiert eine Funktion $f ∈
𝒪()$, sodass folgendes gilt.
\begin{enumerate}
\item Die Nullstellenmenge von $f$ ist exakt $P$.
\item Für jedes $p \in P$ gilt: Die Funktion $f$ hat bei $p$ eine Nullstelle
\item Für jedes $p P$ gilt: Die Funktion $f$ hat bei $p$ eine Nullstelle
der Ordnung $n(p)$.
\end{enumerate}
\end{satz}
@@ -126,162 +126,142 @@
\subsection{Vorüberlegung zum Beweis des Satzes von Weierstraß}
Es sei $f \in \sO(\bC)$ eine holomorphe Funktion, die am Punkt $p \in \bC$ eine
Es sei $f 𝒪()$ eine holomorphe Funktion, die am Punkt $p $ eine
Nullstelle der Ordnung $n$ besitzt. Entwickle $f$ bei $p$ in eine Potenzreihe,
sodass für $z$ in einer Umgebung von $p$ folgendes gilt.
\begin{align}
f(z) & = \sum_{i = n}^{\infty} a_i (z-p)^i \\
f'(z) & = \sum_{i = n}^{\infty} a_i·i·(z-p)^{i-1} \\
f^{-1}(z) & = a^{-1}_n·(z-p)^{-n} + \sum_{i = -n+1}^{\infty} \cdots \\
f(z) & = \sum_{i = n}^{} a_i (z-p) \\
f'(z) & = \sum_{i = n}^{} a_i·i·(z-p)^{i-1} \\
f^{-1}(z) & = a^{-1}_n·(z-p)^{-n} + \sum_{i = -n+1}^{} \\
\label{il:13-2-1-6} (f'/f)(z) & = \underbrace{n·(z-p)^{-1}}_{\text{Hauptteil}} + \underbrace{(\text{Potenzreihe})}_{\text{Nebenteil}}.
\end{align}
\subsection{Beweis des Satzes von Weierstraß}
Die Vorüberlegung legt nahe, den Satz von MittagLeffler zu verwenden. Sei also
$g \in \sO(\bC \setminus P)$ eine Funktion, deren Hauptteil an jeder Stelle $p
\in P$ exakt gleich $\frac{n(p)}{z-p}$ ist. Das Ziel ist jetzt, aus der
Funktion $g$ die gesuchte Funktion $f$ zu konstruieren.
Die Vorüberlegung legt nahe, den Satz von MittagLeffler zu verwenden. Sei also
$g 𝒪( P)$ eine Funktion, deren Hauptteil an jeder Stelle $p ∈ P$ exakt
gleich $\frac{n(p)}{z-p}$ ist. Das Ziel ist jetzt, aus der Funktion $g$ die
gesuchte Funktion $f$ zu konstruieren.
\begin{erinnerung}
Der Residuensatz besagt, dass für jede geschlossene Kurve $\gamma$ in $\bC
\setminus P$ gilt:
Der Residuensatz besagt, dass für jede geschlossene Kurve $γ$ in $ P$ gilt:
\[
\int_\gamma g(z) \, dz = 2\pi i \sum_{p \in P} \Um(\gamma, p) · n(p).
\int_{γ} g(z) \, dz = 2π i \sum_{p P} \Um(γ, p) · n(p).
\]
Da $n(p) \in \bZ$ für alle $p \in P$ gilt, ist das Integral auf der linken
Seite also stets ein ganzzahliges Vielfaches von $2\pi i$, liegt also im Kern
der Exponentialfunktion $\exp : \bC \to \bC^*$.
Da $n(p) $ für alle $p P$ gilt, ist das Integral auf der linken Seite
also stets ein ganzzahliges Vielfaches von $2π i$, liegt also im Kern der
Exponentialfunktion $\exp : ^*$.
\end{erinnerung}
Die Erinnerung erlaubt folgende Konstruktion: Wähle einen Punkt $q \in \bC
\setminus P$ und wähle für jedes $w \in \bC \setminus P$ einen Weg $\gamma_w$
von $q$ nach $w$. Dann definiere die Funktion
Die Erinnerung erlaubt folgende Konstruktion: Wähle einen Punkt $q P$ und
wähle für jedes $w ∈ P$ einen Weg $γ_w$ von $q$ nach $w$. Dann definiere
die Funktion
\[
f : \bC \setminus P \to \bC^*, \quad w \mapsto \exp \left(\int_{\gamma_w} g(z) \, dz\right).
f : P → ^*, \quad w \exp \left(\int_{γ_w} g(z) \, dz\right).
\]
Die Erinnerung zeigt, dass die Funktion $f$ unabhängig von der Wahl der Wege
$\gamma_w$ ist.
$γ_w$ ist.
\begin{beobachtung}
Die Funktion $f$ ist auf $\bC \setminus P$ holomorph, weil $g$ holomorph ist.
\qed
Die Funktion $f$ ist auf $ P$ holomorph, weil $g$ holomorph ist. \qed
\end{beobachtung}
\begin{beobachtung}
Die Funktion $f$ hat auf $\bC \setminus P$ keine Nullstelle, weil die
Exponentialfunktion keine Nullstelle hat. \qed
Die Funktion $f$ hat auf $ P$ keine Nullstelle, weil die
Exponentialfunktion keine Nullstelle hat. \qed
\end{beobachtung}
\begin{beobachtung}\label{beo:13-2-1}%
Auf $\bC \setminus P$ gilt die Gleichung $f'/f = g$. \qed
Auf $ P$ gilt die Gleichung $f'/f = g$. \qed
\end{beobachtung}
Jetzt fehlt nur noch zu zeigen, dass $f$ an jedem Punkt $p \in P$ eine hebbare
Jetzt fehlt nur noch zu zeigen, dass $f$ an jedem Punkt $p P$ eine hebbare
Singularität hat und dass die fortgesetzte Funktion eine Nullstelle der Ordnung
$n(p)$ besitzt. Sei also ein Punkt $p \in P$ gegeben. Wähle eine kleine
Kreisscheibe $B_\varepsilon(p)$ um $p$, die keine weiteren Punkte aus $P$
enthält. Nach Beobachtung~\ref{beo:13-2-1} und der Wahl von $g$ gilt auf
$B_\varepsilon(p) \setminus \{p\}$ die Gleichung
$n(p)$ besitzt. Sei also ein Punkt $p P$ gegeben. Wähle eine kleine
Kreisscheibe $B_{ε}(p)$ um $p$, die keine weiteren Punkte aus $P$ enthält. Nach
Beobachtung~\ref{beo:13-2-1} und der Wahl von $g$ gilt auf $B_{ε}(p) \{p\}$
die Gleichung
\[
\frac{f'(z)}{f(z)} = g(z) = \frac{n(p)}{z-p} + h(z),
\]
wobei $h \in \sO(B_\varepsilon(p))$ eine holomorphe Funktion ist. Äquivalent:
Die Funktion $f$ erfüllt auf $B_\varepsilon(p) \setminus \{p\}$ die
Differentialgleichung
wobei $h 𝒪(B_{ε}(p))$ eine holomorphe Funktion ist. Äquivalent: Die Funktion
$f$ erfüllt auf $B_{ε}(p) \{p\}$ die Differenzialgleichung
\[
f'(z) = \left[\frac{n(p)}{z-p} + h(z) \right]·f(z).
\]
Diese Differentialgleichung lässt sich durch Trennung der Variablen lösen.
Genauer: Wenn $H \in \sO(B_\varepsilon(p))$ eine Stammfunktion von $h$ ist, dann
sind alle Lösungen der Differentialgleichung auf $B_\varepsilon(p) \setminus \{p\}$
gegeben durch
Diese Differenzialgleichung lässt sich durch Trennung der Variablen lösen.
Genauer: Wenn $H 𝒪(B_{ε}(p))$ eine Stammfunktion von $h$ ist, dann sind alle
Lösungen der Differenzialgleichung auf $B_{ε}(p) \{p\}$ gegeben durch
\[
\text{const}^{\ne 0} · \exp\left( H(z) \right)·(z-p)^{n(p)}.
\]
Die Funktion $f|_{B_\varepsilon(p)}$ ist aber eine dieser Lösungen, hat also bei
$p$ eine hebbare Singularität und eine Nullstelle der Ordnung $n(p)$. Damit ist
der Satz von Weierstraß bewiesen. \qed
Die Funktion $f|_{B_{ε}(p)}$ ist aber eine dieser Lösungen, hat also bei $p$
eine hebbare Singularität und eine Nullstelle der Ordnung $n(p)$. Damit ist der
Satz von Weierstraß bewiesen. \qed
\section{Integration}
\subsection{Uneigentliche Integrale rationaler Funktionen}
Der Residuensatz erlaubt die Berechnung gewisser uneigentlichen Integrale. Ich
skizziere das Vorgehen am Beispiel rationaler Funktionen.
Sei $f(z) = \frac{a(z)}{b(z)}$ eine rationale Funktion, wobei folgendes gilt.
Der Residuensatz erlaubt die Berechnung gewisser uneigentlichen Integrale. Ich
skizziere das Vorgehen am Beispiel rationaler Funktionen. Sei $f(z) =
\frac{a(z)}{b(z)}$ eine rationale Funktion, wobei folgendes gilt.
\begin{enumerate}
\item Die Funktion $f$ habe auf der reellen Achse keine Polstellen.
\item Die Grade der Polynome $a(z)$ und $b(z)$ erfüllen die Ungleichung $\deg
b \ge \deg a + 2$.
\end{enumerate}
und $f$ habe auf der reellen Achse keine Pole. Dann kann man den Residuensatz
anwenden, um das uneigentliche Integral
\[
\int_{-\infty}^{\infty} f(x) \, dx
\int_{-}^{} f(x) \, dx
\]
zu berechnen. Beachte dazu folgendes: Wenn $r \in \bR$ hinreichend groß ist,
dann liegen alle Polstellen von $f$ im Inneren der Kreisscheibe $B_r(0)$. Sei
$\gamma_r$ der folgende geschlossene Weg:
zu berechnen. Beachte dazu folgendes: Wenn $r $ hinreichend groß ist, dann
liegen alle Polstellen von $f$ im Inneren der Kreisscheibe $B_r(0)$. Sei $γ_r$
der folgende geschlossene Weg:
\begin{itemize}
\item Gehe entlang der reellen Achse von $-r$ nach $r$.
\item Gehe entlang des Halbkreises $\{r·exp(i·t) \::\: 0 \leq t \leq \pi\}$ von
$r$ nach $-r$ zurück.
\item Gehe entlang des Halbkreises $\{r·exp(i·t) \::\: 0 ≤ t ≤ π\}$ von $r$
nach $-r$ zurück.
\end{itemize}
Dann hängt das Integral über $\gamma_r$ nicht von $r$ ab, und es gilt nach dem Residuensatz
Dann hängt das Integral über $γ_r$ nicht von $r$ ab, und es gilt nach dem
Residuensatz
\[
\int_{-r}^{r} f(z) \, dz = 2\pi i \sum_{\Im z > 0} \Res(f,z),
\int_{-r}^{r} f(z) \, dz = 2π i \sum_{\Im z > 0} \Res(f,z),
\]
da das Integral über den oberen Halbkreis für $r \to \infty$ verschwindet.
da das Integral über den oberen Halbkreis für $r → ∞$ verschwindet.
\begin{rem}[Variante]
Sei $f(z) = \dfrac{a(z)}{b(z)}$ rational ohne Pole auf der reellen Achse und mit $\deg b > \deg a$.
Dann existieren die Grenzwerte
\[
\lim_{r \to \infty} \int_0^r f(x)e^{ix}\,dx, \qquad
\lim_{r \to \infty} \int_{-r}^0 f(x)e^{ix}\,dx,
\]
und
\[
\int_{-\infty}^{\infty} f(x)e^{ix}\,dx = 2\pi i \sum_{\Im z > 0} \Res(f(z)e^{iz},z).
\]
Sei $f(z) = \dfrac{a(z)}{b(z)}$ rational ohne Pole auf der reellen Achse und
mit $\deg b > \deg a$. Dann existieren die Grenzwerte
\[
\lim_{r → ∞} \int_0^r f(x)e^{ix}\,dx, \qquad
\lim_{r → ∞} \int_{-r} f(x)e^{ix}\,dx,
\]
und
\[
\int_{-}^{} f(x)e^{ix}\,dx = 2π i \sum_{\Im z > 0} \Res(f(z)e^{iz},z).
\]
\end{rem}
\begin{rem}[Fourier-Transformierte]
Sei $f(z) = \frac{a(z)}{b(z)}$ eine rationale reelle Funktion ohne Pole auf der reellen Achse und $\deg b \ge 2 + \deg a$.
Dann existiert für alle $y \in \bR$ das Integral
\[
\widehat{f}(y) := \int_{-\infty}^{\infty} f(x)e^{-ixy}\,dx,
\]
die \emph{Fourier-Transformierte} von $f$.
Mit der Substitution $u = x y$ ergibt sich
\[
\widehat{f}(y) = \frac{1}{y}\int_{-\infty}^{\infty} f\!\left(\frac{u}{y}\right)e^{-iu}\,du.
\]
Dieses Integral lässt sich mit Hilfe des Residuensatzes berechnen, sofern die Partialbruchzerlegung von $f$ bekannt ist.
Sei $f(z) = \frac{a(z)}{b(z)}$ eine rationale reelle Funktion ohne Pole auf
der reellen Achse und $\deg b \ge 2 + \deg a$. Dann existiert für alle $y ∈ $
das Integral
\[
\widehat{f}(y) := \int_{-}^{} f(x)e^{-ixy}\,dx,
\]
die \emph{Fourier-Transformierte} von $f$. Mit der Substitution $u = x y$
ergibt sich
\[
\widehat{f}(y) = \frac{1}{y}\int_{-}^{} f\!\left(\frac{u}{y}\right)e^{-iu}\,du.
\]
Dieses Integral lässt sich mithilfe des Residuensatzes berechnen, sofern die
Partialbruchzerlegung von $f$ bekannt ist.
\end{rem}
\part{Weiterführende Themen}
\chapter{Harmonische Funktionen}
In der angewandten Mathematik, Physik und Stochastik treten häufig \emph{harmonische Funktionen} auf.
\begin{definition}
Sei $U \subset \bR^2$ offen.
Eine stetige Funktion $f : U \to \bR$ heißt \emph{harmonisch}, wenn für jede Kreisscheibe $B_r(p) \subset U$ gilt:
\[
f(p) = \frac{1}{2\pi} \int_0^{2\pi} f(p + e^{it})\,dt.
\]
Der Funktionswert im Mittelpunkt $p$ ist also das Mittel der Funktionswerte am Rand der Kreisscheibe.
\end{definition}
\begin{bsp}
Real- und Imaginärteil holomorpher Funktionen sind harmonisch
\emph{(vgl. Mittelwertsatz der Funktionentheorie)}.
\end{bsp}
% !TEX root = Funktionentheorie