KommutativeAlgebra/07.tex

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2023-03-30 10:13:25 +02:00
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\selectlanguage{german}
\chapter{Der affine Koordinatenring}
\section{Koordinatenringe}
\label{sec:7-1}
Im nächsten Kapitel werden wir ernsthaft anfangen, zu rechnen. Vorher möchte
ich in aller Kürze noch ein weiteres algebraisches Objekt einführen und dessen
geometrische Bedeutung klären. Um zu erklären, worum es überhaupt geht,
betrachte man ein Radikalideal $J ⊂ [x_1, …, x_n]$ mit zugehörender
algebraischer Menge $X := V(J)𝔸^n_{}$. Dann kann man den Restklassenring
$[x_1, …, x_n] / J$ wie folgt interpretieren:
\begin{itemize}
\item Zuerst kann ich den Polynomring $[x_1, …, x_n]$ als Unterring des Rings
$\cC(𝔸^n_{})$ der komplexwertigen stetigen Funktionen auffassen.
\item Analog betrachte ich den Ring $\cC(X)$ der auf $X$ stetigen
komplexwertigen Funktionen.
\item Als Nächstes betrachte ich die Einschränkungsabbildung
$\cC(𝔸^n_{})\cC(X)$ und erhalte eine Folge von Ringmorphismen
\[
\begin{tikzcd}[column sep=2.2cm]
[x_1, …, x_n] \ar[r, hook] & \cC⁰(𝔸^n_{}) \ar[r, "\text{Einschränkung}"] & \cC⁰(X).
\end{tikzcd}
\]
Die verkettete Abbildung bezeichne ich mit $φ : [x_1, …, x_n]\cC(X)$.
\end{itemize}
Die wesentliche Beobachtung ist, dass die Gleichheit $J = \ker(\varphi)$ gilt.
Nach dem Homomorphiesatz ist der Quotientenring
\[
\factor{[x_1, …, x_n]}{J}\img φ ⊆ \cC⁰(X)
\]
also der Unterring der durch Polynome repräsentierbaren komplexwertigen stetigen
Funktionen auf $X$. Mit dieser Identifikation entsprechen die Funktionen
$φ(x_1), …, φ(x_n)$ den Koordinationenfunktionen auf $X$. Dies motiviert die
folgende Definition.
\begin{defn}[Affiner Koordinatenring]\label{def:7-0-1}
Es sei $k$ ein Körper, es sei $n$ eine Zahl und es sei $X ⊂ 𝔸^n_k$ eine
algebraische Menge. Dann wird der Quotientenring
\[
\factor{k[x_1, …, x_n]}{I(X)}
\]
als der \emph{affine Koordinatenring von $X$}\index{affiner Koordinatenring}
bezeichnet. Für diesen Ring ist die Schreibweise $k[X]$ üblich.
\end{defn}
\begin{bemerkung}
Situation wie in Definition~\ref{def:7-0-1}. Beachten Sie, dass der affine
Koordinatenring $k[X]$ in natürlicher Weise die Struktur einer $k$-Algebra
trägt. Das wird noch wichtig werden.
\end{bemerkung}
Ich frage in diesem kurzen Kapitel nach der geometrischen Bedeutung des affinen
Koordinatenringes. Nach Satz~\vref{satz:6-1-3} können wir jetzt schon sagen,
dass eine algebraische Menge $X$ genau dann irreduzibel ist, wenn der affine
Koordinatenring nullteilerfrei ist.
\begin{aufgabe}
Betrachten Sie noch einmal das Achsenkreuz, unser zentrales Beispiel für eine
reduzible algebraische Menge. Vollziehen Sie an diesem Beispiel noch einmal
nach, dass der affine Koordinatenring tatsächlich Nullteiler hat und finden
Sie Nullteiler, die in direkter Beziehung zur Zerlegung des Achsenkreuzes
stehen.
\end{aufgabe}
\section{Morphismen}
Irreduzibilität ist nicht die einzige Eigenschaft einer algebraischen Menge, die
man am affinen Koordinatenring ablesen kann. Um Ihnen die geometrische
Bedeutung des Koordinatenringes genau zu erklären, muss ich aber erst einmal
sagen, was ein ``Morphismus von algebraischen Mengen'' eigentlich sein soll.
Die Sache ist eigentlich sehr einfach.
\begin{defn}[Morphismus von algebraischen Mengen]
Es sei $k$ ein Körper, es seien $n$ und $m$ Zahlen und es seien algebraische
Mengen $X ⊂ 𝔸^n_k$ und $Y ⊂ 𝔸^m_k$ gegeben; wir bezeichnen die Koordinaten auf
dem $𝔸^n_k$ mit $x_1, …, x_n$. Eine Abbildung $f : X \rightarrow Y$ heißt
\emph{polynomiale Abbildung}\index{polynomiale Abbildung} oder
\emph{Morphismus von algebraischen Mengen}\index{Morphismus von algebraischen
Mengen}, wenn es Polynome $f_1, …, f_m ∈ k[x_1, …, x_n]$ gibt, sodass für
jeden Punkt $\vec{x} ∈ X$ die Gleichung
\[
f(\vec{x}) =
\begin{pmatrix}
f_1(\vec{x}) \\
\vdots \\
f_m(\vec{x})
\end{pmatrix}
\]
gilt.
\end{defn}
\begin{bsp}\label{bsp:7-1-2}
Es sei $k$ ein Körper. Die polynomiale Abbildung
\[
f : 𝔸¹_k → 𝔸³_k, \quad t ↦ (t,t²,t³)
\]
liefert einen Morphismus von $𝔸_$ in die algebraische Menge
$V \bigl(y-x²,z-\bigr) ⊆ 𝔸³_k$.
\end{bsp}
\begin{bsp}\label{bsp:7-1-3}
Die polynomiale Abbildung
\[
f : 𝔸¹_ → 𝔸²_, \quad t ↦ (t²,t³)
\]
liefert einen surjektiven Morphismus von $𝔸¹_$ in die algebraische Menge
$V \bigl(-\bigr) ⊆ 𝔸²_$. Die Bildmenge $V \bigl(-\bigr)$ heißt
``Neilsche Parabel''. Zeichnen Sie ein reelles Bild dieser Menge. Finden Sie
heraus, welche Eigenschaft die Neilsche Parabel zu einer ganz besonderen Kurve
macht. Besorgen Sie sich die ungekürzte Originalausgabe des Romans ``Moby
Dick'' und finden Sie die Stelle, an der die Neilsche Parabel eine Rolle
spielt. Tipp: ein Stück Seife spielt auch eine Rolle.
\end{bsp}
\begin{bsp}\label{bsp:7-1-4}
Die polynomiale Abbildung
\[
f : 𝔸²_ → 𝔸³_, \quad (x,y) ↦ (x², x·y, y²)
\]
liefert einen Morphismus von $𝔸²_$ in die algebraische Menge
$V \bigl(ac-\bigr) ⊆ 𝔸³_$. Was macht diese Abbildung geometrisch?
\end{bsp}
\begin{defn}[Isomorphismen]
Es sei $k$ ein Körper und es seien $n$ und $m$ Zahlen gegeben. Zwei
algebraische Mengen $X ⊂ 𝔸^n_k$ und $Y ⊂ 𝔸^m_k$ heißen
\emph{isomorph}\index{isomorphe algebraische Mengen}, wenn es Morphismen
$f:V → W$ und $g:W → V$ gibt, sodass $g◦f = \Id_X$ und $f◦g = \Id_Y$ ist. In
diesem Fall nennt man die Morphismen $g$ und $f$
\emph{Isomorphismen}\index{Isomorphismen von algebraischen Mengen}.
\end{defn}
\begin{bsp}
Beweisen Sie, dass der Morphismus aus Beispiel~\ref{bsp:7-1-2} ein
Isomorphismus ist. Der Morphismus aus Beispiel~\ref{bsp:7-1-4} ist nicht
injektiv, also garantiert kein Isomorphismus.
\end{bsp}
\begin{aufgabe}
Beweisen Sie, dass der Morphismus aus Beispiel~\ref{bsp:7-1-3} zwar bijektiv,
aber dennoch kein Isomorphismus ist! Wir lernen, dass bijektive Morphismen
von algebraischen Mengen keine Isomorphismen sein müssen. Das war bei
Vektorraummorphismen noch ganz anders.
\end{aufgabe}
\section{Morphismen von Koordinatenringen und von algebraischen Mengen}
\label{sec:7-3}
Was haben Koordinatenringe mit Morphismen zu tun? Um den Zusammenhang präzise
zu klären, lege ich erst einmal die Notation für die kommende Diskussion fest.
\begin{situation}\label{sit:7-2-1}
Es sei $k$ ein Körper, es seien $n$ und $m$ Zahlen und es seien algebraische
Mengen $X ⊂ 𝔸^n_k$ und $Y ⊂ 𝔸^m_k$ gegeben; wir bezeichnen die Koordinaten auf
dem $𝔸^n_k$ mit $x_1, …, x_n$ und die Koordinaten auf dem $𝔸^m_k$ mit
$y_1, …, y_m$. Die affinen Koordinatenringe sind dann
\[
k[X] = \factor{k[x_1, …, x_n]}{I(X)} %
\quad\text{und}\quad %
k[Y] = \factor{k[y_1, …, y_m]}{I(Y)}.
\]
\end{situation}
\subsection{Von Morphismen zwischen Mengen zu Morphismen der Koordinatenringe}
\label{sec:7-2-1}
In Situation~\ref{sit:7-2-1} sei ein Morphismus $f : X → Y$ von algebraischen
Mengen gegeben. Nach Definition gibt es also Polynome
$f_1, …, f_m ∈ k[x_1, …, x_n]$, sodass jeden Punkt $\vec{x} ∈ X$ die Gleichung
\[
f(\vec{x}) =
\begin{pmatrix}
f_1(\vec{x}) \\
\vdots \\
f_m(\vec{x})
\end{pmatrix}
\]
gilt. Wir definieren damit die folgende ``Rückzugsabbildung''
\[
\begin{matrix}
φ^* & : & k[y_1, …, y_m] && k[x_1, …, x_n] \\
&& g(y_1, …, y_m) && g\Bigl(f_1(x_1, …, x_n), …, f_m(x_1, …, x_n)\Bigr).
\end{matrix}
\]
Wir beobachten, dass es sich bei $φ^*$ nicht nur um einen Ringmorphismus,
sondern sogar um einen Morphismus von $k$-Algebren handelt. Die Abbildung $f$
bildet die Menge $X$ in die Menge $Y$ ab. Wenn ein Polynom $g ∈ k[y_1, …, y_m]$
auf der Menge $Y$ verschwindet, also $g ∈ I(Y)$, dann verschwindet die Funktion
$φ^*(g) ∈ k[x_1, …, x_n]$ dann logischerweise auf der Menge $X$; es gilt also
$φ^*(g) ∈ I(X)$. Als Konsequenz sehen wir, dass die Abbildung $φ^*$ einen
wohldefinierten $k$-Algebramorphismus zwischen den affinen Koordinatenringen
liefert, den man typischerweise mit
\[
f^* : K[Y] → K[X]
\]
bezeichnet.
\begin{aufgabe}
In dieser Konstruktion mussten wir Polynome $f_1, …, f_n$ wählen, die durch
unsere Annahmen nicht eindeutig festgelegt sind. Zeigen Sie an einem
Beispiel, dass die Abbildung $φ^*$ in nicht-trivialer Weise von der Wahl der
$f_$ abhängt. Beweisen Sie im Gegensatz dazu, dass der $k$-Algebramorphismus
$f^*$ unabhängig von der Wahl der $f_$ ist.
\end{aufgabe}
\subsection{Von Morphismen der Koordinatenringe zu Morphismen zwischen Mengen}
\label{sec:7-2-2}
In Situation~\ref{sit:7-2-1} sei ein $k$-Algebramorphismus $f^* : k[Y] → k[X]$
der affinen Koordinatenringe gegeben. Für jeden Index $1 ≤ i ≤ m$ wählen wir
dann ein Polynom $f_i ∈ k[x_1, …, x_n]$, sodass die Restklasse $[f_i] ∈ k[X]$
exakt das Bild der Restklasse $[y_i] ∈ k[Y]$ unter der Abbildung $f^*$ ist,
\begin{equation}\label{eq:7-2-2-1}
f^* \Bigl( [y_i] \Bigr) = [f_i].
\end{equation}
Als Nächstes definieren wir eine ``Rückzugsabbildung'',
\[
\begin{matrix}
φ^* & : & k[y_1, …, y_m] && k[x_1, …, x_n] \\
&& g(y_1, …, y_m) && g\Bigl(f_1(x_1, …, x_n), …, f_m(x_1, …, x_n)\Bigr),
\end{matrix}
\]
die uns bekannt vorkommt. Offenbar gilt für jeden Index $i$ die Gleichheit
$φ^*(y_i) = f_i$, also gilt nach~\eqref{eq:7-2-2-1} die folgende Gleichheit von
Restklassen in $k[X]$,
\[
\bigl[φ^*(y_i) \bigr] = f^*\bigl([y_i]\bigr), \quad \forall i.
\]
Aus der Linearität folgt dann die allgemeinere Gleichheit von Restklassen in
$k[X]$,
\[
\bigl[φ^*(g) \bigr] = f^*\bigl([g]\bigr), \quad \forall g ∈ k[y_1, …, y_m].
\]
Insbesondere gilt für alle $g ∈ I(Y)$ die Gleichheit $[g] = 0 ∈ k[Y]$ und
deshalb
\[
\bigl[φ^*(g) \bigr] = f^*\bigl([g]\bigr) = f^*\bigl(0\bigr) = 0 ∈ k[X].
\]
Wir erkennen also, dass die Abbildung $φ^*$ das Ideal $I(Y)$ auf $I(X)$
abbildet. Diese Erkenntnis wird nützlich werden, wenn wir die folgende
polynomiale Abbildung betrachten,
\[
φ : 𝔸^n_k → 𝔸^m_k, \quad \vec{x}
\begin{pmatrix}
f_1(\vec{x}) \\
\vdots \\
f_m(\vec{x})
\end{pmatrix}.
\]
Sei jetzt nämlich ein Punkt $\vec{x} ∈ X$ gegeben. Ich behaupte, dass
$φ(\vec{x}) ∈ Y$ liegt. Äquivalent: ich behaupte, dass jedes
$g\bigl( φ(\vec{x}) \bigr) = 0$ ist für jedes $g ∈ I(Y)$. Sei also ein solches
$g$ gegeben. Dann ist nach Konstruktion der Abbildung $φ$
\[
g\bigl( φ(\vec{x}) \bigr) = \bigl( φ^*(g) \bigr)(\vec{x}),
\]
wir hatten aber gerade erst gesehen, dass $φ^*(g) ∈ I(X)$ liegt, also auf
$\vec{x}$ verschwindet.
Zusammenfassung: durch Einschränkung auf $X$ liefert die Abbildung $φ$ einen
Morphismus $f : X → Y$.
\subsection{Koordinatenringe und Morphismen}
Es wird Sie nicht überraschen: Die Konstruktionen aus den
Abschnitten~\ref{sec:7-2-1} und \ref{sec:7-2-2} sind zueinander invers. Ich
lasse Ihnen den detaillierten Beweis als Hausaufgabe und halte das Ergebnis
fest.
\begin{satz}[Koordinatenringe und Morphismen]\label{satz:7-3-3}
In Situation~\ref{sit:7-2-1} liefern die Konstruktionen aus den
Abschnitten~\ref{sec:7-2-1} und \ref{sec:7-2-2} zueinander inverse Bijektionen
\[
\bigl\{ \text{ Morphismen } X → Y \bigr\} \leftrightarrow \bigl\{ \text{
$k$-Algebrahomomorphismen $k[Y] → k[X]$ } \bigr\}. \eqno \qed
\]
\end{satz}
Inbesondere ist klar, dass jede algebraische Eigenschaft der Ringmorphismen
einer geometrischen Eigenschaft des Varietätenmorphismus entsprechen muss. Ich
diskutiere hier nur das allererste Beispiel.
\begin{prop}[Injektive Abbildungen zwischen Koordinatenringen]\label{prop:7-3-4}
In Situation~\ref{sit:7-2-1} sei $k$ algebraisch abgeschlossen und die
algebraischen Mengen $X$ und $Y$ seien irreduzibel. Weiter es sei
$f : X → Y$ ein Morphismus von algebraischen Mengen. Dann sind folgende
Aussagen äquivalent.
\begin{enumerate}
\item Die Abbildung $f^* : k[Y] → k[X]$ ist injektiv.
\item Die Bildmenge $f(X) ⊂ Y$ ist dicht bezüglich der
Zariski-Topologie. Mit anderen Worten: jede algebraische Teilmenge
$Y' ⊆ Y$, die $f(X)$ enthält, ist gleich $Y$.
\end{enumerate}
\end{prop}
\begin{proof}
Angenommen, die Abbildung $f^* : k[Y] → k[X]$ ist nicht injektiv. Dann gibt
es eine Element $g ∈ k[Y] \{0\}$, sodass $0 = f^*(g) = g◦ f$
ist. Dann ist aber die Bildmenge $f(X)$ in der algebraischen Teilmenge
$\{g=0\} ⊊ Y$ enthalten.
Angenommen, die Bildmenge $f(X)$ sei in einer echten algebraischen Teilmenge
$Y' ⊊ Y$ enthalten. Sei $g ∈ k[Y]$ eine nicht-triviale Funktion,
die auf $Y'$ verschwindet. Dann ist $0 = g◦ f = f^*(g)$, also ist $f^*$
nicht injektiv.
\end{proof}
\begin{prop}[Surjektive Abbildungen zwischen Koordinatenringen]\label{prop:7-3-5}
In Situation~\ref{sit:7-2-1} sei $k$ algebraisch abgeschlossen. Weiter es sei
$f : X → Y$ ein Morphismus von algebraischen Mengen. Falls die Abbildung
$f^* : k[Y] → k[X]$ surjektiv ist, dann ist die Abbildung $f$ injektiv.
\end{prop}
\begin{proof}
Hausaufgabe!
\end{proof}
\begin{frage}
Wo habe ich im Beweis von Proposition~\ref{prop:7-3-4} die Annahme ``$k$
algebraisch abgeschlossen'' verwendet. Ist der Satz vielleicht auch ohne
diese Annahme richtig?
\end{frage}
Es gilt sogar mehr: Die Konstruktionen aus den Abschnitten~\ref{sec:7-2-1} und
\ref{sec:7-2-2} sind \emph{funktoriell}\index{Funktorialität}. Damit ist
Folgendes gemeint: wenn eine Kette von Morphismen zwischen algebraischen Mengen
gegeben ist,
\[
\begin{tikzcd}
X \ar[r, "f"] & Y \ar[r, "g"] & Z,
\end{tikzcd}
\]
dann ist $g^* ◦ f^* = (g◦ f)^*$. Anders herum: wenn eine Kette von Morphismen
von $k$-Algebren gegeben ist,
\[
\begin{tikzcd}
k[Z] \ar[r, "g^*"] & k[Y] \ar[r, "f^*"] & k[X],
\end{tikzcd}
\]
mit zugehörenden Abbildungen und $f : X → Z$ und $g: Y → Z$, dann ist $g◦f$ die
zu $f^*◦g^*$ gehörende Abbildung. Insbesondere sehen wir: zwei algebraischen
Mengen $X$ und $Y$ sind genau dann isomorph, wenn die affinen Koordinatenringe
$k[X]$ und $k[Y]$ isomorphe $k$-Algebren sind. Der affine Koordinatenring legt
die algebraische Menge also bis auf Isomorphie fest!
\subsection{Reduzierte Ringe}
Die nächste Frage: wann ist eine $k$-Algebra $R$ der affine Koordinatenring
einer algebraischen Varietät, also von der Form $k[x_1, …, x_n]/I$, wobei $I$
ein Radikalideal ist? Klar ist, dass die affinen Koordinatenringe folgende
Eigenschaften haben.\CounterStep
\begin{enumerate}
\item Sie sind als $k$-Algebra endlich erzeugt (klar, denn die Polynome
$x_1, …, x_n$ sind Erzeuger).
\item Wenn $f ≠ 0$, dann ist auch $f^n ≠ 0$ für alle $n ∈ $ (klar,
denn sonst wäre $I$ kein Radikal).
\end{enumerate}
\begin{definition}[Nilpotente Elemente]
Es sei $R$ ein Ring und es sei $f ∈ R$. Man nennt $f$
\emph{nilpotent}\index{nilpotent}, wenn es ein Element $n ∈ $ gibt, so
dass $f^n = 0$ ist.
\end{definition}
\begin{notation}[Reduzierte Ringe]
Es sei $k$ ein Körper. Endlich erzeugte $k$-Algebren ohne nilpotente Elemente
werden auch als \emph{reduzierte Ringe}\index{reduzierter Ring} bezeichnet.
\end{notation}
\begin{beobachtung}\label{beob:7-3-9}
Es sei $k$ ein Körper und es sei $R$ eine endliche erzeugte $k$-Algebra ohne
nilpotente Elemente. Dann ist $R$ isomorph zum affinen Koordinatenring einer
Varietät. Wenn nämlich $e_1, …, e_n ∈ R$ Erzeuger sind, dann betrachte die
Substitutionsabbildung
\[
φ : k[x_1, …, x_n] → R, \quad f ↦ f(e_1, …, e_n).
\]
Die Annahme, dass $R$ keine nilpotenten Elemente enthält, stellt sicher, dass
$I := \ker φ$ ein Radikalideal ist. Nach dem Homomorphiesatz ist $R$ isomorph
zu $k[x_1, …, x_n]/I$, und weil $I$ ein Radikalideal ist, ist dies isomorph
zum affinen Koordinatenring von $V(I)$.
\end{beobachtung}
Zusammenfassung: die Konstruktionen aus den Abschnitten~\ref{sec:7-2-1} und
\ref{sec:7-2-2} liefern zueinander inverse Bijektionen zwischen den
Isomorphieklassen von algebraischen Mengen und den Isomorphieklassen von
reduzierten Ringen.
\subsubsection{Diskussion}
In der Geometrie unterscheidet man klassischerweise zwischen ``extrinsischen''
und ``intrinsischen'' Eigenschaften. Wenn ich zum Beispiel ``Flächen im Raum''
diskutiere, dann sind extrinsische Eigenschaften solche, die davon abhängen, wie
die Fläche in den Raum eingebettet ist (``Enthält die Fläche Geraden?''). Im
Gegensatz dazu hängen intrinsische Eigenschaften der Fläche nicht von der Wahl
einer speziellen Einbettung in den Raum ab (``Was ist die Krümmung? Wie sieht
die Symmetriegruppe aus?'').
Wenn zwei algebraische Mengen isomorph sind, sagt uns die Anschauung ``Die
Varietäten sind gleich, nur auf unterschiedliche Art in affine Räume
eingebettet''. Der Diskussion aus dem letzten Abschnitt legt nahe, dass das
richtige algebraische Objekt, welches die intrinsische Geometrie von Varietäten
beschreibt, der affine Koordinatenring ist. Dieser Standpunkt wurde von
insbesondere von Alexander
Grothendieck\footnote{\href{https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Grothendieck}{Alexander
Grothendieck} (* 28. März 1928 in Berlin; † 13. November 2014 in
Saint-Lizier in der Nähe von Saint-Girons, Département Ariège) war ein
deutsch-stämmiger französischer Mathematiker. Er war Begründer einer eigenen
Schule der algebraischen Geometrie, deren Entwicklung er in den 1960er Jahren
maßgeblich beeinflusste. 1966 wurde ihm die als höchste Auszeichnung in der
Mathematik anerkannte Fields-Medaille verliehen. Beeinflusst durch politische
Ideen des Mai 1968 in Frankreich, zog er sich bereits um 1970 weitgehend aus
seiner zentralen Position im mathematischen Leben von Paris zurück. 1991
verschwand er völlig aus der Öffentlichkeit; sein letzter Aufenthaltsort in
den Pyrenäen war nur wenigen Freunden bekannt.} vertreten und hat sich als
eine sehr einflussreich und weit führend herausgestellt. Hier ließe sich noch
sehr viel sagen und es ließen sich
\href{https://www.ams.org/notices/200409/fea-grothendieck-part1.pdf}{viele
Geschichten} erzählen, aber vielleicht ist jetzt noch nicht der richtige
Zeitpunkt dafür …
%%% Local Variables:
%%% mode: latex
%%% TeX-master: "21-KA"
%%% End: