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Stefan Kebekus
2025-10-21 13:49:05 +02:00
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@@ -11,3 +11,6 @@ Quotientengruppe
homotop
zusammenziehbar
Lebesgue-Zahl
homotope
Homotopieinvarianz
zusammenziehbarer

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@@ -9,18 +9,23 @@ In diesem Abschnitt ist $[a,b] ⊂ $ stets ein nicht leeres, kompaktes Interv
Weiter sei $V$ ein reeller, endlich-dimensionaler Vektorraum.
\begin{definition}[Integration von Funktionen mit Werten im $^n$]\label{def:3-1-1}%
Gegeben eine stetige Abbildung $f: [a,b]^n$, dann definiert man
Gegeben eine stetige Abbildung $f : [a,b]^n$, dann definiert man
\[
\int_a^b f(t) \, dt ∈ ^n
\]
durch komponentenweise Integration.
durch komponentenweise Integration. Wenn $f$ differenzierbar ist, dann
definiert man
\[
f' : [a,b]^n
\]
durch komponentenweise Differentiation.
\end{definition}
\begin{definition}[Integration von vektorwertigen Funktionen]
Gegeben eine stetige Abbildung $f: [a,b] → V$, dann wählt man eine Basis von
$V$, um $V$ mit $^n$ zu identifizieren, definiert $\int_a^b f(t) \, dt$
mithilfe von Definition~\ref{def:3-1-1} und rechnet nach, dass das Ergebnis
nicht von der Wahl der Basis abhängt.
$V$, um $V$ mit $^n$ zu identifizieren, definiert $\int_a^b f(t) \, dt$ und
$f'$ mithilfe von Definition~\ref{def:3-1-1} und rechnet nach, dass das
Ergebnis jeweils nicht von der Wahl der Basis abhängt.
\end{definition}
\begin{bsp}
@@ -52,12 +57,19 @@ Die folgenden Aussagen sollten Ihnen aus den Analysis-Vorlesungen bekannt sein.
\end{enumerate}
\end{prop}
\begin{definition}[Stammfunktionen]
Wir erinnern uns an Analysis I: Integration ist einfach, wenn ich eine
Stammfunktion habe.
\begin{definition}[Stammfunktionen]\label{def:3-1-5}%
Sei $f: [a,b] → V$ stetig. Eine Abbildung $F: [a,b] → V$ heißt
Stammfunktion\index{Stammfunktion} von $f$, falls $F$ differenzierbar ist und
die Gleichung $F' = f$ gilt.
Stammfunktion\index{Stammfunktion!von Funktion auf $\bR$} von $f$, falls $F$
differenzierbar ist und die Gleichung $F' = f$ gilt.
\end{definition}
Achtung! Wir werden im Abschnitt~\vref{sec:3-3} noch einen weiteren Begriff von
Stammfunktion einführen, für komplexe Ableitungen von Funktionen auf $$. Bitte
diese Begriffe nicht verwechseln!
\begin{satz}[Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung]
Sei $f: [a,b] → V$ stetig. Dann ist
\[
@@ -154,7 +166,7 @@ Die folgenden Aussagen sollten Ihnen aus den Analysis-Vorlesungen bekannt sein.
bitte ich um Geduld.
\end{bemerkung}
\begin{bsp}[Wegintegral]\label{bsp:3-2-2}%
\begin{bsp}[Integration von $z^n$ über den Rand des Einheitskreises]\label{bsp:3-2-2}%
Es sei $U = ^*$ und es sei $f(z) = z^n$. Weiter betrachten wir den Weg
\[
γ: [0,2π]^*, \quad t ↦ r\exp(it),
@@ -228,25 +240,30 @@ Die folgenden Aussagen sollten Ihnen aus den Analysis-Vorlesungen bekannt sein.
\end{beobachtung}
\section{Stammfunktionen}
\section{Komplexe Stammfunktionen}
\label{sec:3-3}
\begin{definition}[Stammfunktion]
\begin{definition}[Stammfunktion]\label{def:3-3-1}%
Sei $U ⊂ $ offen und $f: U → $ stetig. Eine holomorphe Funktion $F: U → $
heißt \emph{Stammfunktion}\index{Stammfunktion} von $f$, wenn $F' = f$ ist.
heißt \emph{komplexe Stammfunktion}\index{Stammfunktion!von Abbildung auf
$\bC$} von $f$, wenn $F' = f$ ist.
\end{definition}
Wir haben zwei Begriffe von Stammfunktionen: einmal für Funktionen auf reellen
Intervallen $φ: [a,b]$, einmal für Funktionen $φ: U → $ auf offenen Mengen
von $$. Die Begriffe hängen offenbar zusammen.
Wir haben zwei Begriffe von Stammfunktionen: Definition~\ref{def:3-1-5} für
Funktionen auf reellen Intervallen $φ: [a,b]$, und
Definition~\ref{def:3-3-1} für Funktionen $φ: U → $ auf offenen Mengen von $$.
Die Begriffe hängen offenbar zusammen.
\begin{beobachtung}
\begin{beobachtung}[Reelle und komplexe Stammfunktionen]
Es sei $U ⊂ $ offen, es sei $f: U → $ stetig mit Stammfunktion $F: U → $.
Weiter sei $γ: [a,b] → U$ stetig differenzierbar. Dann ist
\begin{align*}
(F ◦ γ)' & = (F' ◦ γ) · γ' && \text{reell-komplexe Kettenregel} \\
& = (f ◦ γ) · γ' && F ◦ γ \text{ ist Stammfunktion auf } [a,b] \text{ von } (f ◦ γ) · γ'.
& = (f ◦ γ) · γ'
\end{align*}
Also gilt nach dem Hauptsatz der Differenzial- und Integralrechnung
Zusammenfassung: Im Sinne von Definition~\ref{def:3-1-5} ist $F◦γ$ eine
Stammfunktion von $(f◦γ)·γ'$. Also gilt nach dem Hauptsatz der Differenzial-
und Integralrechnung die Gleichung
\[
\int_γ f(z) \, dz = \int_a^b [f ◦ γ(t)] · γ'(t) \, dt = [F ◦ γ](b) - [F ◦ γ](a).
\]
@@ -255,7 +272,7 @@ von $$. Die Begriffe hängen offenbar zusammen.
\subsection{Berechnung von Wegintegralen mithilfe von Stammfunktionen}
\begin{kons}[Wegintegrale bei Existenz von Stammfunktionen]
\begin{kons}[Wegintegrale bei Existenz von Stammfunktionen]\label{kons:3-3-3}%
Wenn in der Situation von Definition~\ref{def:3-2-1} eine Stammfunktion von
$f$ existiert, dann hängt das Wegintegral $\int_γ f(z) \, dz$ nur vom Start-
und Endpunkt des Weges ab, aber nicht vom Weg selbst. Insbesondere gilt: Wenn
@@ -317,8 +334,8 @@ Fakten der Analysis und Topologie.
Wir erinnern uns an die Ergebnisse des letzten Abschnitts: Es sei $U ⊂ $ offen
und es sei $f: U → $ stetig. Wenn $f$ eine Stammfunktion $F: U → $ besitzt,
dann gilt für jeden (stückweise) stetig differenzierbaren Weg $γ: [a,b] → U$ die
Gleichung
dann gilt nach Konsequenz~\ref{kons:3-3-3} für jeden (stückweise) stetig
differenzierbaren Weg $γ: [a,b] → U$ die Gleichung
\[
\int_γ f(z)\, dz = F(γ(b)) - F(γ(a)).
\]

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@@ -174,8 +174,89 @@ $γ_0$ und $γ_1$ interpoliert.
\begin{bemerkung}
Wir haben noch kein Kriterium dafür, dass eine Menge \emph{nicht} einfach
zusammenhängend ist. Der Integralsatz von Cauchy wird uns aber bald ein
solches Kriterium liefern.
zusammenhängend ist. Halten Sie durch! Der Integralsatz von Cauchy wird uns
aber bald ein solches Kriterium liefern und wir werden in
Beispiel~\vref{bsp:4-3-3} die (anschaulich vielleicht völlig einsichtige)
Behauptung zeigen, dass $\bC^*$ nicht einfach zusammenhängend ist.
\end{bemerkung}
\section{Homotopieinvarianz von Wegintegralen und der Integralsatz von Cauchy}
\sideremark{Vorlesung 6}
Nach den vorhergehenden Abschnitten werden Sie sich schon denken, was jetzt
kommt: Wegintegrale über homotope Wege sind gleich. Der folgende Satz stellt
dies präzise dar.
\begin{satz}[Homotopieinvarianz von Wegintegralen]
Es sei $U ⊂ $ offen und es sei $f : U → $ holomorph. Weiter seien $γ_0, γ_1
: [a, b] → U$ zwei stetige Wege mit $γ_0(a) = γ_1(a)$ und $γ_0(b) = γ_1(b)$.
Wenn $\gamma_0$ und $\gamma_1$ zueinander homotop sind, dann gilt die
Gleichheit
\begin{equation}\label{eq:4-3-1-1}
\int_{γ_0} f(z) \, dz = \int_{γ_1} f(z) \, dz.
\end{equation}
\end{satz}
\begin{proof}[Beweis durch Bild]
Wie in Definition~\ref{def:3-4-1} sei
\[
Γ: [a, b] [0, 1] \longrightarrow U
\]
eine Homotopie zwischen den Wegen $γ_0$ und $γ_1$. Weil die Menge $[a, b]
[0, 1]$ kompakt ist, können wir nach Erinnerung~\ref{eri:3-4-1} die Bildmenge
$γ([a, b] [0, 1]) ⊂ U$ ist kompakt mit endlich viele Kreisscheiben $Δ_1, …,
Δ_n$ aus $U$ überdecken. Weiter können wir eine Unterteilung der Intervalle
finden,
\begin{align*}
a & = t_0 < t_1 < t_2 < … < t_m = b && \text{von } [a, b], \\
0 & = s_0 < s_1 < s_2 < … < s_k = 1 && \text{von } [0, 1],
\end{align*}
sodass für alle Indizes $0 ≤ j < m$ und $0 ≤ l < k$ die Bildmenge $Γ([t_j,
t_{j+1}] [s_l, s_{l+1}])$ ganz in einer der Kreisscheiben $Δ_1, …, Δ_n$
liegt. Als Nächstes wenden wir Satz~\ref{satz:3-3-11} an und wählen für jede
Kreisscheibe $Δ_i$ eine Stammfunktion $F_i: Δ_i → $ von $f|_{\Delta_i}$. Nach
Konsequenz~\ref{kons:3-3-3} gilt dann für jeden der in
Abbildung~\ref{fig:4-3-1-1} eingezeichneten (geschlossenen!) Wege
$\beta_{i,j}$ die Gleichung
\[
\int_{\beta_{j,l}} f(z) \, dz = 0.
\]
Gleichung~\eqref{eq:4-3-1-1} folgt nun durch Addition über alle Indizes $i$
und $j$.
\begin{figure}
\begin{center}
\includegraphics[width=13cm]{04-homotopie-2.png}
\end{center}
\caption{Die geschlossenen Wege $\beta_{j,l}$ in der Homotopie
$Γ: [a,b] [0,1] → U$.}
\label{fig:4-3-1-1}
\end{figure}
\end{proof}
\begin{kor}[Integralsatz von Cauchy]
Es sei $U ⊂ $ offen und es sei $f : U → $ holomorph. Weiter seien $γ : [a,
b] → U$ ein zusammenziehbarer, stetiger Weg. Dann ist
\[
\int_{\gamma} f(z) \, dz = 0.
\]
\end{kor}
\begin{bsp}[Die Menge $\bC^*$ ist nicht einfach zusammenhängend]\label{bsp:4-3-3}%
Wir betrachten die offene Menge $U := \bC^* = \bC \setminus \{0\}$ und die
holomorphe Funktion $f: U → \bC$, $f(z) := 1/z$. Weiter betrachten wir den
geschlossenen Weg
\[
γ: [0, 1] → U, \quad t ↦ e^{2πi t}.
\]
Wir haben haben in Beispiel~\vref{bsp:3-2-2} aber bereits ausgerechnet, dass
\[
\int_γ \frac{1}{z} \, dz = 2πi
\]
ist. Nach dem Integralsatz von Cauchy ist der Weg $γ$ also nicht
zusammenziehbar. Wir haben damit gezeigt, dass die Menge $\bC^*$ nicht einfach
zusammenhängend ist.
\end{bsp}
% !TEX root = Funktionentheorie

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