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Stefan Kebekus
2025-11-03 11:02:14 +01:00
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@@ -42,3 +42,4 @@ Cauchy
Brook
Middlesex
Somerset
Maximumsprinzip

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@@ -583,7 +583,7 @@ einer Viertelungsargumentation basiert.
\begin{satz}[Satz von Goursat]\label{satz:3-4-6}%
\index{Satz von Goursat!über Wegintegrale}Es sei $U ⊆ $ offen, es sei $f ∈
𝒪(U)$ holomorph und sei $\mathcal{R} ⊂ U$ ein achsenparalleles Rechteck. Dann
𝒪(U)$ holomorph und sei $\mathcal{R} ⊂ U$ ein achsenparalleles Rechteck. Dann
gilt:
\begin{equation}\label{eq:3-4-6-1}
\int_{∂ R} f(z) \, dz = 0
@@ -693,7 +693,7 @@ einer Viertelungsargumentation basiert.
\paragraph{Schritt 6: Integralabschätzung}
Für hinreichend großes $n$ liegt $R^{(n)}$ ganz in der $δ$-Um\-gebung von
$z_0$. Für jedes $z ∈ ∂ R^{(n)}$ mit $|z - z_0| ≤ d_n = 2^{-n} d$ gilt dann
$z_0$. Für jedes $z ∈ ∂ R^{(n)}$ mit $|z - z_0| ≤ d_n = 2^{-n} d$ gilt dann
nach~\eqref{eq:3-4-6-7} die Ungleichung
\begin{equation}\label{eq:3-4-6-8}
|r(z)| ≤ ε · 2^{-n} d.

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@@ -321,7 +321,7 @@ Es gilt noch mehr, aber dafür müssen wir etwas mehr arbeiten.
\begin{kor}[Satz von Morera\footnote{Giacinto Morera (* 18.~Juli 1856 in Novara,
Italien; † 8.~Februar 1909 in Turin, Italien) war ein italienischer Ingenieur
und Mathematiker. Er ist für den Satz von Morera in der Funktionentheorie und
und Mathematiker. Er ist für den Satz von Morera in der Funktionentheorie und
für seine Arbeiten über lineare Elastizität bekannt.}, Charakterisierung
holomorpher Funktionen]\label{kor:5-2-6}%
\index{Satz von Morera}Sei $U ⊆ $ offen und $f : U → $ sei stetig. Dann

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@@ -54,7 +54,7 @@ Alle Aussagen gelten mit denselben Beweisen auf für komplexe Zahlen.
\item\label{il:6-0-2-4} Es sei $\sum_{i=0}^∞ a_i (x - ρ)$ eine komplexe
Potenzreihe mit Konvergenzradius $R > 0$. Dann gilt: die Folge der
Partialsummen konvergiert auf der offenen Kreisscheibe $B_r(ρ)$ kompakt. Das
Partialsummen konvergiert auf der offenen Kreisscheibe $B_r(ρ)$ kompakt. Das
bedeutet: auf jeder kompakten Teilmenge $K$ von $B_r(ρ)$ konvergiert die
Folge der Partialsummen gleichmäßig.
\end{enumerate}
@@ -64,18 +64,20 @@ Man beachte: Genau wie in der reellen Situation machen wir in \ref{il:6-0-2-4}
keinerlei Aussagen über Konvergenz der Reihe für Punkte $z$, die auf dem Rand $
B_r(ρ)$ der Kreisscheibe liegen.
\begin{bsp}[Potenzreihen mit Entwicklungspunkt 0]
---
\begin{enumerate}
\item $\sum_{i=0}^\frac{zⁱ}{i!}$ --- diese Potenzreihe kennen wir schon, das
ist die Exponentialfunktion. Der Konvergenzradius ist $$.
\sideremark{Vorlesung 10}
\item $\sum_{i=0}^∞ zⁱ$ --- diese Potenzreihe kennen wir auch schon. Aus
Analysis I wissen wir: Reihe konvergiert für reelle $z$ mit $|z| < 1$. Für
$z = 1$ konvergiert die Reihe nicht. Also ist der Konvergenzradius $= 1$.
Wie in der Vorlesung Analysis~I rechnet man nach: für jede Zahl $z ∈ B_1(0)$
konvergiert die Reihe konvergiert gegen $\frac{1}{1-z}$.
\end{enumerate}
\begin{bsp}[Exponentialreihe]
\index{Exponentialreihe}Die Potenzreihe $\sum_{i=0}^\frac{zⁱ}{i!}$ kennen
wir schon, das ist die Exponentialfunktion. Der Konvergenzradius ist $$.
\end{bsp}
\begin{bsp}[Geometrische Reihe]
\index{Geometrische Reihe}Die Potenzreihe $\sum_{i=0}^∞ zⁱ$ kennen wir auch
schon. Aus Analysis I wissen wir: die Reihe konvergiert für reelle $z$ mit
$|z| < 1$. Für $z = 1$ konvergiert die Reihe nicht. Also ist der
Konvergenzradius $= 1$. Wie in der Vorlesung Analysis~I rechnet man nach: für
jede Zahl $z ∈ B_1(0)$ konvergiert die Reihe konvergiert gegen
$\frac{1}{1-z}$.
\end{bsp}
@@ -83,10 +85,10 @@ B_r(ρ)$ der Kreisscheibe liegen.
\begin{proposition}[Kompakt konvergierende Folgen holomorpher Funktionen]\label{prop:potenzreihe-holomorph}%
Es sei $U ⊂ $ offen und es sei $(f_i)_{i ∈ }$ eine Folge von holomorphen
Funktionen, $f_i ∈ \sO(U)$, die auf $U$ kompakt gegen Grenzfunktion $f$
konvergiert. Dann gilt:
Funktionen, $f_i ∈ 𝒪(U)$, die auf $U$ kompakt gegen Grenzfunktion $f$
konvergiert. Dann gilt:
\begin{enumerate}
\item\label{il:6-0-4-1} Die Grenzfunktion ist holomorph, $f ∈ \sO(U)$.
\item\label{il:6-0-4-1} Die Grenzfunktion ist holomorph, $f ∈ 𝒪(U)$.
\item\label{il:6-0-4-2} Die Folge $(f_i')_{i ∈ }$ der komplexen Ableitungen
konvergiert kompakt gegen $f'$.
@@ -95,52 +97,52 @@ B_r(ρ)$ der Kreisscheibe liegen.
\begin{proof}[Beweis von \ref{il:6-0-4-1}]
Die kompakte Konvergenz (= lokal gleichmäßige Konvergenz) garantiert schon
einmal, dass $f$ stetig ist. Um zu zeigen, dass $f$ holomorph ist, verwenden
wir das Kriterium aus Korollar~\ref{kor:5-2-6}. Wenn $R ⊂ U$ ein
einmal, dass $f$ stetig ist. Um zu zeigen, dass $f$ holomorph ist, verwenden
wir das Kriterium aus Korollar~\ref{kor:5-2-6}. Wenn $R ⊂ U$ ein
Achsenparalleles Rechteck ist, dann ist
\[
\int_{∂R} f(z)\,dz = \lim_{i→∞} \int_{∂R} f_i(z)\,dz = 0.
\]
Die erste Gleichheit gilt, weil $∂R$ kompakt ist und $f_i$ kompakt gegen $f$
konvergiert. Die Integrale $\int_{∂R} f_i(z)\,dz$ verschwinden nach
konvergiert. Die Integrale $\int_{∂R} f_i(z)\,dz$ verschwinden nach
Korollar~\ref{kor:5-2-6}, weil die Funktionen $f_i$ holomorph sind.
\end{proof}
\begin{proof}[Beweis von \ref{il:6-0-4-2}]
Es sei ein Punkt $z_0 ∈ U$ gegeben. Wir müssen zeigen, dass die Folge
Es sei ein Punkt $z_0 ∈ U$ gegeben. Wir müssen zeigen, dass die Folge
$(f_i')_{i ∈ }$ in der Nähe von $z_0$ gleichmäßig gegen $f'$ konvergiert.
Wähle dazu einen Radius $r ∈ ^+$, sodass die abgeschlossene Kreisscheibe
$\overline{B_r(z_0)}$ ganz in $U$ liegt. Dann wissen wir nach dem
Wähle dazu einen Radius $r ∈ $, sodass die abgeschlossene Kreisscheibe
$\overline{B_r(z_0)}$ ganz in $U$ liegt. Dann wissen wir nach dem
Satz~\ref{satz:4-4-2} von Goursat schon: für jede Zahl $w$ aus dem Inneren der
Kreisscheibe, $w ∈ B_r(z_0)$ gelten die Gleichungen
\begin{align*}
f'(w) & = \frac{1}{2πi} \int_{∂B_r(z_0)} \frac{f(z)}{(z-w)^2}\,dz \\
f_i'(w) & = \frac{1}{2πi} \int_{∂B_r(z_0)} \frac{f_i(z)}{(z-w)^2}\,dz
f'(w) & = \frac{1}{2πi} \int_{∂B_r(z_0)} \frac{f(z)}{(z-w)²}\,dz \\
f_i'(w) & = \frac{1}{2πi} \int_{∂B_r(z_0)} \frac{f_i(z)}{(z-w)²}\,dz
\end{align*}
Betrachte als Nächstes die Hilfsabbildungen
\begin{align*}
φ: ∂B_r(z) \times B_r(z_0) &\to & (z, w) & \mapsto \frac{f(z)}{(z-w)^2} \\
φ_i: ∂B_r(z) \times B_r(z_0) &\to & (z, w) & \mapsto \frac{f_i(z)}{(z-w)^2}.
φ: ∂B_r(z) B_r(z_0) & & (z, w) & \frac{f(z)}{(z-w)²} \\
φ_i: ∂B_r(z) B_r(z_0) & & (z, w) & \frac{f_i(z)}{(z-w)²}.
\end{align*}
Dann ist klar: auf der kompakten Menge $∂B_r(z_0) \times
\overline{B_{r/2}(z_0)}$ konvergiert die Funktionenfolge $φ_i$ gleichmäßig
gegen $φ$. Also konvergiert die Funktionenfolge $f_i'$ auf
$\overline{B_{r/2}(z_0)}$ gleichmäßig gegen $f'$.
Dann ist klar: auf der kompakten Menge $∂B_r(z_0) \overline{B_{r/2}(z_0)}$
konvergiert die Funktionenfolge $φ_i$ gleichmäßig gegen $φ$. Also konvergiert
die Funktionenfolge $f_i'$ auf $\overline{B_{r/2}(z_0)}$ gleichmäßig gegen
$f'$.
Insgesamt sehen wir: jedes Kompaktum $K ⊂ U$ ist von endlich vielen
abgeschlossenen Kreisscheiben überdeckt, auf denen $f_i'$ gleichmäßig gegen
$f'$ konvergiert, also liegt kompakte Konvergenz vor.
\end{proof}
\begin{kor}[Potenzreihen und Holomorphie]\label{kor:6-1-2}
\begin{kor}[Potenzreihen und Holomorphie]\label{kor:6-1-2}%
Es sei $\sum_{i=0}^∞ a_i (z-ρ)$ eine Potenzreihe mit Entwicklungspunkt $ρ$
und Konvergenzradius $r > 0$. Weiter sei $f: B_r(ρ)$ die zugehörige
und Konvergenzradius $r > 0$. Weiter sei $f: B_r(ρ)$ die zugehörige
Funktion. Dann gilt:
\begin{enumerate}
\item Die Funktion $f$ ist holomorph, $f \in \sO(B_r(ρ))$.
\item Die Funktion $f$ ist holomorph, $f 𝒪(B_r(ρ))$.
\item Der Konvergenzradius der Potenzreihe $\sum_{i=1}^∞ i · a_i (z-ρ)^{i-1}$
ist mindestens $r$. Auf der Kreisscheibe $B_r(ρ)$ ist die zugehörige
ist mindestens gleich $r$. Auf der Kreisscheibe $B_r(ρ)$ ist die zugehörige
Funktion exakt die Ableitung $f'$. \qed
\end{enumerate}
\end{kor}
@@ -148,8 +150,8 @@ B_r(ρ)$ der Kreisscheibe liegen.
\section{Holomorphe Funktionen liefern Potenzreihen}
\begin{proberechnung}[Konstruktion von Potenzeihen]\label{prorech:6-1-2}
Es sei $r > 0$ und es sei $f ∈ \sO(B_r(0))$. Wenn $ρ < r$ eine positive Zahl
\begin{proberechnung}[Konstruktion von Potenzeihen]\label{prorech:6-1-2}%
Es sei $r > 0$ und es sei $f ∈ 𝒪(B_r(0))$. Wenn $ρ < r$ eine positive Zahl
ist, dann nach der Integralformel von Cauchy, Satz~\ref{satz:4-4-1}, für jede
Zahl $w ∈ B_ρ(0)$ die Gleichung
\begin{equation}\label{eq:6-0-6-1}
@@ -166,26 +168,26 @@ B_r(ρ)$ der Kreisscheibe liegen.
f(w) & = \frac{1}{2πi} \int_{∂B_ρ(0)} \frac{f(z)}{z - w}\,dz && \eqref{eq:6-0-6-1} \\
& = \frac{1}{2πi} \int_{∂B_ρ(0)} \frac{f(z)}{z} \sum_{i=0}^\left(\frac{w}{z}\right)ⁱ\,dz && \eqref{eq:6-0-6-2} \\
& = \frac{1}{2πi} \sum_{i=0}^\int_{∂B_ρ(0)} \frac{f(z)}{z^{i+1}} · wⁱ\,dz && \text{kompakte Konvergenz} \\
& = \sum_{i=0}^\underbrace{\left( \frac{1}{2πi}·\int_{∂B_ρ(0)} \frac{f(z)}{z^{i+1}}\,dz \right)}_{:= a_i} · wⁱ.
& = \sum_{i=0}^\underbrace{\left( \frac{1}{2πi}·\int_{∂B_ρ(0)} \frac{f(z)}{z^{i+1}}\,dz \right)}_{:= a_i} · wⁱ.
\end{align*}
Nach dem Integralsatz von Cauchy hängen die Zahlen $a_i$ aber gar nicht von der
Wahl von $ρ$ ab! Die Gleichung
Nach dem Integralsatz von Cauchy hängen die Zahlen $a_i$ aber gar nicht von
der Wahl von $ρ$ ab! Die Gleichung
\begin{equation}\label{eq:6-0-6-3}
f(w) = \sum_{i=0}^∞ a_i wⁱ
\end{equation}
gilt also für alle $w ∈ B_r(0)$. Insbesondere ist der Konvergenzradius der
gilt also für alle $w ∈ B_r(0)$. Insbesondere ist der Konvergenzradius der
Potenzreihe \eqref{eq:6-0-6-3} mindestens gleich $r$.
\end{proberechnung}
Die Proberechnung funktioniert natürlich nicht nur bei Kreisscheiben um den
Nullpunkt. In der Summe haben wir folgenden Satz bewiesen.
\begin{satz}[Potenzreihendarstellung holomorpher Funktionen]\label{satz:6-0-7}
Es sei $B_r(ρ)$ eine Kreisscheibe und $f ∈ \sO(B_r(ρ))$ eine holomorphe
Funktion. Dann kann $f$ auf ganz $B_r(ρ)$ als Potenzreihe dargestellt werden.
\begin{satz}[Potenzreihendarstellung holomorpher Funktionen]\label{satz:6-0-7}%
Es sei $B_r(ρ)$ eine Kreisscheibe und $f ∈ 𝒪(B_r(ρ))$ eine holomorphe
Funktion. Dann kann $f$ auf ganz $B_r(ρ)$ als Potenzreihe dargestellt werden.
Genauer: Es existiert Potenzreihe $\sum_{i=0}^∞ a_i (z-ρ)$ mit
Entwicklungspunkt $ρ$ und Konvergenzradius $≥ r$, sodass für jede Zahl $z ∈
B_r(ρ)$ die Gleichung $f(z) = \sum_{i=0}^∞ a_i (z-ρ)$ gilt. \qed
B_r(ρ)$ die Gleichung $f(z) = \sum_{i=0}^∞ a_i (z-ρ)$ gilt. \qed
\end{satz}
Umkehrung die Umkehrung von Satz~\ref{satz:6-0-7} gilt natürlich auch:
@@ -195,22 +197,23 @@ Korollar~\ref{kor:6-1-2} holomorph.
\subsection{Praktische Fragen}
\begin{frage}
\begin{frage}[Muss ich Integrale ausrechnen?!]
Gegeben eine Kreisscheibe $B_r(ρ)$ und eine holomorphe Funktion $f ∈
\sO(B_r(ρ))$. Wie komme ich an die Darstellung von $f$ als Potenzreihe? Muss
𝒪(B_r(ρ))$. Wie komme ich an die Darstellung von $f$ als Potenzreihe? Muss
ich die Integrale aus Proberechnung~\ref{prorech:6-1-2} wirklich ausrechnen?
\end{frage}
Die beruhigende Antwort ist ein klares „Nein!“ Wenn ich bereits weiß, dass es
Die beruhigende Antwort ist ein klares „Nein!“ Wenn ich bereits weiß, dass es
eine Darstellung von $f$ als Potenzreihe gibt,
\begin{equation}\label{eq:6-2-3-1}
f(z) = \sum a_i (z-ρ)ⁱ,
\end{equation}
dann ist $a_0 = f(ρ)$. Außerdem haben wir in Korollar~\ref{prop:potenzreihe-holomorph} bewiesen, dass
dann ist $a_0 = f(ρ)$. Außerdem haben wir in
Korollar~\ref{prop:potenzreihe-holomorph} bewiesen, dass
\[
f'(z) = \sum_{i=1}^∞ a_i · i (z-ρ)^{i-1}
\]
ist. Insgesamt gilt damit für jeden Index $i$,
ist. Insgesamt gilt damit für jeden Index $i$,
\[
a_i = \frac{f^{(i)}(ρ)}{i!}.
\]
@@ -219,26 +222,26 @@ Diese Formel hat zwei interessante Konsequenzen.
\item Die Darstellung \eqref{eq:6-2-3-1} ist also einfach die aus der
Vorlesung „Analysis~I“ bekannte Taylor\footnote{Brook Taylor (* 18.~August
1685 in Edmonton, Middlesex; † 29.~Dezember 1731 in Somerset House, London)
war ein britischer Mathematiker und Mitglied der Royal Society. Nach ihm wurde
unter anderem die Taylorreihe benannt.}-Reihe.
war ein britischer Mathematiker und Mitglied der Royal Society. Nach ihm
wurde unter anderem die Taylorreihe benannt.}-Reihe.
\item Die Darstellung von $f$ als Potenzreihe mit Entwicklungspunkt $\rho$ ist
\item Die Darstellung von $f$ als Potenzreihe mit Entwicklungspunkt $ρ$ ist
eindeutig!
\end{enumerate}
\begin{bemerkung}
Manchmal tritt folgende Situation auf: gegeben eine Kreisscheibe $B_r(ρ)$ und
eine holomorphe Funktion $f ∈ \sO(B_r(ρ))$. Dann schreibe ich $f$ als
eine holomorphe Funktion $f ∈ 𝒪(B_r(ρ))$. Dann schreibe ich $f$ als
Potenzreihe mit Entwicklungspunkt $ρ$ und stelle fest, dass der
Konvergenzradius $\tilde R > r$ ist. In dieser Situation ist \emph{sofort}
Konvergenzradius $\tilde R > r$ ist. In dieser Situation ist \emph{sofort}
klar, dass ich $f$ zu einer holomorphen Funktion auf der größeren Kreisscheibe
$B_{\tilde R}(ρ)$ fortsetzen kann.
Falls $r = \tilde R$ ist, dann ist klar, dass ich $f$ niemals auf einer
größeren Kreisscheibe fortsetzen kann. Es könnte aber sein, dass ich $f$ zu
größeren Kreisscheibe fortsetzen kann. Es könnte aber sein, dass ich $f$ zu
einer holomorphen Funktion auf einer offenen Menge $U$ fortsetzen kann, die
zwar größer als $B_r(ρ)$ ist, aber keine Kreisschreiben um $\rho$ mit Radius
$> r$ enthält.
zwar größer als $B_r(ρ)$ ist, aber keine Kreisschreiben um $ρ$ mit Radius $>
r$ enthält.
\end{bemerkung}
% !TEX root = Funktionentheorie

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@@ -5,8 +5,8 @@
Wir betrachten die folgende Situation.
\begin{situation}[Nullstellen von holomorphen Funktionen]\label{set:7-0-1}
Es sei $U ⊂ $ offen, es sei $f ∈ \sO(U)$ holomorph und es sei
\begin{situation}[Nullstellen von holomorphen Funktionen]\label{set:7-0-1}%
Es sei $U ⊂ $ offen, es sei $f ∈ 𝒪(U)$ holomorph und es sei
\[
Z = \{ z ∈ U \mid f(z) = 0 \}
\]
@@ -14,7 +14,7 @@ Wir betrachten die folgende Situation.
\end{situation}
Weil holomorphe Funktionen stetig ist, ist klar, dass die Menge $Z$ eine
abgeschlossene Teilmenge von $U$ ist. Aber was können wir sonst noch sagen?
abgeschlossene Teilmenge von $U$ ist. Aber was können wir sonst noch sagen?
\section{Zwei Typen von Nullstellen}
@@ -23,12 +23,12 @@ abgeschlossene Teilmenge von $U$ ist. Aber was können wir sonst noch sagen?
\begin{equation}\label{eq:7-2-0-1}
\sum_{i=0}^∞ a_i(z-ρ)ⁱ
\end{equation}
die Potenzreihenentwicklung von $f$ im Punkt $ρ$. Der Konvergenzradius sei
$r$. Dann gibt es zwei Möglichkeiten:
die Potenzreihenentwicklung von $f$ im Punkt $ρ$. Der Konvergenzradius sei
$r$. Dann gibt es zwei Möglichkeiten:
\begin{description}
\item[Nullstelle vom Typ 1] Alle Koeffizienten $a_i$ der
Potenzreihe~\eqref{eq:7-2-0-1} sind
gleich 0. Dann ist $f$ in einer Umgebung von $f$ konstant Null.
Potenzreihe~\eqref{eq:7-2-0-1} sind gleich 0. Dann ist $f$ bereits in einer
ganzen Umgebung von $f$ konstant Null.
\item[Nullstelle vom Typ 2] Nicht alle Koeffizienten $a_i$ der
Potenzreihe~\eqref{eq:7-2-0-1} sind gleich 0. Betrachte in diesem Fall den
@@ -36,42 +36,44 @@ abgeschlossene Teilmenge von $U$ ist. Aber was können wir sonst noch sagen?
\[
n := \min \{ i \::\: a_i ≠ 0 \}
\]
und nenne $n$ die ``Ordnung der Nullstelle $ρ$ von $f$''. Schreibe weiter
und nenne $n$ die Ordnung der Nullstelle $ρ$ von $f$“. Schreibe weiter
\begin{align*}
f(z) & = \sum_{i=n}^∞ a_i (z-ρ)ⁱ \\
& = (z-ρ)^n · \sum_{i=n}^∞ a_i (z-ρ)^{i-n} \\
& = (z-ρ)^n · \sum_{i=0}^∞ b_i (z-ρ)^{i-n},
\end{align*}
wobei $b_i := a_{n+i}$ ist. Man rechne nach, dass die Potenzreihe
wobei $b_i := a_{n+i}$ ist. Man rechne nach, dass die Potenzreihe
\[
\sum_{i=0}^∞ b_i (z-ρ)^{i-n}
\]
ebenfalls Konvergenzradius $r$ hat, also eine Funktion $g ∈ \sO(B_r(ρ))$
definiert, die aber bei $ρ$ \emph{keine} Nullstelle hat (und in einer
ausreichend kleinen Umgebung von $ρ$ ebenfalls nicht). Auf $B_r(ρ)$ gilt die
Gleichung
ebenfalls Konvergenzradius $r$ hat, also eine Funktion $g ∈ 𝒪(B_r(ρ))$
definiert, die aber bei $ρ$ \emph{keine} Nullstelle hat (und deshalb in
einer ausreichend kleinen Umgebung von $ρ$ ebenfalls nicht). Auf $B_r(ρ)$
gilt die Gleichung
\[
f(z) = (z-ρ)^n · g(z)
\]
und es gibt ein $ε > 0$, sodass $Z ∩ B_ε(ρ) = \{ρ\}$ ist. Man sagt: $ρ$
ist eine isolierte Nullstelle von $f$.
und es gibt ein $ε > 0$, sodass $Z ∩ B_ε(ρ) = \{ρ\}$ ist. Man sagt: $ρ$ ist
eine isolierte Nullstelle von $f$.
\end{description}
Zusammenfassung: Ich kann die Nullstellenmenge $Z$ aufteilen
\[
Z = \text{Typ 1} \: \cup \text{Typ 2}
Z = \text{Typ 1} \: \text{Typ 2}
\]
Dabei gilt Folgendes:
\begin{itemize}
\item Die Menge der Nullstellen vom Typ~2 ist eine abgeschlossene, diskrete
Teilmenge von $U$.
Teilmenge von $U$.
\item Die Menge der Nullstellen von Typ~1 ist offen.
\item Die Menge der Punkte von $U$, an denen \emph{keine} Nullstelle vom Typ~1
vorliegt, ist ebenfalls offen. Grund: Wenn $f$ bei $ρ$ überhaupt keine
Nullstelle hat, dann hat $f$ als stetige Funktion auch in einer Umgebung von
$\rho$ keine Nullstelle. Wenn $f$ bei $ρ$ eine Nullstelle vom Typ~2 hat, dann
haben wir gesehen, dass $f$ in einer Umgebung von $\rho$ keine weitere
Nullstelle hat.
vorliegt, ist ebenfalls offen. Grund: Wenn $f$ bei $ρ$ überhaupt keine
Nullstelle hat, dann hat $f$ als stetige Funktion auch in einer Umgebung von
$ρ$ keine Nullstelle. Wenn $f$ bei $ρ$ eine Nullstelle vom Typ~2 hat, dann
haben wir gesehen, dass $f$ in einer Umgebung von $ρ$ keine weitere
Nullstelle hat.
\end{itemize}
In der Summe sehen wir: Die Menge Nullstellen vom Typ 1 ist offen \emph{und}
abgeschlossen, also eine ganze Zusammenhangskomponente von $U$!
@@ -80,43 +82,44 @@ abgeschlossen, also eine ganze Zusammenhangskomponente von $U$!
\section{Identitätssatz und Maximumsprinzip}
\begin{satz}
In Situation~\ref{set:7-0-1} sei $U$ zusammenhängend. Dann sind die folgenden
In Situation~\ref{set:7-0-1} sei $U$ zusammenhängend. Dann sind die folgenden
Aussagen äquivalent.
\begin{enumerate}
\item Die Nullstellenmenge $Z$ ist \emph{nicht} diskret. Äquivalent: die
Nullstellenmenge $Z$ hat einen Häufungspunkt.
\item Die Funktion $f$ ist konstant gleich $0$. \qed
\item Die Funktion $f$ ist konstant gleich $0$. \qed
\end{enumerate}
\end{satz}
\begin{kor}[Identitätssatz für holomorphe Funktionen]\label{kor:7-2-2}
\begin{kor}[Identitätssatz für holomorphe Funktionen]\label{kor:7-2-2}%
\index{Identitätssatz}In Situation~\ref{set:7-0-1} sei $U$ zusammenhängend und
es sei $g ∈ \sO(U)$ eine weitere holomorphe Funktion auf $U$. Dann sind die
es sei $g ∈ 𝒪(U)$ eine weitere holomorphe Funktion auf $U$. Dann sind die
folgenden Aussagen äquivalent.
\begin{enumerate}
\item Die Menge
\[
\{ z ∈ U \mid f(z) = g(z) \}
\]
ist \emph{nicht} diskret. Äquivalent: die Menge hat einen Häufungspunkt.
ist \emph{nicht} diskret. Äquivalent: die Menge hat einen Häufungspunkt.
\item Die Funktionen $f$ und $g$ sind gleich.
\end{enumerate}
\end{kor}
\begin{bsp}[Eindeutigkeit der Exponentialfunktion]
Die Funktion $\exp: $ ist die einzige holomorphe Funktion auf $\bC$, die
Die Funktion $\exp: $ ist die einzige holomorphe Funktion auf $$, die
für reelle Zahlen mit der bekannten Exponentialfunktion übereinstimmt.
\end{bsp}
\begin{kor}[Maximumsprinzip]
In Situation~\ref{set:7-0-1} sei $U$ zusammenhängend. Falls $|f|$ ein Maximum
In Situation~\ref{set:7-0-1} sei $U$ zusammenhängend. Falls $|f|$ ein Maximum
hat, dann ist $f$ konstant.
\end{kor}
\begin{proof}
\index{Maximumprinzip}Es sei $ρ ∈ U$ ein Maximum von $|f|$. Nach
Satz~\ref{satz:5-2-3} (``Starkes Maximumprinzip'') wissen wir schon: es gibt
ein $ε > 0$, sodass $f|_{B_ε(ρ)}$ konstant ist. Nach dem Identitätssatz,
\index{Maximumprinzip}Es sei $ρ ∈ U$ ein Maximum von $|f|$. Nach
Satz~\ref{satz:5-2-3} (Starkes Maximumsprinzip) wissen wir schon: es gibt
ein $ε > 0$, sodass $f|_{B_ε(ρ)}$ konstant ist. Nach dem Identitätssatz,
Korollar~\ref{kor:7-2-2}, ist $f$ dann aber auf ganz $U$ konstant.
\end{proof}

Binary file not shown.