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Stefan Kebekus
2025-11-03 10:46:55 +01:00
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@@ -38,3 +38,7 @@ Maximumsprinzips
Saint-Omer
Holomorphie
Kompaktum
Cauchy
Brook
Middlesex
Somerset

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@@ -78,6 +78,9 @@ B_r(ρ)$ der Kreisscheibe liegen.
\end{enumerate}
\end{bsp}
\section{Potenzreihen liefern holomorphe Funktionen}
\begin{proposition}[Kompakt konvergierende Folgen holomorpher Funktionen]\label{prop:potenzreihe-holomorph}%
Es sei $U ⊂ $ offen und es sei $(f_i)_{i ∈ }$ eine Folge von holomorphen
Funktionen, $f_i ∈ \sO(U)$, die auf $U$ kompakt gegen Grenzfunktion $f$
@@ -129,7 +132,7 @@ B_r(ρ)$ der Kreisscheibe liegen.
$f'$ konvergiert, also liegt kompakte Konvergenz vor.
\end{proof}
\begin{kor}[Potenzreihen und Holomorphie]
\begin{kor}[Potenzreihen und Holomorphie]\label{kor:6-1-2}
Es sei $\sum_{i=0}^∞ a_i (z-ρ)$ eine Potenzreihe mit Entwicklungspunkt $ρ$
und Konvergenzradius $r > 0$. Weiter sei $f: B_r(ρ)$ die zugehörige
Funktion. Dann gilt:
@@ -142,192 +145,100 @@ B_r(ρ)$ der Kreisscheibe liegen.
\end{enumerate}
\end{kor}
\begin{proberechnung}
\section{Holomorphe Funktionen liefern Potenzreihen}
\begin{proberechnung}[Konstruktion von Potenzeihen]\label{prorech:6-1-2}
Es sei $r > 0$ und es sei $f ∈ \sO(B_r(0))$. Wenn $ρ < r$ eine positive Zahl
ist, dann ist $\forall w ∈ B_ρ(0)$:
\[
f(w) = \frac{1}{2πi} \int_{∂B_ρ(0)} \frac{f(z)}{z - w}\,dz
\]
Witz: wenn $z ∈ ∂B_ρ(0)$ und $w ∈ B_ρ(0)$ gegeben sind, schreib
\[
ist, dann nach der Integralformel von Cauchy, Satz~\ref{satz:4-4-1}, für jede
Zahl $w ∈ B_ρ(0)$ die Gleichung
\begin{equation}\label{eq:6-0-6-1}
f(w) = \frac{1}{2πi} \int_{∂B_ρ(0)} \frac{f(z)}{z - w}\,dz.
\end{equation}
Wenn jetzt zwei Zahlen $z ∈ ∂B_ρ(0)$ und $w ∈ B_ρ(0)$ gegeben sind, dann ist
$|\frac{w}{z}|< 1$ und deshalb gilt die Gleichung
\begin{equation}\label{eq:6-0-6-2}
\frac{1}{z-w} = \frac{1}{z} · \frac{1}{1 - w/z} = \frac{1}{z} · \sum_{i=0}^
\left(\frac{w}{z}\right)
\]
wobei $\text{Betrag} < 1$.
Also: $\forall w ∈ B_ρ(0)$:
\[
f(w) = \frac{1}{2πi} \int_{∂B_ρ(0)} \frac{f(z)}{z} \sum_{i=0}^
\left(\frac{w}{z}\right)\,dz
\]
\emph{komp. Konv.}
\left(\frac{w}{z}\right)ⁱ.
\end{equation}
Also gilt für jede Zahl $w ∈ B_ρ(0)$ die Gleichung
\begin{align*}
&= \frac{1}{2πi} \sum_{i=0}^\int_{∂B_ρ(0)} \frac{f(z)}{z^{i+1}} · wⁱ\,dz \\
&= \frac{1}{2πi} \sum_{i=0}^\left( \int_{∂B_ρ(0)} \frac{f(z)}{z^{i+1}}\,dz
\right) · wⁱ \\
&\qquad\qquad\qquad\llap{$\underbrace{\hphantom{\int_{∂B_ρ(0)}
\frac{f(z)}{z^{i+1}}\,dz}}_{= a_i}$}
f(w) & = \frac{1}{2πi} \int_{∂B_ρ(0)} \frac{f(z)}{z - w}\,dz && \eqref{eq:6-0-6-1} \\
& = \frac{1}{2πi} \int_{∂B_ρ(0)} \frac{f(z)}{z} \sum_{i=0}^\left(\frac{w}{z}\right)ⁱ\,dz && \eqref{eq:6-0-6-2} \\
& = \frac{1}{2πi} \sum_{i=0}^\int_{∂B_ρ(0)} \frac{f(z)}{z^{i+1}} · wⁱ\,dz && \text{kompakte Konvergenz} \\
& = \sum_{i=0}^\underbrace{\left( \frac{1}{2πi}·\int_{∂B_ρ(0)} \frac{f(z)}{z^{i+1}}\,dz \right)}_{:= a_i} · wⁱ.
\end{align*}
Nach dem Integralsatz von Cauchy hängen die Zahlen $a_i$ aber gar nicht von der
Wahl von $ρ$ ab! Die Gleichung
\begin{equation}\label{eq:6-0-6-3}
f(w) = \sum_{i=0}^∞ a_i wⁱ
\end{equation}
gilt also für alle $w ∈ B_r(0)$. Insbesondere ist der Konvergenzradius der
Potenzreihe \eqref{eq:6-0-6-3} mindestens gleich $r$.
\end{proberechnung}
\begin{beobachtung}
Nach dem Integralsatz von Cauchy hängen die Zahlen $a_i$ gar nicht von der
Wahl von $ρ$ ab!
Die Gleichung
\[
f(w) = \frac{1}{2πi} \sum_{i=0}^∞ a_i wⁱ \qquad (*)
\]
gilt also für alle $w ∈ B_r(0)$. Insbesondere ist der Konvergenzradius von
$(*)$ mindestens gleich $r$.
Das funktioniert natürlich nicht nur bei Kreisscheiben um den Nullpunkt.
\end{beobachtung}
Die Proberechnung funktioniert natürlich nicht nur bei Kreisscheiben um den
Nullpunkt. In der Summe haben wir folgenden Satz bewiesen.
\begin{satz}
Es sei $B_r(ρ)$ eine Kreisscheibe und $f ∈ O(B_r(ρ))$. Dann kann $f$ auf
ganz $B_r(ρ)$ als Potenzreihe dargestellt werden. Genauer: Es existiert
Potenzreihe $\sum_{i=0}^∞ a_i (z-ρ)$ mit Entwicklungspunkt $ρ$ und
Konvergenzradius $≥ r$, sodass $\forall z ∈ B_r(ρ)$ die Gleichung $f(z) = \sum_{i=0}^
a_i (z-ρ)$ gilt.
\begin{satz}[Potenzreihendarstellung holomorpher Funktionen]\label{satz:6-0-7}
Es sei $B_r(ρ)$ eine Kreisscheibe und $f ∈ \sO(B_r(ρ))$ eine holomorphe
Funktion. Dann kann $f$ auf ganz $B_r(ρ)$ als Potenzreihe dargestellt werden.
Genauer: Es existiert Potenzreihe $\sum_{i=0}^∞ a_i (z-ρ)$ mit
Entwicklungspunkt $ρ$ und Konvergenzradius $≥ r$, sodass für jede Zahl $z ∈
B_r(ρ)$ die Gleichung $f(z) = \sum_{i=0}^ a_i (z-ρ)$ gilt. \qed
\end{satz}
\begin{bemerkung}
Umkehrung gilt erreicht: Funktionen, die als Potenzreihen dargestellt werden
können, sind holomorph.
\end{bemerkung}
Umkehrung die Umkehrung von Satz~\ref{satz:6-0-7} gilt natürlich auch:
Funktionen, die als Potenzreihen dargestellt werden können, sind nach
Korollar~\ref{kor:6-1-2} holomorph.
\subsection{Praktische Fragen}
\begin{frage}
Gegeben $f ∈ O(B_r(ρ))$. Wie komme ich an die Darstellung von $f$ als
Potenzreihe? Muss ich wirklich $ρ < r$ wählen und $\int_{∂B_ρ(r)}
\frac{f(z)}{zⁱ}\,dz$ ausrechnen?
Gegeben eine Kreisscheibe $B_r(ρ)$ und eine holomorphe Funktion $f ∈
\sO(B_r(ρ))$. Wie komme ich an die Darstellung von $f$ als Potenzreihe? Muss
ich die Integrale aus Proberechnung~\ref{prorech:6-1-2} wirklich ausrechnen?
\end{frage}
\begin{rem}[Antwort]
Aber nein!! Wenn ich schon sehr bin, dass es eine Darstellung gibt, $f(z) =
\sum a_i (z-ρ)$, dann ist $a_0 = f(ρ)$. Außerdem haben wir bewiesen: $(*) \quad
f'(z) = \sum_{i=1}^ a_i · i (z-ρ)^{i-1}$ insquent: $\forall i ∈ $, $a_i =
\frac{f^{(i)}(ρ)}{i!}$.
Die Darstellung $(*)$ ist also einfach die aus Ana I bekannte Taylor-Reihe (=
Maclaurin series).
\end{rem}
Die beruhigende Antwort ist ein klares „Nein!“ Wenn ich bereits weiß, dass es
eine Darstellung von $f$ als Potenzreihe gibt,
\begin{equation}\label{eq:6-2-3-1}
f(z) = \sum a_i (z-ρ)ⁱ,
\end{equation}
dann ist $a_0 = f(ρ)$. Außerdem haben wir in Korollar~\ref{prop:potenzreihe-holomorph} bewiesen, dass
\[
f'(z) = \sum_{i=1}^∞ a_i · i (z-ρ)^{i-1}
\]
ist. Insgesamt gilt damit für jeden Index $i$,
\[
a_i = \frac{f^{(i)}(ρ)}{i!}.
\]
Diese Formel hat zwei interessante Konsequenzen.
\begin{enumerate}
\item Die Darstellung \eqref{eq:6-2-3-1} ist also einfach die aus der
Vorlesung „Analysis~I“ bekannte Taylor\footnote{Brook Taylor (* 18.~August
1685 in Edmonton, Middlesex; † 29.~Dezember 1731 in Somerset House, London)
war ein britischer Mathematiker und Mitglied der Royal Society. Nach ihm wurde
unter anderem die Taylorreihe benannt.}-Reihe.
\item Die Darstellung von $f$ als Potenzreihe mit Entwicklungspunkt $\rho$ ist
eindeutig!
\end{enumerate}
\begin{bemerkung}
Manchmal tritt folgende Situation auf: gegeben eine Kreisscheibe $B_r(ρ)$ und
$f ∈ O(B_r(ρ))$. Dann schreibe ich $f$ als Potenzreihe mit Entwicklungspunkt
$ρ$ und stelle fest, dass der Konvergenzradius $\tilde R > r$ ist. In dieser
Situation ist klar, dass ich $f$ \emph{sofort} zu einer holom. Fkt. auf
%$B_r(ρ) \subsetneq B_{\tilde R}(ρ)$ fortsetzen kann.
eine holomorphe Funktion $f ∈ \sO(B_r(ρ))$. Dann schreibe ich $f$ als
Potenzreihe mit Entwicklungspunkt $ρ$ und stelle fest, dass der
Konvergenzradius $\tilde R > r$ ist. In dieser Situation ist \emph{sofort}
klar, dass ich $f$ zu einer holomorphen Funktion auf der größeren Kreisscheibe
$B_{\tilde R}(ρ)$ fortsetzen kann.
Falls $r = \tilde R$ ist, dann ist klar, dass ich $f$ niemals auf einer
größeren Kreisscheibe fortsetzen kann!
größeren Kreisscheibe fortsetzen kann. Es könnte aber sein, dass ich $f$ zu
einer holomorphen Funktion auf einer offenen Menge $U$ fortsetzen kann, die
zwar größer als $B_r(ρ)$ ist, aber keine Kreisschreiben um $\rho$ mit Radius
$> r$ enthält.
\end{bemerkung}
Das führt zu interessanten Situationen!
\begin{center}
\begin{tikzpicture}
\draw (0,0) circle (1.5);
\draw[dashed] (1.2,0.8) circle (1.2);
\fill (0,0) circle (1.5pt);
\end{tikzpicture}
\end{center}
\section{Nullstellen von holomorphen Funktionen}
\begin{situation}
Sei $U ⊂ $ offen, sei $f ∈ O(U)$ und
\[
Z = \{ z ∈ U \mid f(z) = 0 \}.
\]
Die Menge $Z ⊂ U$ ist \emph{abgeg} abgeschlossen. Was können wir sonst noch
sagen?
\end{situation}
\begin{proberechnung}
Sei $ρ ∈ Z$ und sei $\sum_{i=0}^∞ a_i(z-ρ)$ $(*)$ die
Potenzreihenentwicklung von $f$ im Punkt $ρ$, Konvergenzradius $= r$. Zwei
Möglichkeiten:
\emph{Typ 1:} alle $a_i = 0$. Dann $∃ r > 0$, sodass $B_r(ρ) ⊂ U$ ist und
$f|_{B_r(ρ)} \equiv 0$.
\emph{Typ 2:} nicht alle $i = 0$. Sei $n = \min \{ i \mid a_i ≠ 0 \}$, nenne
$n$ die „Ordnung der Nullstelle". Schreibe
% \begin{align*}
% f(z) &= \st{$\sum_{i=n}^∞ a_i (z-ρ)ⁱ$} \\
% &= (z-ρ)^n · \sum_{i=n}^∞ a_i (z-ρ)^{i-n} \\
% &= \underbrace{\vphantom{\sum}(* *)}
% \end{align*}
\end{proberechnung}
\begin{rem}[nachrechnen]
die Potenzreihe $(* *)$ hat ebenfalls Konvergenzradius $r$, definiert also
Funktion $g ∈ O(B_r(ρ))$ die aber bei $ρ$ keine Nullstelle hat (… und in
einer ausreichend kleinen Umgebung von $ρ$ ebenfalls nicht). Auf $B_r(ρ)$
gilt die Gleichung
\[
f(z) = (z-ρ)^n · g(z)
\]
und $∃ ε > 0$: $Z ∩ B_ε(ρ) = \{ρ\}$.
Man sagt: $ρ$ ist eine isolierte Nullstelle von $f$.
\end{rem}
\begin{rem}[Zusammenfassung]
Kann die Menge $Z$ zerfallen
\[
Z = \underbrace{Typ 1}_{offen!} \quad \dot{} \quad Typ 2 \underbrace{\vphantom{Typ
1}}_{\mathclap{\text{diskret: abg., jeder Punkt}}}
\]
\[
\underbrace{\vphantom{Typ 1}}_{\mathclap{\text{hat $ε$-Umgebung, sodass kein
weiterer Punkt in dieser Umg. liegt}}}
\]
\emph{Konsequenz:} Die Menge der Typ 1 - Nullstellen ist offen \emph{und}
abgeschlossen, also eine ganze Zusammenhangskomponente von $U$!
\end{rem}
\subsection{Zwei unmittelbare Konsequenzen} \quad $f ∈ O(U)$
\begin{satz}
Sei $U ⊂ $ offen und zusammenhängend. Dann äquivalent
\begin{enumerate}
\item $Z(f)$ ist nicht diskret. (= hat Häufungspunkt")
\item $f \equiv 0$.
\end{enumerate}
\end{satz}
\begin{kor}
Sei $U ⊂ $ offen und zusammenhängend, seien $f, g ∈ O(U)$. Dann äquivalent:
\begin{enumerate}
\item Die Menge $\{ z ∈ U \mid f(z) = g(z) \}$ ist nicht diskret (= hat
Häufungspunkt")
\item $f = g$.
\end{enumerate}
\end{kor}
\begin{bsp}
$\exp: $ ist die einzige holomorphe Funktion, die für reelle Zahlen mit
der bekannten Exponentialfunktion übereinstimmt.
\end{bsp}
\begin{kor}
Es sei $U ⊂ $ zusammenhängend und offen, weiter sei $f ∈ O(U)$. Falls $|f|$
ein maximum hat, dann ist $f$ konstant.
\end{kor}
\begin{proof}
Sei $ρ ∈ U$ ein Maximum. Wissen schon: $∃ ε > 0$:
\[
f|_{B_ε(ρ)} = \text{const.} \quad\quad f - f(ρ) ∈ O(U) \text{ hat
nicht-isolierte}
\]
Nullstelle, ist also konstant $= 0$.
\end{proof}
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\chapter{Nullstellen von holomorphen Funktionen}
Wir betrachten die folgende Situation.
\begin{situation}[Nullstellen von holomorphen Funktionen]\label{set:7-0-1}
Es sei $U ⊂ $ offen, es sei $f ∈ \sO(U)$ holomorph und es sei
\[
Z = \{ z ∈ U \mid f(z) = 0 \}
\]
die Nullstellenmenge der Funktion $f$.
\end{situation}
Weil holomorphe Funktionen stetig ist, ist klar, dass die Menge $Z$ eine
abgeschlossene Teilmenge von $U$ ist. Aber was können wir sonst noch sagen?
\section{Zwei Typen von Nullstellen}
In Situation~\ref{set:7-0-1} sei $ρ ∈ Z$ eine Nullstelle von $f$ und sei
\begin{equation}\label{eq:7-2-0-1}
\sum_{i=0}^∞ a_i(z-ρ)ⁱ
\end{equation}
die Potenzreihenentwicklung von $f$ im Punkt $ρ$. Der Konvergenzradius sei
$r$. Dann gibt es zwei Möglichkeiten:
\begin{description}
\item[Nullstelle vom Typ 1] Alle Koeffizienten $a_i$ der
Potenzreihe~\eqref{eq:7-2-0-1} sind
gleich 0. Dann ist $f$ in einer Umgebung von $f$ konstant Null.
\item[Nullstelle vom Typ 2] Nicht alle Koeffizienten $a_i$ der
Potenzreihe~\eqref{eq:7-2-0-1} sind gleich 0. Betrachte in diesem Fall den
Index
\[
n := \min \{ i \::\: a_i ≠ 0 \}
\]
und nenne $n$ die ``Ordnung der Nullstelle $ρ$ von $f$''. Schreibe weiter
\begin{align*}
f(z) & = \sum_{i=n}^∞ a_i (z-ρ)ⁱ \\
& = (z-ρ)^n · \sum_{i=n}^∞ a_i (z-ρ)^{i-n} \\
& = (z-ρ)^n · \sum_{i=0}^∞ b_i (z-ρ)^{i-n},
\end{align*}
wobei $b_i := a_{n+i}$ ist. Man rechne nach, dass die Potenzreihe
\[
\sum_{i=0}^∞ b_i (z-ρ)^{i-n}
\]
ebenfalls Konvergenzradius $r$ hat, also eine Funktion $g ∈ \sO(B_r(ρ))$
definiert, die aber bei $ρ$ \emph{keine} Nullstelle hat (… und in einer
ausreichend kleinen Umgebung von $ρ$ ebenfalls nicht). Auf $B_r(ρ)$ gilt die
Gleichung
\[
f(z) = (z-ρ)^n · g(z)
\]
und es gibt ein $ε > 0$, sodass $Z ∩ B_ε(ρ) = \{ρ\}$ ist. Man sagt: $ρ$
ist eine isolierte Nullstelle von $f$.
\end{description}
Zusammenfassung: Ich kann die Nullstellenmenge $Z$ aufteilen
\[
Z = \text{Typ 1} \: \cup \text{Typ 2}
\]
Dabei gilt Folgendes:
\begin{itemize}
\item Die Menge der Nullstellen vom Typ~2 ist eine abgeschlossene, diskrete
Teilmenge von $U$.
\item Die Menge der Nullstellen von Typ~1 ist offen.
\item Die Menge der Punkte von $U$, an denen \emph{keine} Nullstelle vom Typ~1
vorliegt, ist ebenfalls offen. Grund: Wenn $f$ bei $ρ$ überhaupt keine
Nullstelle hat, dann hat $f$ als stetige Funktion auch in einer Umgebung von
$\rho$ keine Nullstelle. Wenn $f$ bei $ρ$ eine Nullstelle vom Typ~2 hat, dann
haben wir gesehen, dass $f$ in einer Umgebung von $\rho$ keine weitere
Nullstelle hat.
\end{itemize}
In der Summe sehen wir: Die Menge Nullstellen vom Typ 1 ist offen \emph{und}
abgeschlossen, also eine ganze Zusammenhangskomponente von $U$!
\section{Identitätssatz und Maximumsprinzip}
\begin{satz}
In Situation~\ref{set:7-0-1} sei $U$ zusammenhängend. Dann sind die folgenden
Aussagen äquivalent.
\begin{enumerate}
\item Die Nullstellenmenge $Z$ ist \emph{nicht} diskret. Äquivalent: die
Nullstellenmenge $Z$ hat einen Häufungspunkt.
\item Die Funktion $f$ ist konstant gleich $0$. \qed
\end{enumerate}
\end{satz}
\begin{kor}[Identitätssatz für holomorphe Funktionen]\label{kor:7-2-2}
\index{Identitätssatz}In Situation~\ref{set:7-0-1} sei $U$ zusammenhängend und
es sei $g ∈ \sO(U)$ eine weitere holomorphe Funktion auf $U$. Dann sind die
folgenden Aussagen äquivalent.
\begin{enumerate}
\item Die Menge
\[
\{ z ∈ U \mid f(z) = g(z) \}
\]
ist \emph{nicht} diskret. Äquivalent: die Menge hat einen Häufungspunkt.
\item Die Funktionen $f$ und $g$ sind gleich.
\end{enumerate}
\end{kor}
\begin{bsp}[Eindeutigkeit der Exponentialfunktion]
Die Funktion $\exp: $ ist die einzige holomorphe Funktion auf $\bC$, die
für reelle Zahlen mit der bekannten Exponentialfunktion übereinstimmt.
\end{bsp}
\begin{kor}[Maximumsprinzip]
In Situation~\ref{set:7-0-1} sei $U$ zusammenhängend. Falls $|f|$ ein Maximum
hat, dann ist $f$ konstant.
\end{kor}
\begin{proof}
\index{Maximumprinzip}Es sei $ρ ∈ U$ ein Maximum von $|f|$. Nach
Satz~\ref{satz:5-2-3} (``Starkes Maximumprinzip'') wissen wir schon: es gibt
ein $ε > 0$, sodass $f|_{B_ε(ρ)}$ konstant ist. Nach dem Identitätssatz,
Korollar~\ref{kor:7-2-2}, ist $f$ dann aber auf ganz $U$ konstant.
\end{proof}
% !TEX root = Funktionentheorie

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@@ -144,6 +144,7 @@ Link in den Text ein.
\input{05-cauchy}
\input{06-potenz}
\input{07-nullstelle}
\addchap{Lizenz}