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vendored
4
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vendored
@@ -38,3 +38,7 @@ Maximumsprinzips
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Saint-Omer
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Holomorphie
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Kompaktum
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Cauchy
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Brook
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Middlesex
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Somerset
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249
06-potenz.tex
249
06-potenz.tex
@@ -78,6 +78,9 @@ B_r(ρ)$ der Kreisscheibe liegen.
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||||
\end{enumerate}
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\end{bsp}
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\section{Potenzreihen liefern holomorphe Funktionen}
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\begin{proposition}[Kompakt konvergierende Folgen holomorpher Funktionen]\label{prop:potenzreihe-holomorph}%
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Es sei $U ⊂ ℂ$ offen und es sei $(f_i)_{i ∈ ℕ}$ eine Folge von holomorphen
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Funktionen, $f_i ∈ \sO(U)$, die auf $U$ kompakt gegen Grenzfunktion $f$
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@@ -129,7 +132,7 @@ B_r(ρ)$ der Kreisscheibe liegen.
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$f'$ konvergiert, also liegt kompakte Konvergenz vor.
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\end{proof}
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\begin{kor}[Potenzreihen und Holomorphie]
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\begin{kor}[Potenzreihen und Holomorphie]\label{kor:6-1-2}
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Es sei $\sum_{i=0}^∞ a_i (z-ρ)ⁱ$ eine Potenzreihe mit Entwicklungspunkt $ρ$
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und Konvergenzradius $r > 0$. Weiter sei $f: B_r(ρ) → ℂ$ die zugehörige
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Funktion. Dann gilt:
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@@ -142,192 +145,100 @@ B_r(ρ)$ der Kreisscheibe liegen.
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\end{enumerate}
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\end{kor}
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\begin{proberechnung}
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\section{Holomorphe Funktionen liefern Potenzreihen}
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\begin{proberechnung}[Konstruktion von Potenzeihen]\label{prorech:6-1-2}
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Es sei $r > 0$ und es sei $f ∈ \sO(B_r(0))$. Wenn $ρ < r$ eine positive Zahl
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ist, dann ist $\forall w ∈ B_ρ(0)$:
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\[
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f(w) = \frac{1}{2πi} \int_{∂B_ρ(0)} \frac{f(z)}{z - w}\,dz
|
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\]
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Witz: wenn $z ∈ ∂B_ρ(0)$ und $w ∈ B_ρ(0)$ gegeben sind, schreib
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\[
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ist, dann nach der Integralformel von Cauchy, Satz~\ref{satz:4-4-1}, für jede
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Zahl $w ∈ B_ρ(0)$ die Gleichung
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\begin{equation}\label{eq:6-0-6-1}
|
||||
f(w) = \frac{1}{2πi} \int_{∂B_ρ(0)} \frac{f(z)}{z - w}\,dz.
|
||||
\end{equation}
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||||
Wenn jetzt zwei Zahlen $z ∈ ∂B_ρ(0)$ und $w ∈ B_ρ(0)$ gegeben sind, dann ist
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$|\frac{w}{z}|< 1$ und deshalb gilt die Gleichung
|
||||
\begin{equation}\label{eq:6-0-6-2}
|
||||
\frac{1}{z-w} = \frac{1}{z} · \frac{1}{1 - w/z} = \frac{1}{z} · \sum_{i=0}^∞
|
||||
\left(\frac{w}{z}\right)ⁱ
|
||||
\]
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||||
wobei $\text{Betrag} < 1$.
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Also: $\forall w ∈ B_ρ(0)$:
|
||||
\[
|
||||
f(w) = \frac{1}{2πi} \int_{∂B_ρ(0)} \frac{f(z)}{z} \sum_{i=0}^∞
|
||||
\left(\frac{w}{z}\right)ⁱ\,dz
|
||||
\]
|
||||
|
||||
\emph{komp. Konv.}
|
||||
\left(\frac{w}{z}\right)ⁱ.
|
||||
\end{equation}
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||||
Also gilt für jede Zahl $w ∈ B_ρ(0)$ die Gleichung
|
||||
\begin{align*}
|
||||
&= \frac{1}{2πi} \sum_{i=0}^∞ \int_{∂B_ρ(0)} \frac{f(z)}{z^{i+1}} · wⁱ\,dz \\
|
||||
&= \frac{1}{2πi} \sum_{i=0}^∞ \left( \int_{∂B_ρ(0)} \frac{f(z)}{z^{i+1}}\,dz
|
||||
\right) · wⁱ \\
|
||||
&\qquad\qquad\qquad\llap{$\underbrace{\hphantom{\int_{∂B_ρ(0)}
|
||||
\frac{f(z)}{z^{i+1}}\,dz}}_{= a_i}$}
|
||||
f(w) & = \frac{1}{2πi} \int_{∂B_ρ(0)} \frac{f(z)}{z - w}\,dz && \eqref{eq:6-0-6-1} \\
|
||||
& = \frac{1}{2πi} \int_{∂B_ρ(0)} \frac{f(z)}{z} \sum_{i=0}^∞ \left(\frac{w}{z}\right)ⁱ\,dz && \eqref{eq:6-0-6-2} \\
|
||||
& = \frac{1}{2πi} \sum_{i=0}^∞ \int_{∂B_ρ(0)} \frac{f(z)}{z^{i+1}} · wⁱ\,dz && \text{kompakte Konvergenz} \\
|
||||
& = \sum_{i=0}^∞ \underbrace{\left( \frac{1}{2πi}·\int_{∂B_ρ(0)} \frac{f(z)}{z^{i+1}}\,dz \right)}_{:= a_i} · wⁱ.
|
||||
\end{align*}
|
||||
Nach dem Integralsatz von Cauchy hängen die Zahlen $a_i$ aber gar nicht von der
|
||||
Wahl von $ρ$ ab! Die Gleichung
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||||
\begin{equation}\label{eq:6-0-6-3}
|
||||
f(w) = \sum_{i=0}^∞ a_i wⁱ
|
||||
\end{equation}
|
||||
gilt also für alle $w ∈ B_r(0)$. Insbesondere ist der Konvergenzradius der
|
||||
Potenzreihe \eqref{eq:6-0-6-3} mindestens gleich $r$.
|
||||
\end{proberechnung}
|
||||
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||||
\begin{beobachtung}
|
||||
Nach dem Integralsatz von Cauchy hängen die Zahlen $a_i$ gar nicht von der
|
||||
Wahl von $ρ$ ab!
|
||||
|
||||
Die Gleichung
|
||||
\[
|
||||
f(w) = \frac{1}{2πi} \sum_{i=0}^∞ a_i wⁱ \qquad (*)
|
||||
\]
|
||||
gilt also für alle $w ∈ B_r(0)$. Insbesondere ist der Konvergenzradius von
|
||||
$(*)$ mindestens gleich $r$.
|
||||
|
||||
Das funktioniert natürlich nicht nur bei Kreisscheiben um den Nullpunkt.
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||||
\end{beobachtung}
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||||
Die Proberechnung funktioniert natürlich nicht nur bei Kreisscheiben um den
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||||
Nullpunkt. In der Summe haben wir folgenden Satz bewiesen.
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||||
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||||
\begin{satz}
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||||
Es sei $B_r(ρ) ⊂ ℂ$ eine Kreisscheibe und $f ∈ O(B_r(ρ))$. Dann kann $f$ auf
|
||||
ganz $B_r(ρ)$ als Potenzreihe dargestellt werden. Genauer: Es existiert
|
||||
Potenzreihe $\sum_{i=0}^∞ a_i (z-ρ)ⁱ$ mit Entwicklungspunkt $ρ$ und
|
||||
Konvergenzradius $≥ r$, sodass $\forall z ∈ B_r(ρ)$ die Gleichung $f(z) = \sum_{i=0}^∞
|
||||
a_i (z-ρ)ⁱ$ gilt.
|
||||
\begin{satz}[Potenzreihendarstellung holomorpher Funktionen]\label{satz:6-0-7}
|
||||
Es sei $B_r(ρ) ⊂ ℂ$ eine Kreisscheibe und $f ∈ \sO(B_r(ρ))$ eine holomorphe
|
||||
Funktion. Dann kann $f$ auf ganz $B_r(ρ)$ als Potenzreihe dargestellt werden.
|
||||
Genauer: Es existiert Potenzreihe $\sum_{i=0}^∞ a_i (z-ρ)ⁱ$ mit
|
||||
Entwicklungspunkt $ρ$ und Konvergenzradius $≥ r$, sodass für jede Zahl $z ∈
|
||||
B_r(ρ)$ die Gleichung $f(z) = \sum_{i=0}^∞ a_i (z-ρ)ⁱ$ gilt. \qed
|
||||
\end{satz}
|
||||
|
||||
\begin{bemerkung}
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||||
Umkehrung gilt erreicht: Funktionen, die als Potenzreihen dargestellt werden
|
||||
können, sind holomorph.
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||||
\end{bemerkung}
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||||
Umkehrung die Umkehrung von Satz~\ref{satz:6-0-7} gilt natürlich auch:
|
||||
Funktionen, die als Potenzreihen dargestellt werden können, sind nach
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Korollar~\ref{kor:6-1-2} holomorph.
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\subsection{Praktische Fragen}
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\begin{frage}
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Gegeben $f ∈ O(B_r(ρ))$. Wie komme ich an die Darstellung von $f$ als
|
||||
Potenzreihe? Muss ich wirklich $ρ < r$ wählen und $\int_{∂B_ρ(r)}
|
||||
\frac{f(z)}{zⁱ}\,dz$ ausrechnen?
|
||||
Gegeben eine Kreisscheibe $B_r(ρ) ⊂ ℂ$ und eine holomorphe Funktion $f ∈
|
||||
\sO(B_r(ρ))$. Wie komme ich an die Darstellung von $f$ als Potenzreihe? Muss
|
||||
ich die Integrale aus Proberechnung~\ref{prorech:6-1-2} wirklich ausrechnen?
|
||||
\end{frage}
|
||||
|
||||
\begin{rem}[Antwort]
|
||||
Aber nein!! Wenn ich schon sehr bin, dass es eine Darstellung gibt, $f(z) =
|
||||
\sum a_i (z-ρ)ⁱ$, dann ist $a_0 = f(ρ)$. Außerdem haben wir bewiesen: $(*) \quad
|
||||
f'(z) = \sum_{i=1}^∞ a_i · i (z-ρ)^{i-1}$ insquent: $\forall i ∈ ℕ$, $a_i =
|
||||
\frac{f^{(i)}(ρ)}{i!}$.
|
||||
|
||||
Die Darstellung $(*)$ ist also einfach die aus Ana I bekannte Taylor-Reihe (=
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||||
Maclaurin series).
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||||
\end{rem}
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||||
Die beruhigende Antwort ist ein klares „Nein!“ Wenn ich bereits weiß, dass es
|
||||
eine Darstellung von $f$ als Potenzreihe gibt,
|
||||
\begin{equation}\label{eq:6-2-3-1}
|
||||
f(z) = \sum a_i (z-ρ)ⁱ,
|
||||
\end{equation}
|
||||
dann ist $a_0 = f(ρ)$. Außerdem haben wir in Korollar~\ref{prop:potenzreihe-holomorph} bewiesen, dass
|
||||
\[
|
||||
f'(z) = \sum_{i=1}^∞ a_i · i (z-ρ)^{i-1}
|
||||
\]
|
||||
ist. Insgesamt gilt damit für jeden Index $i$,
|
||||
\[
|
||||
a_i = \frac{f^{(i)}(ρ)}{i!}.
|
||||
\]
|
||||
Diese Formel hat zwei interessante Konsequenzen.
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||||
\begin{enumerate}
|
||||
\item Die Darstellung \eqref{eq:6-2-3-1} ist also einfach die aus der
|
||||
Vorlesung „Analysis~I“ bekannte Taylor\footnote{Brook Taylor (* 18.~August
|
||||
1685 in Edmonton, Middlesex; † 29.~Dezember 1731 in Somerset House, London)
|
||||
war ein britischer Mathematiker und Mitglied der Royal Society. Nach ihm wurde
|
||||
unter anderem die Taylorreihe benannt.}-Reihe.
|
||||
|
||||
\item Die Darstellung von $f$ als Potenzreihe mit Entwicklungspunkt $\rho$ ist
|
||||
eindeutig!
|
||||
\end{enumerate}
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||||
|
||||
\begin{bemerkung}
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||||
Manchmal tritt folgende Situation auf: gegeben eine Kreisscheibe $B_r(ρ)$ und
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||||
$f ∈ O(B_r(ρ))$. Dann schreibe ich $f$ als Potenzreihe mit Entwicklungspunkt
|
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$ρ$ und stelle fest, dass der Konvergenzradius $\tilde R > r$ ist. In dieser
|
||||
Situation ist klar, dass ich $f$ \emph{sofort} zu einer holom. Fkt. auf
|
||||
%$B_r(ρ) \subsetneq B_{\tilde R}(ρ)$ fortsetzen kann.
|
||||
eine holomorphe Funktion $f ∈ \sO(B_r(ρ))$. Dann schreibe ich $f$ als
|
||||
Potenzreihe mit Entwicklungspunkt $ρ$ und stelle fest, dass der
|
||||
Konvergenzradius $\tilde R > r$ ist. In dieser Situation ist \emph{sofort}
|
||||
klar, dass ich $f$ zu einer holomorphen Funktion auf der größeren Kreisscheibe
|
||||
$B_{\tilde R}(ρ)$ fortsetzen kann.
|
||||
|
||||
Falls $r = \tilde R$ ist, dann ist klar, dass ich $f$ niemals auf einer
|
||||
größeren Kreisscheibe fortsetzen kann!
|
||||
größeren Kreisscheibe fortsetzen kann. Es könnte aber sein, dass ich $f$ zu
|
||||
einer holomorphen Funktion auf einer offenen Menge $U$ fortsetzen kann, die
|
||||
zwar größer als $B_r(ρ)$ ist, aber keine Kreisschreiben um $\rho$ mit Radius
|
||||
$> r$ enthält.
|
||||
\end{bemerkung}
|
||||
|
||||
Das führt zu interessanten Situationen!
|
||||
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||||
\begin{center}
|
||||
\begin{tikzpicture}
|
||||
\draw (0,0) circle (1.5);
|
||||
\draw[dashed] (1.2,0.8) circle (1.2);
|
||||
\fill (0,0) circle (1.5pt);
|
||||
\end{tikzpicture}
|
||||
\end{center}
|
||||
|
||||
\section{Nullstellen von holomorphen Funktionen}
|
||||
|
||||
\begin{situation}
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||||
Sei $U ⊂ ℂ$ offen, sei $f ∈ O(U)$ und
|
||||
\[
|
||||
Z = \{ z ∈ U \mid f(z) = 0 \}.
|
||||
\]
|
||||
Die Menge $Z ⊂ U$ ist \emph{abgeg} abgeschlossen. Was können wir sonst noch
|
||||
sagen?
|
||||
\end{situation}
|
||||
|
||||
\begin{proberechnung}
|
||||
Sei $ρ ∈ Z$ und sei $\sum_{i=0}^∞ a_i(z-ρ)ⁱ$ $(*)$ die
|
||||
Potenzreihenentwicklung von $f$ im Punkt $ρ$, Konvergenzradius $= r$. Zwei
|
||||
Möglichkeiten:
|
||||
|
||||
\emph{Typ 1:} alle $a_i = 0$. Dann $∃ r > 0$, sodass $B_r(ρ) ⊂ U$ ist und
|
||||
$f|_{B_r(ρ)} \equiv 0$.
|
||||
|
||||
\emph{Typ 2:} nicht alle $i = 0$. Sei $n = \min \{ i \mid a_i ≠ 0 \}$, nenne
|
||||
$n$ die „Ordnung der Nullstelle". Schreibe
|
||||
% \begin{align*}
|
||||
% f(z) &= \st{$\sum_{i=n}^∞ a_i (z-ρ)ⁱ$} \\
|
||||
% &= (z-ρ)^n · \sum_{i=n}^∞ a_i (z-ρ)^{i-n} \\
|
||||
% &= \underbrace{\vphantom{\sum}(* *)}
|
||||
% \end{align*}
|
||||
\end{proberechnung}
|
||||
|
||||
\begin{rem}[nachrechnen]
|
||||
die Potenzreihe $(* *)$ hat ebenfalls Konvergenzradius $r$, definiert also
|
||||
Funktion $g ∈ O(B_r(ρ))$ die aber bei $ρ$ keine Nullstelle hat (… und in
|
||||
einer ausreichend kleinen Umgebung von $ρ$ ebenfalls nicht). Auf $B_r(ρ)$
|
||||
gilt die Gleichung
|
||||
\[
|
||||
f(z) = (z-ρ)^n · g(z)
|
||||
\]
|
||||
und $∃ ε > 0$: $Z ∩ B_ε(ρ) = \{ρ\}$.
|
||||
|
||||
Man sagt: $ρ$ ist eine isolierte Nullstelle von $f$.
|
||||
\end{rem}
|
||||
|
||||
\begin{rem}[Zusammenfassung]
|
||||
Kann die Menge $Z$ zerfallen
|
||||
\[
|
||||
Z = \underbrace{Typ 1}_{offen!} \quad \dot{∪} \quad Typ 2 \underbrace{\vphantom{Typ
|
||||
1}}_{\mathclap{\text{diskret: abg., jeder Punkt}}}
|
||||
\]
|
||||
\[
|
||||
\underbrace{\vphantom{Typ 1}}_{\mathclap{\text{hat $ε$-Umgebung, sodass kein
|
||||
weiterer Punkt in dieser Umg. liegt}}}
|
||||
\]
|
||||
|
||||
\emph{Konsequenz:} Die Menge der Typ 1 - Nullstellen ist offen \emph{und}
|
||||
abgeschlossen, also eine ganze Zusammenhangskomponente von $U$!
|
||||
\end{rem}
|
||||
|
||||
\subsection{Zwei unmittelbare Konsequenzen} \quad $f ∈ O(U)$
|
||||
|
||||
\begin{satz}
|
||||
Sei $U ⊂ ℂ$ offen und zusammenhängend. Dann äquivalent
|
||||
\begin{enumerate}
|
||||
\item $Z(f)$ ist nicht diskret. (= hat Häufungspunkt")
|
||||
\item $f \equiv 0$.
|
||||
\end{enumerate}
|
||||
\end{satz}
|
||||
|
||||
\begin{kor}
|
||||
Sei $U ⊂ ℂ$ offen und zusammenhängend, seien $f, g ∈ O(U)$. Dann äquivalent:
|
||||
\begin{enumerate}
|
||||
\item Die Menge $\{ z ∈ U \mid f(z) = g(z) \}$ ist nicht diskret (= hat
|
||||
Häufungspunkt")
|
||||
\item $f = g$.
|
||||
\end{enumerate}
|
||||
\end{kor}
|
||||
|
||||
\begin{bsp}
|
||||
$\exp: ℂ → ℂ$ ist die einzige holomorphe Funktion, die für reelle Zahlen mit
|
||||
der bekannten Exponentialfunktion übereinstimmt.
|
||||
\end{bsp}
|
||||
|
||||
\begin{kor}
|
||||
Es sei $U ⊂ ℂ$ zusammenhängend und offen, weiter sei $f ∈ O(U)$. Falls $|f|$
|
||||
ein maximum hat, dann ist $f$ konstant.
|
||||
\end{kor}
|
||||
|
||||
\begin{proof}
|
||||
Sei $ρ ∈ U$ ein Maximum. Wissen schon: $∃ ε > 0$:
|
||||
\[
|
||||
f|_{B_ε(ρ)} = \text{const.} \quad ⇒ \quad f - f(ρ) ∈ O(U) \text{ hat
|
||||
nicht-isolierte}
|
||||
\]
|
||||
Nullstelle, ist also konstant $= 0$.
|
||||
\end{proof}
|
||||
|
||||
% !TEX root = Funktionentheorie
|
||||
|
||||
123
07-nullstelle.tex
Normal file
123
07-nullstelle.tex
Normal file
@@ -0,0 +1,123 @@
|
||||
% spell checker language
|
||||
\selectlanguage{german}
|
||||
|
||||
\chapter{Nullstellen von holomorphen Funktionen}
|
||||
|
||||
Wir betrachten die folgende Situation.
|
||||
|
||||
\begin{situation}[Nullstellen von holomorphen Funktionen]\label{set:7-0-1}
|
||||
Es sei $U ⊂ ℂ$ offen, es sei $f ∈ \sO(U)$ holomorph und es sei
|
||||
\[
|
||||
Z = \{ z ∈ U \mid f(z) = 0 \}
|
||||
\]
|
||||
die Nullstellenmenge der Funktion $f$.
|
||||
\end{situation}
|
||||
|
||||
Weil holomorphe Funktionen stetig ist, ist klar, dass die Menge $Z$ eine
|
||||
abgeschlossene Teilmenge von $U$ ist. Aber was können wir sonst noch sagen?
|
||||
|
||||
|
||||
\section{Zwei Typen von Nullstellen}
|
||||
|
||||
In Situation~\ref{set:7-0-1} sei $ρ ∈ Z$ eine Nullstelle von $f$ und sei
|
||||
\begin{equation}\label{eq:7-2-0-1}
|
||||
\sum_{i=0}^∞ a_i(z-ρ)ⁱ
|
||||
\end{equation}
|
||||
die Potenzreihenentwicklung von $f$ im Punkt $ρ$. Der Konvergenzradius sei
|
||||
$r$. Dann gibt es zwei Möglichkeiten:
|
||||
\begin{description}
|
||||
\item[Nullstelle vom Typ 1] Alle Koeffizienten $a_i$ der
|
||||
Potenzreihe~\eqref{eq:7-2-0-1} sind
|
||||
gleich 0. Dann ist $f$ in einer Umgebung von $f$ konstant Null.
|
||||
|
||||
\item[Nullstelle vom Typ 2] Nicht alle Koeffizienten $a_i$ der
|
||||
Potenzreihe~\eqref{eq:7-2-0-1} sind gleich 0. Betrachte in diesem Fall den
|
||||
Index
|
||||
\[
|
||||
n := \min \{ i \::\: a_i ≠ 0 \}
|
||||
\]
|
||||
und nenne $n$ die ``Ordnung der Nullstelle $ρ$ von $f$''. Schreibe weiter
|
||||
\begin{align*}
|
||||
f(z) & = \sum_{i=n}^∞ a_i (z-ρ)ⁱ \\
|
||||
& = (z-ρ)^n · \sum_{i=n}^∞ a_i (z-ρ)^{i-n} \\
|
||||
& = (z-ρ)^n · \sum_{i=0}^∞ b_i (z-ρ)^{i-n},
|
||||
\end{align*}
|
||||
wobei $b_i := a_{n+i}$ ist. Man rechne nach, dass die Potenzreihe
|
||||
\[
|
||||
\sum_{i=0}^∞ b_i (z-ρ)^{i-n}
|
||||
\]
|
||||
ebenfalls Konvergenzradius $r$ hat, also eine Funktion $g ∈ \sO(B_r(ρ))$
|
||||
definiert, die aber bei $ρ$ \emph{keine} Nullstelle hat (… und in einer
|
||||
ausreichend kleinen Umgebung von $ρ$ ebenfalls nicht). Auf $B_r(ρ)$ gilt die
|
||||
Gleichung
|
||||
\[
|
||||
f(z) = (z-ρ)^n · g(z)
|
||||
\]
|
||||
und es gibt ein $ε > 0$, sodass $Z ∩ B_ε(ρ) = \{ρ\}$ ist. Man sagt: $ρ$
|
||||
ist eine isolierte Nullstelle von $f$.
|
||||
\end{description}
|
||||
|
||||
Zusammenfassung: Ich kann die Nullstellenmenge $Z$ aufteilen
|
||||
\[
|
||||
Z = \text{Typ 1} \: \cup \text{Typ 2}
|
||||
\]
|
||||
Dabei gilt Folgendes:
|
||||
\begin{itemize}
|
||||
\item Die Menge der Nullstellen vom Typ~2 ist eine abgeschlossene, diskrete
|
||||
Teilmenge von $U$.
|
||||
\item Die Menge der Nullstellen von Typ~1 ist offen.
|
||||
\item Die Menge der Punkte von $U$, an denen \emph{keine} Nullstelle vom Typ~1
|
||||
vorliegt, ist ebenfalls offen. Grund: Wenn $f$ bei $ρ$ überhaupt keine
|
||||
Nullstelle hat, dann hat $f$ als stetige Funktion auch in einer Umgebung von
|
||||
$\rho$ keine Nullstelle. Wenn $f$ bei $ρ$ eine Nullstelle vom Typ~2 hat, dann
|
||||
haben wir gesehen, dass $f$ in einer Umgebung von $\rho$ keine weitere
|
||||
Nullstelle hat.
|
||||
\end{itemize}
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In der Summe sehen wir: Die Menge Nullstellen vom Typ 1 ist offen \emph{und}
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abgeschlossen, also eine ganze Zusammenhangskomponente von $U$!
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\section{Identitätssatz und Maximumsprinzip}
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\begin{satz}
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In Situation~\ref{set:7-0-1} sei $U$ zusammenhängend. Dann sind die folgenden
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Aussagen äquivalent.
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\begin{enumerate}
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\item Die Nullstellenmenge $Z$ ist \emph{nicht} diskret. Äquivalent: die
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Nullstellenmenge $Z$ hat einen Häufungspunkt.
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\item Die Funktion $f$ ist konstant gleich $0$. \qed
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\end{enumerate}
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\end{satz}
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\begin{kor}[Identitätssatz für holomorphe Funktionen]\label{kor:7-2-2}
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\index{Identitätssatz}In Situation~\ref{set:7-0-1} sei $U$ zusammenhängend und
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es sei $g ∈ \sO(U)$ eine weitere holomorphe Funktion auf $U$. Dann sind die
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folgenden Aussagen äquivalent.
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\begin{enumerate}
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\item Die Menge
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\[
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\{ z ∈ U \mid f(z) = g(z) \}
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\]
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ist \emph{nicht} diskret. Äquivalent: die Menge hat einen Häufungspunkt.
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\item Die Funktionen $f$ und $g$ sind gleich.
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\end{enumerate}
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\end{kor}
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\begin{bsp}[Eindeutigkeit der Exponentialfunktion]
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Die Funktion $\exp: ℂ → ℂ$ ist die einzige holomorphe Funktion auf $\bC$, die
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für reelle Zahlen mit der bekannten Exponentialfunktion übereinstimmt.
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\end{bsp}
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\begin{kor}[Maximumsprinzip]
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In Situation~\ref{set:7-0-1} sei $U$ zusammenhängend. Falls $|f|$ ein Maximum
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hat, dann ist $f$ konstant.
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\end{kor}
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\begin{proof}
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\index{Maximumprinzip}Es sei $ρ ∈ U$ ein Maximum von $|f|$. Nach
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Satz~\ref{satz:5-2-3} (``Starkes Maximumprinzip'') wissen wir schon: es gibt
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ein $ε > 0$, sodass $f|_{B_ε(ρ)}$ konstant ist. Nach dem Identitätssatz,
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Korollar~\ref{kor:7-2-2}, ist $f$ dann aber auf ganz $U$ konstant.
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\end{proof}
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% !TEX root = Funktionentheorie
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@@ -144,6 +144,7 @@ Link in den Text ein.
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\input{05-cauchy}
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\input{06-potenz}
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\input{07-nullstelle}
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\addchap{Lizenz}
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