AlgebraZahlentheorie/17.tex

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\chapter{Grundbegriffe}
\label{chap:17}
Ich hatte oben geschrieben „[Der Hauptsatz der Galoistheorie] reduziert die
Frage nach Zwischenkörpern auf ein gruppentheoretisches Problem“. Also befasst
sich der laufende Teil der Vorlesung mit gruppentheoretischen Problemen. Um die
vorgesehene Stoffmenge in diesem verkürzten Semester unterzubringen, werde ich
mich oft kurzfassen und auch einige Beweise weglassen. Ich hoffe, Sie sehen mir
das nach.
\begin{defn}[Ordnung einer Gruppe]
Es sei $G$ eine Gruppe. Die Anzahl der Elemente von $G$ heißt \emph{Ordnung}
von $G$ und wird mit dem Symbol $|G|$ oder $\#G$ bezeichnet.
\end{defn}
\section{Gruppenwirkungen}
Ich beginne mit einem Kapitel über die wesentlichen Grundbegriffe, obwohl Sie
vieles von dem Stoff vermutlich schon kennen. Einige der folgenden Sätze haben
wir in der einen oder anderen Form im Laufe der Vorlesung auch schon verwendet.
\begin{defn}[Gruppenwirkung]\label{defn:gruppenwirkung}
Es sei $(G, ·)$ eine Gruppe und es sei $M$ eine Menge. Eine
\emph{Wirkung}\index{Wirkung}\index{Gruppenwirkung} oder
\emph{Operation}\index{Operation} von $G$ auf $M$ ist eine Abbildung
\[
α : G M → M,
\]
sodass Folgendes gilt.
\begin{enumerate}
\item\label{Def_Operation_Aussage_1} Es sei $e ∈ G$ das neutrale Element.
Dann gilt für alle $m ∈ M$ die Gleichung $α(e,m) = m$.
\item\label{Def_Operation_Aussage_2} Es seien $g$ und $h$ in $G$ zwei
Elemente. Dann gilt für alle $m ∈ M$ die Gleichung
$α \bigl(h, α(g,m)\bigr) = α(h· g,m)$.
\end{enumerate}
Gegeben ein Element $g ∈ G$, so wird die zugehörige Abbildung
\[
α_g : M → M, \quad m ↦ α(g,m)
\]
als \emph{Translationsabbildung}\index{Translationsabbildung!einer
Gruppenwirkung} des Elementes $g$ bezeichnet.
\end{defn}
\begin{notation}
Wenn klar ist, von welcher Gruppe, welcher Menge und welcher Wirkung die Rede
ist, schreibt man statt $α(g,m)$ häufig einprägsam $g·m$.
\end{notation}
\begin{beobachtung}[Gruppenwirkungen und Morphismen in die Permutationsgruppe]\label{beo:mup}
In der Situation aus Definition~\ref{defn:gruppenwirkung} erhalten wir eine
Abbildung von $G$ in die Permutationsgruppe von $M$, also die Gruppe der
bijektiven Abbildungen $M → M$
\[
φ_α : G → \text{Permutationen von } M, \quad g ↦ α_g.
\]
Mit dieser Notation ist Eigenschaft~\ref{Def_Operation_Aussage_1} äquivalent
zu der Aussage, dass $φ_α(e) = \Id_M$ ist.
Eigenschaft~\ref{Def_Operation_Aussage_1} ist äquivalent zu der Aussage, dass
für alle $g$ und $h$ aus $G$ die Gleichung $φ_α(h·g) = φ_α(h)◦ φ_α(g)$ ist.
Mit anderen Worten, $φ_α$ ist ein Gruppenmorphismus.
Umgekehrt kann ich zu jeden Gruppenmorphismus
\[
ψ : G → \text{Permutationen von } M
\]
mithilfe von
\[
β_ψ : G M → M, \quad (g,m)\bigl(ψ(g)\bigr)(m)
\]
eine Gruppenwirkung definieren. Rechnen Sie sofort nach, das $β_ψ$
tatsächlich eine Gruppenwirkung ist und beweisen Sie, dass ich auf diese Weise
eine Bijektion zwischen der Menge der Gruppenwirkungen und der Menge der
Gruppenmorphismen erhalte.
\end{beobachtung}
\begin{defn}[(In)effektivität, Treue]
Gegeben sei eine Gruppenwirkung $α : G M → M$ wie in
Definition~\ref{defn:gruppenwirkung}. Der Kern des Gruppenmorphismus $φ_α$
aus Beobachtung~\ref{beo:mup} heißt \emph{Ineffektivität} der Gruppenwirkung.
Die Gruppenwirkung heißt \emph{treu}\index{treue Gruppenwirkung} oder
\emph{effektiv}\index{effektive Gruppenwirkung}, wenn der Gruppenmorphismus
$φ$ aus Beobachtung~\ref{beo:mup} injektiv ist.
\end{defn}
\begin{bsp}[Matrix-Vektor-Multiplikation]
Es sei $K$ ein Körper und es sei $n ∈ $ eine Zahl. Die Gruppe $\GL_n(K)$
operiert mithilfe der Matrix-Vektor-Multiplikation treu auf dem Vektorraum
$K^n$.
\end{bsp}
\begin{bsp}[Wirkung der Galoisgruppe]
Es sei $K$ ein Körper und es sei $f ∈ K[x]$ ein Polynom. Dann operiert die
Galoisgruppe $G(f)$ auf dem Zerfällungskörper $L$ von $f$, aber auch auf der
Menge der Nullstellen oder der Menge der Zwischenkörper von $L/K$.
\end{bsp}
\begin{bsp}[Dynamische Systeme]
Es sei $\vec{v} : ℝ² → ℝ²$ ein $\cC^{}$-Vektorfeld. Wir fassen $\vec{v}$ als
Differenzialgleichung auf: gegeben ein Punkt $p ∈ ℝ²$, so suchen wir
Abbildungen $γ_p : → ℝ²$, so folgendes gilt:
\begin{itemize}
\item Es ist $γ_p(0) = p$ und
\item für alle $t ∈ $ ist $γ'_p(t) = \vec{v}(γ_p(t))$.
\end{itemize}
Der Einfachheit halber nehmen wir einmal an, dass Funktionen $γ_p$ mit der
gewünschten Eigenschaft existieren -- der Satz von
Picard\footnote{\href{https://de.wikipedia.org/wiki/Emile_Picard}{Charles
Émile Picard} (* 24.~Juli 1856 in Paris; † 11.~Dezember 1941 ebenda) war ein
französischer
Mathematiker.}-Lindelöf\footnote{\href{https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Leonard_Lindelöf}{Ernst
Leonard Lindelöf} (* 7.~März 1870 in Helsingfors (Helsinki), Großfürstentum
Finnland; † 4.~Juni 1946 in Helsinki) war ein finnischer Mathematiker.} sagt
ihnen unter anderem, dass die $γ_p$ dann auch eindeutig sind. Dann erhalten
wir durch die Vorschrift
\[
γ : ℝ² → ℝ², \quad (t, p)γ_p(t)
\]
eine Wirkung der Gruppe $(, +)$ auf $ℝ²$.
\end{bsp}
\subsection{Bahnen und Fixpunkte}
Gruppenwirkungen sind fundamental und treten in jedem Teilbereich der Mathematik
prominent auf. Deshalb gibt es auch unendliche viele Definitionen und
Begriffsbildungen rund um dieses Konzept. Ich beschränke mich hier auf die
Wesentlichsten.
\begin{defn}[Bahn und Fixpunkt]
Es sei $α : G M → M$ die Wirkung einer Gruppe $G$ auf einer Menge $M$. Weiter
sei ein Element $m ∈ M$ gegeben. Die Menge $G· m := \{g· m\::\: g∈ G\}$ wird
\emph{Bahn}\index{Bahn} oder \emph{Orbit}\index{Orbit} von $G$ durch $m$
genannt. Falls $G·m = \{m\}$ ist, dann nennt man $m$ einen \emph{Fixpunkt}
der Gruppenwirkung.
\end{defn}
\begin{bsp}
Betrachte die Ebene $ℝ²$. Die Gruppe $G = (,+)/(2π·ℤ)$ wirkt durch Drehungen
um den Nullpunkt auf die Ebene. Der Nullpunkt ist ein Fixpunkt. Die Bahnen
dieser Wirkung sind der Nullpunkt und die Kreise um den Nullpunkt.
\end{bsp}
\begin{beobachtung}
Eine Gruppe $G$ wirke auf einer Menge $M$. Beweisen Sie als Hausaufgabe die
folgenden elementaren Aussagen: gegeben zwei Punkte $m_1, m_2∈ M$, dann sind
die Bahnen $G·m_1$ und $G·m_2$ entweder gleich oder disjunkt. Folgern Sie,
dass $M$ ist die disjunkte Vereinigung der Bahnen ist, und das die Relation
„hat dieselbe Bahn wie“ eine Äquivalenzrelation auf $M$ ist. Die Menge der
Bahnen (= der Quotient unter dieser Äquivalenzrelation) wird als
\emph{Bahnenraum}\index{Bahnenraum} bezeichnet. Wenn die Gruppenwirkung klar
ist, wird der Bahnenraum oft mit $M/G$ bezeichnet.
\end{beobachtung}
\begin{defn}[Transitive Wirkung]
Es sei $α : G M → M$ die Wirkung einer Gruppe $G$ auf einer Menge $M$. Man
nennt die Wirkung \emph{transitiv}\index{transitive Wirkung}, falls es nur
eine einzige Bahn gibt.
\end{defn}
\begin{beobachtung}
Eine Gruppenwirkung $α : G M → M$ ist genau dann transitiv, wenn für alle
Paare $a$, $b ∈ M$ ein Gruppenelement $g∈ G$ gibt, sodass die Gleichung
$a = g·b$ gilt.
\end{beobachtung}
\begin{bsp}
Die natürliche Wirkung der Gruppe $\GL_2()$ auf $ℝ²$ ist nicht transitiv.
Die Wirkung der Gruppe $\GL_2()$ auf $ℝ² \{ \vec{0} \}$ ist transitiv.
\end{bsp}
\subsection{Isotropie und Stabilisator}
Die Isotropiegruppe eines Punktes, die wir jetzt gleich definieren werden, ist
ein Maß dafür, wie sehr ein Punkt davon entfernt ist, ein Fixpunkt zu sein.
Statt nur einzelne Punkte zu betrachten, definiere ich die Isotropiegruppe
gleich für Untermengen statt für Punkte.
\begin{defn}[Isotropie und Stabilisator]\label{def:ius}%
Es sei $α : GM → M$ die Wirkung einer Gruppe $G$ auf einer Menge $M$. Weiter
sei $N ⊆ M$ eine Teilmenge. Gegeben ein Element $g ∈ G$, so schreiben wir
kurz
\[
g·N := \{ g·n \::\: n ∈ N \}.
\]
\begin{itemize}
\item Die Untergruppe
\[
\Iso(N) := \{ g ∈ G \::\: \forall n ∈ N: g·n = n \} ⊆ G
\]
als \emph{Isotropie}\index{Isotropie} der Menge $N$ bezeichnet.
\item Die Untergruppe
\[
\Stab(N) := \{ g ∈ G \::\: g·N = N \} ⊆ G
\]
wird als \emph{Stabilisator}\index{Stabilisator} der Menge $N$ bezeichnet.
\end{itemize}
\end{defn}
\begin{notation}\label{not:17.1.5}%
Im Fall, dass die Menge $N$ aus Definition~\ref{def:ius} nur aus einem Element
besteht, $N = \{m\}$, gilt $\Stab(N) = \Iso(N)$. In diesem Fall schreibt man
statt $\Iso(\{m\})$ häufig kurz $\Iso(m)$.
\end{notation}
\begin{bemerkung}
In der Situation von Definition~\ref{def:ius} gilt für jedes Element
$g ∈ \Stab(N)$ per Definition die Inklusion $φ_g(N) ⊆ N$ --- dabei bezeichnet
$φ_g$ wieder die zu $g$ gehörende Translationsabbildung. Überlegen Sie sich,
dass tatsächlich die Gleichheit $φ_g(N) = N$ gilt.
\end{bemerkung}
\begin{bemerkung}
In der älteren deutschen Literatur findet man statt „Isotropiegruppe“ oft auch
das Wort „Standgruppe“, was heute als anzüglich empfunden wird.
\end{bemerkung}
\begin{bsp}
Es sei $L/K$ eine Galoiserweiterung mit Galoisgruppe $G$. Dann wirkt $G$ auf
der Menge $L$; die Wirkung ist gegeben durch
\[
G L → L, \quad (σ, z)σ(z).
\]
Mit dieser Wirkung gilt für jeden Zwischenkörper $Z$ die Gleichung
$\Gal(L/Z) = \Iso(Z)$.
\end{bsp}
\subsection{Linksmultiplikation, Rechtsmultiplikation, Konjugation}
Bei der Untersuchung von (endlichen) Gruppen interessiert man sich ganz
besonders für Wirkungen, bei denen eine gegebene Gruppe auf sich selbst wirkt.
Ich nenne drei besonders relevante Beispiele.
\begin{bsp}[Linksmultiplikation, Rechtsmultiplikation]
Es sei $G$ eine Gruppe. Dann werden durch die Vorschriften
\[
G G → G, \quad (g,h) ↦ g· h %
\quad \text{und} \quad %
G G → G, \quad (g,h) ↦ h· g^{-1}
\]
zwei treue Wirkungen von $G$ auf sich selbst definiert, die
\emph{Linksmultiplikation}\index{Linksmultiplikation} und
\emph{Rechts\-multiplikation}\index{Rechtsmultiplikation} genannt werden.
\end{bsp}
\begin{frage}
Warum schreibe ich bei der Definition der Rechtsmultiplikation statt
$h·g^{-1}$ nicht einfach $h·g$? Ist doch viel einfacher.
\end{frage}
\begin{bsp}[Konjugation von Elementen]\label{bsp:konju}
Es sei $G$ eine Gruppe, dann wird durch die Vorschrift
\[
G G → G, \quad (g,h) ↦ g· h·g^{-1}
\]
eine Wirkung von $G$ auf sich selbst definiert, die
\emph{Konjugationswirkung}\index{Konjugationswirkung} genannt wird. Die
Bahnen dieser Wirkung werden
\emph{Konjugationsklassen}\index{Konjugationsklassen} genannt.
\end{bsp}
\begin{bsp}
Finden Sie sofort ein Beispiel für eine Gruppe, bei der die
Konjugationswirkung auf $G$ treu ist! Finden Sie sofort ein Beispiel für eine
Gruppe, bei der diese Wirkung nicht treu ist, sondern trivial!
\end{bsp}
Die Konjugationswirkung ist natürlich besonders wichtig. Die relevanten
Isotropie- und Stabilisatorgruppen haben deshalb besondere Namen.
\begin{defn}[Zentralisator]
Es sei $G$ eine Gruppe. Wir betrachten die Konjugationswirkung von $G$ auf
sich selbst. Gegeben eine Teilmenge $M ⊂ G$, dann wird die Untergruppe
$\Iso(M) ⊆ G$ auch als \emph{Zentralisator}\index{Zentralisator} von $M$
bezeichnet. Die Untergruppe $\Iso(G) ⊆ G$ wird als \emph{Zentralisator von
$G$} oder \emph{Zentrum von $G$}\index{Zentrum} bezeichnet.
\end{defn}
\begin{beobachtung}
Ein Element $g ∈ G$ liegt genau dann im Zentralisator von $M$, wenn es mit
jedem Element aus $M$ kommutiert. In anderen Worten, wenn für jedes Element
$m ∈ M$ die Gleichung $g·m = m·g$ gilt. Ein Element $g ∈ G$ liegt genau dann
im Zentralisator von $G$, wenn es mit jedem Element kommutiert.
\end{beobachtung}
Neben der Konjugation von einzelnen Elementen betrachtet man in der
Gruppentheorie häufig auch noch die induzierte Konjugationswirkung auf der Menge
der Untergruppen. Die folgende Definition macht das präzise.
\begin{bsp}[Konjugation von Untergruppen]\label{bsp:konUG}
Es sei $G$ eine Gruppe, dann wird durch die Vorschrift
\[
G \bigl\{ \text{Untergruppen von }G \bigr\}\bigl\{ \text{Untergruppen
von }G \bigr\}, \quad (g,H) ↦ g· H·g^{-1}
\]
eine Wirkung von $G$ auf der Menge aller Untergruppen definiert. Diese wird
ebenfalls als \emph{Konjugationswirkung}\index{Konjugationswirkung}
bezeichnet. Eine Untergruppe $N ⊆ G$ ist genau dann normal, wenn
$N ∈ \{ \text{Untergruppen} \}$ ein Fixpunkt dieser Wirkung ist.
\end{bsp}
\begin{defn}[Normalisator einer Untergruppe]\label{defn:normalisator}
Es sei $G$ eine Gruppe und $U ⊆ G$ sei eine Untergruppe. Betrachte die
Konjugation von Untergruppen aus Beispiel~\ref{bsp:konUG}. Dann wird die
Untergruppe $\Iso(U)$ als \emph{Normalisator von $U$}\index{Normalisator}
bezeichnet. Die Bezeichnung $N(U)$ ist üblich.
\end{defn}
\begin{achtung}
In Definition~\ref{defn:normalisator} wirkt die Gruppe $G$ auf die Menge
\[
M := \bigl\{ \text{Untergruppen von } G \bigr\}.
\]
Die Untergruppe $U$ ist hier ein \emph{Element} der Menge $M$. Also ist
$\Iso(U)$ gemäß Notation~\ref{not:17.1.5} zu verstehen!
\end{achtung}
\begin{bemerkung}
In der Situation aus Definition~\ref{defn:normalisator} ist $N(U)$ stets eine
Obergruppe von $U$; wir erhalten also eine Kette von Untergruppen $U ⊆ N(U)
G$. Überlegen Sie sich, dass die Gruppe $U$ stets eine normale Untergruppe
von $N(U)$ ist. Überlegen Sie sich auch, dass die Untergruppe $N(U)$ die
eindeutige, maximale Zwischengruppe mit dieser Eigenschaft ist. Was meine ich
mit „eindeutig, maximal“ eigentlich ganz genau?
\end{bemerkung}
\section{Die Bahnengleichung}
\sideremark{Vorlesung 19}Wenn eine Gruppe auf eine Menge wirkt, dann gibt es
natürlich einen Zusammenhang zwischen der Größe der Bahn und der Größe der
Isotropiegruppe. Der folgende Satz quantifiziert das.
\begin{satz}[Bahnengleichung]\label{Satz_Seite_156_und_157}
Sei $G$ eine endliche Gruppe, die auf einer Menge $M$ operiert. Weiter sei
$m ∈ M$. Dann gilt die folgende Gleichung,
\begin{equation*}
|G| = |\Iso(m)|·|G·m|.
\end{equation*}
\end{satz}
\begin{proof}
Betrachte die Abbildung
\[
φ : G → G·m, \quad g ↦ g·m.
\]
Jedes Element von $G$ liegt genau in einer Faser. Also ist
\[
|G| = \sum_{n ∈ G·m}^{-1}(n)|.
\]
Wir rechnen die Größe der Fasern einfach aus. Gegeben ein Element $h·m$ der
Bahn, dann gilt für jedes Gruppenelement $g ∈ G$:
\begin{align*}
g ∈ φ^{-1}(h·m) & ⇔ g·m = h· m \\
& ⇔ h^{-1}· g· m = m \\
& ⇔ (h^{-1} · g)∈ \Iso(m) \\
& ⇔ g∈ h· \Iso(m).
\end{align*}
Also ist $φ^{-1}(h·m) =\Iso(m)$. Diese Gruppe enthält aber genau so viele
Elemente wie $\Iso(m)$.
\end{proof}
Wir hatten in Beobachtung~\vref{obs:Index} schon den Begriff des „Indexes einer
Untergruppe“ eingeführt. Ich wiederhole das noch einmal.
\begin{bsp}[Linksmultiplikation und Rechtsnebenklassen]
Sei $G$ eine Gruppe und $U⊂ G$ eine Untergruppe, dann operiert $U$ auf $G$
durch Linksmultiplikation. Die Bahn eines Elements $g ∈ G$ unter dieser
Operation, $U· g = \{u· g \::\: u∈ U\}$ heißt
\emph{Rechtsnebenklasse}\index{Rechtsnebenklasse} von $g$ modulo $U$. Die
Menge der Rechtsnebenklassen wird mit $\ifactor{U}{G}$ bezeichnet, die Anzahl
der Rechtsnebenklassen heißt \emph{Index}\index{Index der Untergruppe $U ⊆ G$}
und wird in der Literatur mit $[G:U]$ bezeichnet.
\end{bsp}
\begin{bemerkung}
In der Literatur wird der Index manchmal auch mit Rechtsmultiplikation und
Linksnebenklassen eingeführt. Diese Definition stimmen überein!
\end{bemerkung}
Für den Fall der Linksmultiplikation wird die Bahnengleichung auch als Satz von
Lagrange\footnote{\href{https://de.wikipedia.org/wiki/Joseph-Louis_Lagrange}{Joseph-Louis
de Lagrange} (* 25. Januar 1736 in Turin als Giuseppe Lodovico Lagrangia; †
10. April 1813 in Paris) war ein italienischer Mathematiker und Astronom.}
bezeichnet.
\begin{satz}[Satz von Lagrange]\label{Satz_Kleiner_Fermatscher_Satz}
Es sei $G$ eine endliche Gruppe und es sei $U ⊂ G$ eine Untergruppe. Dann ist
$|G| = [G:U]·|U|$.
\end{satz}
\begin{proof}
Die Gruppe $G$ wirkt wie folgt auf der Menge $U\backslash G$ der
Rechtsnebenklassen,
\[
G \Bigl( \ifactor{U}{G} \Bigr)\ifactor{U}{G}, \quad (g, U·h)
U·hg^{-1}.
\]
Überlegen Sie sich, dass dies tatsächlich eine (wohldefinierte!)
Gruppenwirkung ist, dass diese Wirkung transitiv ist und dass $\Iso(U·e)=U$
ist. Der Satz von Lagrange folgt dann sofort aus der Bahnengleichung,
Satz~\vref{Satz_Seite_156_und_157}.
\end{proof}
\begin{bemerkung}
Interessant ist wieder die Operation der Gruppe $G$ auf sich selbst durch
Konjugation. Wenn $h ∈ G$ ist, dann gilt nach der Bahnengleichung die
Gleichheit
\begin{equation*}
|\{ ghg^{-1} \::\: g∈ G \}| = [G : \Zentralisator(h)].
\end{equation*}
Die Anzahl der Elemente in einer Konjugationsklasse ist stets ein Teiler der
Gruppenordnung $|G|$. Wenn jetzt $h_1, …, h_n∈ G$ ein vollständiges
Repräsentantensystem für die Konjugationsklassen in $G$ sind, dann ist $G$ die
disjunkte Vereinigung dieser Konjugationsklassen, und deshalb gilt die
\emph{Klassengleichung}\index{Klassengleichung}
\begin{equation}\label{eq_Klassengleichung_I}
|G| = \sum_{i=1}^{n} [G : \Zentralisator(h_i)].
\end{equation}
Manchmal schreibt man die Klassengleichung auch anders. Dazu beobachte man,
dass die Elemente des Zentrums $\Zentralisator(G)$ exakt diejenigen Elemente
sind, deren Konjugationsklassen nur aus einem Element bestehen. Also gilt
\begin{equation}\label{eq_Klassengleichung_II}
|G| = |\Zentralisator(G)| + \sum_{\genfrac{}{}{0pt}{1}{h_i \text{ mit}}{[G:\Zentralisator(h_i)]>1}} [G:\Zentralisator(h_i)]
\end{equation}
\end{bemerkung}
\section{Restklassengruppen}
„Restklassengruppen“ oder „Gruppenquotienten“ kennen wir schon lange. Der
lieben Vollständigkeit halber zähle ich die wesentlichen Eigenschaften noch
einmal auf. Alle Beweise sollten Ihnen bekannt sein… Wie immer gilt es, eine
elegante universelle Eigenschaft formulieren.
\begin{defn}[Restklassengruppen]
Es sei $G$ eine Gruppe und $N ⊂ G$ sei eine normale Untergruppe. Eine
\emph{Restklassengruppe}\index{Restklassengruppe} oder
\emph{Gruppenquotient}\index{Gruppenquotient} ist eine Gruppe $Q$ zusammen mit
einem Gruppenmorphismus $q : G → Q$, sodass $\ker q = N$ ist und so, dass
folgende universelle Eigenschaft gilt. Wenn ein Gruppenmorphismus $α : G → H$
mit $N ⊂ \ker α$ gegeben ist, dann existiert genau ein Gruppenmorphismus $β :
Q → H$, sodass das folgende Diagramm kommutiert,
\[
\begin{tikzcd}
G \ar[r, "q"] \ar[d, equal] & Q \ar[d, "β"] \\
G \ar[r, "α"'] & H
\end{tikzcd}
\]
\end{defn}
Wie immer folgt aus der universellen Eigenschaft, dass Restklassengruppen
eindeutig sind bis auf kanonische Isomorphie, falls sie überhaupt existieren.
\begin{satzdef}[Existenz von Restklassengruppen]
Es sei $G$ eine Gruppe und des sei $N ⊂ G$ eine normale Untergruppe. Dann
lässt sich auf der Menge der Linksnebenklassen,
\[
\factor{G}{N} = \{g· N \::\: g∈ G\}
\]
auf genau eine Weise eine Gruppenstruktur erklären, sodass die
Quotientenabbildung
\begin{equation*}
q : G → \factor{G}{N}, \quad g ↦ g· N
\end{equation*}
ein Gruppenmorphismus ist. Dies ist dann automatisch ein Gruppenquotient.
\qed
\end{satzdef}
\begin{satz}[Homomorphiesatz für Gruppen]
Es sei $α : G → H$ ein surjektiver Gruppenmorphismus. Dann ist $\ker(α)$
normal und $H ≅ G/\ker α$. \qed
\end{satz}
\begin{satz}[Normale Untergruppen unten und oben]\label{Satz_Seite_160}
Es sei $α : G → H$ ein Gruppenmorphismus. Dann gilt Folgendes.
\begin{enumerate}
\item\label{Satz_Seite_160_Aussage_1} Das Bild einer Untergruppe von $G$ ist
eine Untergruppe von $H$ und das Urbild einer Untergruppe von $H$ ist eine
Untergruppe von $G$.
\item\label{Satz_Seite_160_Aussage_2} Das Urbild eines Normalteilers von $H$
ist ein Normalteiler von $G$ und das Bild eines Normalteilers von $G$ ist
ein Normalteiler in $H$, wenn $α$ surjektiv ist.
\end{enumerate}
\end{satz}
\begin{proof}
Sehr ähnlich zum analogen Satz für Ideale,
Satz~\vref{Satz_Ringmorphismus_Eigenschaften}. \qed
\end{proof}
\begin{beobachtung}\label{beo:xx}
Es sei $G$ eine Gruppe und es sei $N ⊂ G$ eine normale Untergruppe. Weiter
sei $U ⊂ G$ irgendeine Untergruppe. Dann ist
\[
U· N =\{u· n \::\: u∈ U, n∈ N\}
\]
wieder eine Untergruppe. Zum Beweis müssen wir lediglich zeigen, dass $U·N$
abgeschlossen unter der Gruppenoperation ist. Mit anderen Worten, wir müssen
zeigen, dass für alle $n_1$, $n_2 ∈ N$ für alle $u_1$, $u_2 ∈ U$ die Inklusion
\begin{equation*}
(u_1· n_1)· (u_2· n_2) ∈ U· N
\end{equation*}
gilt. Wir wissen, dass $N$ normal ist. Also ist
$\widetilde{n_1} := u_2^{-1} n_1u_2 ∈ N$ und es gilt
$n_1u_2=u_2\widetilde{n_1}$. Demnach ist
\begin{equation*}
u_1n_1u_2n_2=u_1u_\widetilde{n_1}n_2∈ U· N.
\end{equation*}
Fertig ist der Beweis. Man beachte: wenn $N$ nicht normal ist, ist diese
Beobachtung im Allgemeinen ganz falsch!
\end{beobachtung}
Dank Beobachtung~\ref{beo:xx} ergeben die folgenden Sätze Sinn.
\begin{satz}[Erster Noetherscher Isomorphiesatz]\label{Satz_Erster_Noetherscher_Isomorphiesatz}
Es sei $G$ eine Gruppe und es sei $N ⊂ G$ eine normale Untergruppe. Weiter
sei $U ⊂ G$ irgendeine Untergruppe. Dann induziert der die komponierte
Abbildung
\begin{equation*}
\begin{tikzcd}
U \ar[r, hook] & G \ar[r, "q"] & \factor{G}{N}
\end{tikzcd}
\end{equation*}
einen Isomorphismus $U/(U∩N)(U·N)/N$. \qed
\end{satz}
\begin{satz}[Zweiter Noetherscher Isomorphiesatz]\label{Satz_Zweiter_Noetherscher_Isomorphiesatz}
Es sei $G$ eine Gruppe und es seien $N_2 ⊂ N_1⊂ G$ zwei Normalteiler. Dann
ist $N_1/N_2$ normal in $G/N_2$ und
\begin{equation*}
\factor{ \factor{G}{N_2} }{ \factor{N_1}{N_2} }\factor{G}{N_1}. \eqno \qed
\end{equation*}
\end{satz}
\section{Zyklische Gruppen und die Ordnung von Elementen}
Die Diskussion in diesem Kapitel ist recht ähnlich zur Diskussion des
Primkörpers eines Körpers. Die vielleicht einfachste Gruppe ist $(,+)$. Die
Untergruppen von $$ sind leicht zu bestimmen. Wenn nämlich $U ⊂ $ eine
Untergruppe ist, dann ist für alle $n∈$ und für alle $u ∈ U$
\begin{equation*}
n·u=\underbrace{u+\dots+u}_{n}∈ U.
\end{equation*}
Analog für negative $n$. Also ist $U$ ein Ideal und deshalb von der Form
$U= (α)$.
\begin{beobachtung}\label{beob:lx}
Es sei $G$ eine Gruppe und es sei $g∈ G$ ein Element. Dann existiert genau
ein Gruppenmorphismus $ζ : → G$ mit $ζ(1) = g$. Für positive Zahlen $n$ ist
\begin{equation*}
ζ(n) = \underbrace{g ⋯ g}_{n},
\end{equation*}
für negative Zahlen analog.
\end{beobachtung}
\begin{defn}[Zyklische (Unter)gruppe, primitives Element]
Es sei $G$ eine Gruppe.
\begin{itemize}
\item Gegeben ein Element $g ∈ G$, sei $ζ$ die Abbildung aus
Beobachtung~\ref{beob:lx}. Das Bild von $ζ$ heißt die \emph{von $g$
erzeugte zyklische Untergruppe}\index{Zyklische Untergruppe}. Das Bild
von $ζ$ wird oft $(g)$ geschrieben.
\item Die Gruppe $G$ heißt \emph{zyklisch}\index{zyklische Gruppe}, wenn ein
$g∈ G$ existiert, sodass $G = (g)$ ist. Man nennt $g$ dann ein
\emph{primitives Element von $G$}\index{primitives Element einer zyklischen
Gruppe}.
\end{itemize}
\end{defn}
\begin{bemerkung}
Eine zyklische Gruppe ist also entweder isomorph zu $(,+)$ oder zu einer
endlichen Gruppe der Form $/(n)$.
\end{bemerkung}
\begin{defn}[Ordnung von Gruppenelementen]\label{def:orge}
Es sei $G$ eine Gruppe und $g∈ G$ sei ein Element. Die \emph{Ordnung von
$g$}\index{Ordnung!eines Gruppenelements} ist die Ordnung der Gruppe $(g)$.
\end{defn}
\begin{bemerkung}
In der Situation von Definition~\ref{def:orge} ist die Ordnung von $g$
entweder $$ oder $n ∈ $, wobei $n$ die kleinste Zahl mit $g^n=e$ ist.
\end{bemerkung}
\begin{satz}\label{Satz_Seite_163}
Es sei $G$ eine Gruppe und es sei $g ∈ G$ ein Element.
\begin{enumerate}
\item\label{Satz_Seite_163_Aussage_1} Gilt $g^m=e$ für ein $m ∈ $, dann ist
die Ordnung von $g$ ein Teiler von $m$.
\item\label{Satz_Seite_163_Aussage_2} Wenn die Ordnung von $g$ gleich $m$ ist
und $n ∈ $ irgendeine weitere Zahl, dann hat $g^n$ die Ordnung
$m/ \ggT(n,m)$. Insbesondere gilt Folgendes.
\begin{itemize}
\item Die Ordnung von $g^n$ ist gleich $m$, falls $\ggT(n,m)=1$ ist.
\item Die Ordnung von $g^n$ ist gleich $m/n$, falls $n$ ein Teiler von $m$
ist. \qed
\end{itemize}
\end{enumerate}
\end{satz}
\begin{beobachtung}\label{beo:pe}
Es sei $G$ zyklisch der Ordnung $m$ und es sei $g ∈ G$ ein primitives Element.
Dann folgt aus Satz~\ref{Satz_Seite_163}, dass die Menge der primitiven
Elemente sind exakt die folgende Menge ist,
\begin{equation*}
\{ g^a \::\: 1 ≤ a ≤ m: \ggT(a,m)=1\}.
\end{equation*}
\end{beobachtung}
Die Größe der Menge aus Beobachtung~\ref{beo:pe} ist eine Zahl, die später bei
der Beantwortung der Frage nach der Konstruierbarkeit des regulären $n$-Ecks
noch sehr wichtig wird. Die Abbildung, die jeder Zahl $n$ die Anzahl der
primitiven Elemente von $/(n)$ zuordnet, wird
Eulersche\footnote{\href{https://de.wikipedia.org/wiki/Leonhard_Euler}{Leonhard
Euler} (lateinisch Leonhardus Eulerus; * 15.~April 1707 in Basel; † 7.~September
1783 in Sankt Petersburg) war ein Schweizer Mathematiker, Physiker, Astronom,
Geograf, Logiker und Ingenieur.} $φ$-Funktion genannt.
\begin{defn}[Eulersche $φ$-Funktion]
Man nennt die Funktion
\begin{equation*}
φ : , \quad m ↦ \# \{a∈ \::\: 1≤ a≤ m: \ggT(a,m) = 1\}
\end{equation*}
die \emph{Eulersche $φ$-Funktion}\index{Eulersche $φ$-Funktion}.
\end{defn}
\begin{bsp}
Jede Gruppe, deren Ordnung eine Primzahl ist, ist zyklisch. Abgesehen von dem
neutralen Element sind alle Elemente primitiv.
\end{bsp}
\begin{bsp}[Einheitswurzeln]\label{bsp:ehw}%
Die Menge der $n$.ten Einheitswurzeln,
\[
\Bigl\{ e^{\frac{2π i}{n}· a} \::\: 0≤ a< n\Bigr\},
\]
also die Nullstellen von $x^n-1[n]$ bilden bezüglich der Multiplikation
eine zyklische Gruppe der Ordnung $n$. Die primitiven Erzeuger heißen
\emph{primitive Einheitswurzeln}\index{primitive Einheitswurzeln}. Die Gruppe
der $n$.ten Einheitswurzeln ist Gruppe der Drehungen des regulären $n$-Ecks.
Die vollständige Symmetriegruppe des $n$-Ecks enthält neben Drehungen noch
Spiegelungen. Man nennt diese Gruppe \emph{Diedergruppe}\index{Diedergruppe}.
Die Diedergruppe $D_n$ hat die Ordnung $2·n$ und ist nicht abelsch.
\end{bsp}
Der folgende Satz liefert weitere Beispiele.
\begin{satz}\label{Satz_Endliche_Mult_Gruppe_also_Zyklisch_S164}
Sei $R$ ein Integritätsring und $G ⊂ R^*$ sei eine endliche (multiplikative)
Gruppe. Dann ist $G$ zyklisch.
\end{satz}
Vor dem Beweis von Satz~\vref{Satz_Endliche_Mult_Gruppe_also_Zyklisch_S164}
zuerst zwei kleine Lemmas. Das erste können Sie selbst beweisen.
\begin{lemma}\label{Lemma_vor_Ordnung_teilen}%
Es sei $G$ eine Gruppe und es seien $g,h∈ G$ zwei Elemente endlicher Ordnung,
die zusätzlich auch noch kommutieren\footnote{Das bedeutet: $g·h= h·g$.}.
Weiter sei $\ggT(\ord g, \ord h) = 1$. Dann ist
\[
\ord(g·h) = (\ord g)·(\ord h). \eqno \qed
\]
\end{lemma}
\begin{lemma}\label{Lemma_Ordnung_teilen}
Es sei $G$ eine endliche abelsche Gruppe und es sei
$m := \max \{\ord g \::\: g∈ G\}$. Dann gilt für alle $g∈ G$ die Relation
$(\ord g)| m$.
\end{lemma}
\begin{proof}
Seien $\ord g = \prod_{\{p\}}p^{ν_p}$ und $m = \prod_{\{p\}}p^{μ_p}$ die
Primfaktorzerlegungen von $\ord g$ und von und $m$. Weiter sei $h∈ G$ ein
Element mit $\ord h =m$ und $g∈ G$ sei irgendein Element. Gegeben eine
Primzahl $p$, so schreiben wir
\begin{equation*}
\ord g = p^{ν_p}· n_p\quad\text{und}\quad \ord h = m = p^{μ_p}· m_p;
\end{equation*}
dabei gilt $p \nmid n_p$ und $p \nmid m_p$ gilt. Weil $p$ und $n_p$
beziehungsweise $m_p$ sogar teilerfremd sind, gilt
\begin{equation*}
\ord g^{n_p} = p^{ν_p} \quad\text{und}\quad \ord h^{p^{μ_p}} = m_p.
\end{equation*}
Also folgt aus Lemma~\vref{Lemma_vor_Ordnung_teilen}, dass
\begin{equation*}
\ord \bigl(g^{n_p}· h^{p^{μ_p}} \bigr) = p^{ν_p}· m_p≤ m = p^{μ_p}· m_p
\end{equation*}
ist, wobei die Ungleichung gilt, weil $m$ das Maximum war. Also folgt
$ν_p < μ_p$. Weil das für jede Primzahl gilt, folgt $(\ord g)|m$ gelten.
\end{proof}
Mit dieser Vorbereitung können wir jetzt den Satz über die Untergruppen von
$R^*$ beweisen.
\begin{proof}[Beweis von Satz~\vref{Satz_Endliche_Mult_Gruppe_also_Zyklisch_S164}]
Jeder Integritätsring ist in seinen Quotientenkörper eingebettet. Deshalb
können wir ohne Einschränkung annehmen, dass $R$ ein Körper ist. Nach
Lemma~\vref{Lemma_Ordnung_teilen} gilt dann mit
\[
m := \max \{ \ord g \::\: g∈ G \}
\]
für alle $g ∈ G$, dass $g^m=1$ ist. Die Elemente aus $G$ sind also alles
Nullstellen des Polynoms $x^m-1∈ R[x]$. Nun gibt es einerseits höchstens $m$
solche Nullstellen, andererseits ist für ein $h ∈ G$ mit $\ord h =m$ schon
\begin{equation*}
(h) = \{h^n \::\: n ∈ \}⊂ G
\end{equation*}
eine Menge mit $m$ Elementen. Also ist $G = (h)$.
\end{proof}
\begin{bemerkung}
Wenn $K$ ein endlicher Körper mit $q$ Elementen ist, dann ist $\# K^* = q-1$.
Wir haben gesehen, dass $K^*$ aus den Nullstellen des Polynoms
$x^{q-1}-1𝔽_p[x] ⊂ K[x]$ besteht, wobei $p$ die Charakteristik von $K$ ist.
Also hat $x(x^{q-1}-1)=x^q-x$ alle Elemente von $K$ als Nullstelle. Das gibt
einen einfachen Beweis für die Klassifikation endlicher Körper.
\end{bemerkung}
\section{Der kleine Satz von Fermat}
Der kleine Satz von
Fermat\footnote{\href{https://de.wikipedia.org/wiki/Pierre_de_Fermat}{Pierre de
Fermat} (* in der zweiten Hälfte des Jahres 1607 in Beaumont-de-Lomagne, heute
im Département Tarn-et-Garonne; † 12.~Januar 1665 in Castres) war ein
französischer Mathematiker und Jurist.} ist eine zahlentheoretische Aussage, die
sich trivial aus dem Gesagten ergibt. Wir halten die Aussage für spätere
Anwendungen noch einmal fest.
\begin{satz}[Kleiner Satz von Fermat]\label{satz:kleinerFermat}
Es sei $p ∈ $ eine Primzahl und es sei $a ∈ $ irgendeine Zahl. Dann ist
$a^p \equiv a \:\:(\operatorname{mod} p)$.
\end{satz}
\begin{proof}
Falls $a$ ein Vielfaches von $p$ ist, ist die Sache klar. Ansonsten liefert
die Restklasse von $a$ ein nicht-verschwindendes Element $\overline{a}/(p)
= 𝔽_p$, also ein Element der multiplikativen Gruppe $𝔽^*_p$, welche $p-1$
Elemente hat. Nach Satz~\ref{Satz_Kleiner_Fermatscher_Satz} („Satz von
Lagrange“) ist die Ordnung von $g$, also die Größe der von $g$ erzeugten
Untergruppe, ein Teiler von $|𝔽^*_p| = p-1$. Es gilt also
$\overline{a}^{p-1} = 1𝔽^*_p$ oder äquivalent $a^p \equiv a
\:\:(\operatorname{mod} p)$.
\end{proof}
\begin{bemerkung}\label{bem:kleinerFermat}%
Bei Anwendungen von Satz~\ref{satz:kleinerFermat} verwendet man häufig die
äquivalenten Formulierungen $a^{p-1} \equiv 1 \:\:(\operatorname{mod} p)$ oder
$p|(a^{p-1}-1)$.
\end{bemerkung}
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