KommutativeAlgebra/02.tex

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\chapter{Algebraische Mengen}
\section{Beispiele}
Bevor es richtig losgeht, brauchen wir Beispiele und interessanten polynomialen
Gleichungssysteme und zugehörigen Lösungsmengen. Der algebraische Geometer
spricht dabei nicht von Lösungsmengen, sondern von „algebraischen Mengen“.
Klingt besser.
\begin{defn}[Algebraische Menge]\label{def:2-1-1}%
Es sei $k$ ein Körper und es sei $m ∈ $ eine Zahl. Eine Teilmenge $A ⊆ k^m$
heißt \emph{algebraische Teilmenge}\index{algebraische Teilmenge des $k^m$},
falls es Polynome $f_1, …, f_n ∈ k[x_1, …, x_m]$ gibt, sodass
\[
A = \Bigl\{ \vec{x} ∈ k^m \::\: f_1(\vec{x}) == f_n(\vec{x}) = 0
\Bigr\}
\]
ist.
\end{defn}
\begin{bemerkung}
In der Literatur werden algebraische Mengen manchmal als \emph{affine
Varietäten}\index{affine Varietäten}\index{Varietät!affin} bezeichnet; die
meisten Autoren reservieren das Wort „Varietät“ aber für algebraische
Mengen, die mit einer gewissen Topologie versehen wurden. Andere fordern
zusätzlich noch, dass man einen Begriff von „algebraischen Funktionen“
definiert.
\end{bemerkung}
\begin{notation}[Algebraische Menge]\label{not:2-1-3}%
Es sei $k$ ein Körper, es sei $m ∈ $ eine Zahl und es seien $f_1, …, f_n ∈
k[x_1, …, x_m]$ Polynome. Die zugehörende algebraische Menge wird oft mit
\[
V(f_1, …, f_n) = \Bigl\{ \vec{x} ∈ k^m \::\: f_1(\vec{x}) ==
f_n(\vec{x}) = 0 \Bigr\}
\]
bezeichnet.
\end{notation}
\begin{bsp}[Der gesamte Raum]
Es sei $k$ ein Körper. Der gesamte Raum $k^m$ ist eine algebraische Menge
(nehme für $f_$ das Nullpolynom). Wenn ich von $k^m$ als algebraischer Menge
spreche, benutze ich oft das Wort \emph{affiner Raum}\index{affiner Raum} und
schreibe $𝔸^m$.
\end{bsp}
\begin{bsp}[Die leere Menge]
Es sei $k$ ein Körper. Die leere Menge ist eine algebraische Menge (nehme für
$f_$ das Einspolynom).
\end{bsp}
\begin{bsp}[Graph einer Funktion]
Es sei $k$ ein Körper und es sei $f ∈ k[x]$ ein Polynom. Dann ist der Graph
der zugehörenden Abbildung $f : k → k$,
\[
A = \Bigl\{ (x,y) ∈ k² \::\: y-f(x) = 0 \Bigr\},
\]
eine algebraische Menge, die typischerweise mit $Γ_f$ bezeichnet wird.
\end{bsp}
\begin{bsp}[Graph einer rationalen Funktion]
Es sei $k$ ein Körper und es sei $f ∈ k(x)$ eine rationale Funktion. Schreibe
$f$ als Quotient, $f = a/b$, wobei $a$ und $b ∈ k[x]$ teilerfremde Polynome
sind. Dann ist der Graph von $f$,
\[
A = \Bigl\{ (x,y) ∈ k² \::\: y·b(x)-a(x) = 0 \Bigr\},
\]
eine algebraische Menge, die typischerweise mit $Γ_f$ bezeichnet wird.
\end{bsp}
\begin{figure}
\centering
\includegraphics[width=10cm]{figures/02-graph.png}
\caption{Graph einer rationalen Funktion}
\label{fig:gerf}
\end{figure}
\begin{bsp}[Achsenkreuz]\label{bsp:2-1-8}
Es sei $k$ ein Körper. Das Achsenkreuz
\[
\Bigl\{ (x,y) ∈ ℝ² \::\: x·y = 0 \Bigr\}
\]
ist eine algebraische Menge. Das Achsenkreuz besteht aus zwei Achsen und das
Polynom $f(x,y) = x·y$ ist reduzibel. Sehen Sie hier einen Zusammenhang?
\end{bsp}
\begin{bsp}[Einheitskreis]
Der Einheitskreis in $ℝ²$,
\[
E := \Bigl\{ (x,y) ∈ ℝ² \::\:+-1 = 0 \Bigr\}
\]
ist eine algebraische Menge.
\end{bsp}
\begin{bsp}[Elliptische Kurven]\label{bsp:ellipti}%
Öffnen Sie die
\href{https://cplx.vm.uni-freiburg.de/storage/software/ellipticcurve/wasm/ellipticcurve.html}{folgende
Seite} in Ihrem Webbrowser und spielen Sie mit dem Programm
\href{https://kebekus.gitlab.io/ellipticcurve/de/}{Elliptic Curve Plotter}, um
\href{https://de.wikipedia.org/wiki/Elliptische_Kurve}{elliptische
Kurven}\index{elliptische Kurve} im $ℝ²$ zu zeichnen. Diese Kurven spielen in
der Kryptografie eine wichtige Rolle. Sie verwenden elliptische Kurven
täglich, wenn Sie Daten im Internet übertragen.
\end{bsp}
\begin{bsp}[Kubische Raumkurve]\label{bsp:crk}
Die algebraische Menge
\[
\Bigl\{ (x,y,z) ∈ ℝ³ \::\: y -= z-=0 \Bigr\}
\]
ist eine Kurve in $ℝ³$.
\end{bsp}
\begin{bsp}[Flächen im Raum]
Schauen Sie sich auf
\href{https://cplx.vm.uni-freiburg.de/de/research-ag/}{meiner Web-Seite} die
\href{https://en.wikipedia.org/wiki/Clebsch_surface}{Clebsche
Diagonalfläche}\footnote{\href{https://de.wikipedia.org/wiki/Alfred_Clebsch}{Rudolf
Friedrich Alfred Clebsch} (* 19.~Januar 1833 in Königsberg; † 7.~November 1872
in Göttingen) war ein deutscher Mathematiker, der bedeutende Beiträge zur
algebraischen Geometrie und zur Invariantentheorie leistete.} an, die auch in
Abbildung~\ref{fig:cds} dargestellt ist.
\end{bsp}
\begin{figure}
\centering
\includegraphics[width=5cm]{figures/02-clebschCubic.png}
\[
S := \bigl\{ (x:y:z) ∈ ℝ³ \::\: (x+y+z+1)³ =+++1 \bigr\}.
\]
\caption{Diagonalfläche von Clebsch}
\label{fig:cds}
\end{figure}
\begin{bsp}[Mehr Flächen im Raum]
Auf der Seite \href{https://imaginary.org}{imaginary.org} finden Sie viel
Material. Besonders schöne algebraische Mengen finden Sie
\href{https://imaginary.org/gallery/surfer-gallery-by-bianca-violet}{hier},
\href{https://imaginary.org/gallery/herwig-hauser-classic}{hier} und
\href{https://imaginary.org/gallery/oliver-labs}{hier}. Holen Sie sich das
Programm \href{https://imaginary.org/program/surfer}{surfer} und spielen Sie
selbst!
\end{bsp}
\begin{bsp}[Eine komische Gleichung für den Punkt]
Die Menge
\[
\Bigl\{ (x,y) ∈ ℝ² \mid+= 0 \Bigr\}
\]
ist ein Punkt. Das ist komisch. Wir betrachten den zwei-dimensionalen $ℝ²$
und eine einzige Gleichung. Da erwarten wir doch, dass die Lösungsmenge
ein-dimensional ist, also eine Kurve. Stattdessen bekommen wir einen Punkt!
Beachte: über den komplexen Zahlen wäre und das nicht passiert!
\end{bsp}
\begin{bsp}[Mechanik]
Betrachte einen banalen Roboter in der Ebene. Ein Arm der Länge 2 ist im
Ursprung befestigt. An dessen freiem Ende $(x,y)$ ist ein Arm mit Länge 1
befestigt. Dessen Ende sei im Punkt $(a,b)$. Die Menge der möglichen
Zustände des Roboters ist dann die algebraische Menge
\[
\Bigl\{ (x,y,a,b) ∈ ℝ⁴ \::\:+-4 = (x-a)² + (y-b)² -1 = 0 \Bigr\}.
\]
Um den Roboter von Stellung $A$ in Stellung $B$ zu bringen, muss die
Steuerungssoftware einen Weg auf dieser Menge finden, der einerseits möglichst
kurz ist, andererseits noch etliche Nebenbedingungen erfüllen muss
(mechanische Belastbarkeit der Gelenke, Kollisionsvermeidung, …). Bei
Robotern mit mehreren Gelenken wird dies sehr schnell zu einer gigantischen
Herausforderung! Für den allereinfachsten Fall googeln Sie mal nach den
Worten „Gelenkviereck“ und „\foreignlanguage{english}{four bar linkage}“. Sie
werden überrascht sein, wie kompliziert die Kurven werden und wie kompliziert
die Mathematik wird.
\end{bsp}
\begin{bsp}[Design]
Wenn Sie schon einmal mit einem Zeichenprogramm gearbeitet haben, kennen Sie
\emph{Bézierkurven}\index{Bézierkurve}. Gegeben seien Punkte $p_0, …, p_n ∈
ℝ²$. Das Ziel ist es, eine optisch schöne Kurve von $p_0$ zu $p_n$ zu
zeichnen, die die Punkte $p_1, …, p_{n-1}$ nicht unbedingt trifft, aber
zumindest in der Nähe dieser Punkte verläuft. Dazu konstruiert man
Abbildungen $ → ℝ²$,
\begin{align*}
B_{p_0, p_1}(t) & = (1-t)·p_0 + t·p_1\\
\intertext{und dann weiter induktiv}
B_{p_0,…,p_k}(t) & = (1-t)·B_{p_0,…,p_{k-1}}(t) + t·B_{p_1,…,p_k}(t).
\end{align*}
Die Bézierkurve ist dann die eingeschränkte Abbildung
\[
B_{p_0,…,p_n} : [0, 1] → ℝ².
\]
Ich behaupte, dass die Bildmenge $B_{p_0,…,p_n}()$ algebraisch ist! Sie
finden Abbildungen und weiterführende Informationen auf
\href{https://de.wikipedia.org/wiki/B\%C3\%A9zierkurve}{Wikipedia}.
\end{bsp}
\section{Parametrisierungen}
\sideremark{Vorlesung 2}In der Schule haben Sie die \emph{Gleichung} und
\emph{Parametrisierungen} von Geraden im $ℝ²$ diskutiert, vermutlich bis zum
Erbrechen. Beide Darstellungen haben Ihre Vor- und Nachteile:
\begin{itemize}
\item Wenn eine Gerade als Gleichung beschrieben ist, kann ich durch direktes
Einsetzen prüfen, ob ein gegebener Punkt auf der Geraden liegt oder nicht.
\item Die Parametrisierung ist sinnvoll, um die Gerade zu zeichnen. Das gilt
besonders, wenn ich ein Computerprogramm schreiben soll, das die Gerade
zeichnet.
\end{itemize}
Die Existenz von Parametrisierungen ist vielleicht eine der ersten Fragen, die
man bezüglich algebraischer Mengen stellen kann. Wir diskutieren
„Parametrisierungen durch rationale Funktionen“, wobei die rationalen Funktionen
nicht überall definiert sein müssen. Die folgende Definition ist daher
vielleicht ein wenig komplizierter als man erst einmal denkt.
\begin{defn}[Rationale Parametrisierung]
Es sei $k$ ein Körper und es sei $A⊆ k^n$ eine algebraische Menge. Eine
\emph{rationale Parametrisierung}\index{Parametrisierung} von $A$ ist ein
Tupel von rationalen Funktionen $f_1, …, f_n ∈ k(x_1, …, x_m)$, sodass
Folgendes gilt.
\begin{enumerate}
\item\label{il:1.1.16.1} Falls $\vec{x} ∈ k^m$ ein Punkt ist, an dem alle
$f_i$ definiert sind, dann ist
\[
\bigl(f_1(\vec{x}), …, f_n(\vec{x}) \bigr) ∈ A.
\]
\item Die Menge $A$ ist die kleinste algebraische Menge, für die
Eigenschaft~\ref{il:1.1.16.1} gilt.
\end{enumerate}
\end{defn}
\begin{bsp}[Affiner Raum und leere Menge]
Der affine Raum ist rational parametrisierbar. Die leere Menge ist nicht
rational parametrisierbar.
\end{bsp}
\begin{bsp}[Graphen]
Graphen von rationalen Funktionen sind trivialerweise rational
parametrisierbar.
\end{bsp}
\begin{bsp}[Einheitskreis]\label{bsp:rpek}%
Aus der Analysis-Vorlesung wissen wir, dass sich der Kreis durch $α(\cos α,
\sin α)$ parametrisieren lässt, aber diese Parametrisierung ist nicht sehr
algebraisch. Hier ist eine andere Konstruktion: wir wissen schon, dass der
Punkt $(-1,0)$ auf dem Einheitskreis liegt. Gegeben eine Zahl $t$, dann
betrachten Sie die Gerade durch $(-1,0)$ mit Steigung $t$ --
Abbildung~\ref{fig:rpk} zeigt den Fall $t = 0.8$. Diese Gerade schneidet den
Kreis in $(-1,0)$ und in einem weiteren Punkt $p_t$, der von $t$ abhängt.
Rechnen Sie die Koordinaten von $p_t$ sofort aus und stellen Sie fest, dass
wir durch $t ↦ p_t$ eine Parametrisierung des Kreises durch rationale
Funktionen erhalten, nämlich
\[
φ : → E, \quad t ↦ \Bigl(\frac{1-}{1+}, \frac{2t}{1+}\Bigr).
\]
Mit dieser Parametrisierung lässt sich die Frage beantworten, wie viele Punkte
des Einheitskreises rationale Koordinaten haben („Wie viele \emph{rationale
Punkte} gibt es auf dem Einheitskreis?“). Überlegen Sie sich, dass $φ(t)
ℚ²$ genau dann gilt, wenn $t ∈ $ ist. Cool. Um zu sehen, wie cool genau,
erinnern Sie sich: ein
\href{https://de.wikipedia.org/wiki/Pythagoreisches_Tripel}{\emph{Pythagoreisches
Tripel}}\index{Pythagoreisches Tripel} ist ein Tripel $(a,b,c) ∈ ℤ³$, sodass
$+=$ ist. Pythagoreische Tripel diskutiert man schon etwas länger.
Wikipedia schreibt:
\begin{figure}
\centering
\includegraphics[width=10cm]{figures/02-kreis.png}
\caption{Rationale Parametrisierung des Kreises}
\label{fig:rpk}
\end{figure}
\begin{quote}
Pythagoreische Tripel finden sich bereits auf babylonischen Tontafeln, die
in die Zeit der Hammurabi-Dynastie datiert werden (1829 bis 1530 v.~Chr.).
Die Keilschrifttafel „Plimpton 322“ enthält 15 verschiedene pythagoreische
Tripel […], was darauf schließen lässt, dass bereits vor mehr als 3500
Jahren ein Verfahren zur Berechnung solcher Tripel bekannt war. Für Ägypten
ist die explizite Erwähnung von pythagoreischen Tripeln […] aus einem
demotischen Papyrus des 3.~Jahrhunderts v.~Chr.\ bekannt […]
\end{quote}
Beobachten Sie: ein Tripel $(a,b,c)$ ist genau dann pythagoreisch, wenn
$(\frac{a}{c}, \frac{b}{c})$ ein rationaler Punkt des Einheitskreises $E$ ist.
Also haben wir mit der rationalen Parametrisierung des Kreises alle
pythagoreischen Tripel bestimmt.
\end{bsp}
\begin{bsp}[Elliptische Kurven]
Man kann beweisen, dass es im Gegensatz zum Einheitskreis \emph{keine
algebraische Parametrisierung einer elliptischen Kurve geben kann}! Das ist
gut so. Elliptische Kurven müssen kompliziert sein, sonst würde man sie in
der Verschlüsselungstechnik nicht verwenden können.
\end{bsp}
\begin{bsp}[Kubische Raumkurve]
In Beispiel~\ref{bsp:crk} hatten wir die kubische Raumkurve kennengelernt.
Diese Kurve wird durch $t ↦ (t, t², t³)$ parametrisiert.
\end{bsp}
\begin{bsp}[Clebsche Diagonalfläche]
Die Clebsche Diagonalfläche kann rational parametrisiert werden, aber das ist
vielleicht nicht sehr offensichtlich. Bei der Suche nach einer
Parametrisierung hilft Geometrie der 27 Geraden unheimlich!
\end{bsp}
\begin{bsp}[Bézier-Kurven]
Bézierkurven sind durch ihre Parametrisierung definiert.
\end{bsp}
\section{Erste Fragen}
Die Frage nach der Parametrisierbarkeit ist schwer, und schon für sehr einfache
Gleichungen ist die Antwort oft unbekannt. Wir stellen in dieser Vorlesung
zunächst eine viel einfachere Frage: gegeben sei ein Körper $k$ und Polynome
$f_1, …, f_m ∈ k[x_1, …, x_n]$.
\begin{itemize}
\item Ist $V(f_1, …, f_m)$ dann leer oder nicht?
\item Falls Lösungen existieren: Wie viele gibt es?
\item Falls nur endlich viele Lösungen existieren: Wie viele gibt es genau?
\item Bei unendlich vielen: Was ist die Geometrie von $V$?
\end{itemize}
Das sind im Allgemeinen schwierige Fragen. Um den Grad der Schwierigkeit zu
illustrieren, erinnere ich an den berühmten
\href{https://de.wikipedia.org/wiki/Gro\%C3\%9Fer_Fermatscher_Satz}{Großen Satz
von
Fermat}\footnote{\href{https://de.wikipedia.org/wiki/Pierre_de_Fermat}{Pierre de
Fermat} (* in der zweiten Hälfte des Jahres 1607 in Beaumont-de-Lomagne, heute
im Département Tarn-et-Garonne; † 12.~Januar 1665 in Castres) war ein
französischer Mathematiker und Jurist.}, der erst 350 Jahre nach seiner
Formulierung von
Wiles\footnote{\href{https://de.wikipedia.org/wiki/Andrew_Wiles}{Sir Andrew John
Wiles} KBE, FRS (* 11.~April 1953 in Cambridge) ist ein britischer Mathematiker.
Berühmt wurde er durch seinen Beweis der Taniyama-Shimura-Vermutung für
semistabile elliptische Kurven, woraus sich der Große Fermatsche Satz ergibt.}
bewiesen wurde. Wikipedia schreibt:
\begin{quote}
Zahlreiche teils romantische, teils dramatische, aber auch tragische Episoden
dieser Geschichte haben [den großen Satz von Fermat] weit über den Kreis der
Mathematiker hinaus populär gemacht.
\end{quote}
Kennen Sie das Buch
\href{https://en.wikipedia.org/wiki/Fermat\%27s_Last_Theorem_(book)}{Fermat's
Last Theorem} von Simon Singh? Weihnachten ist zwar schon vorbei…
\begin{satz}[Fermat's großer Satz]
Gegeben sei eine natürliche Zahl $n > 2$. Dann erfüllt kein Tripel $(a, b,
c)$ von positiven natürlichen Zahlen die Gleichung $a^{n}+b^{n}=c^{n}$. \qed
\end{satz}
\begin{beobachtung}[Zusammenhang zu algebraischen Mengen]
Fermat's großer Satz lässt sich auch so ausdrücken: Gegeben sei eine
natürliche Zahl $n > 2$. Dann hat die algebraische Menge
\[
A := \{ (x,y) ∈ ℚ² \::\: x^n+y^n=1 \}
\]
nur einige triviale Lösungen. Dazu beachte man, dass eine nicht-triviale
ganzzahlige Lösung $(a,b,c)$ der Gleichung $x^n+y^n=z^n$ einen rationalen
Punkt $(\frac{a}{c}, \frac{b}{c}) ∈ A$ liefert. Umgekehrt liefert ein
rationaler Punkt $(\frac{a}{c}, \frac{b}{d}) ∈ A$ eine nicht-triviale,
ganzzahlige Lösung $(ad,cb,bd)$ der Fermat'schen Gleichung.
\end{beobachtung}
Als Ergebnis halten wir fest: zumindest über dem Körper $$ kann die Fragen nach
der Existenz von Lösung kann nicht einfach sein. Auch die Frage nach der Anzahl
von Lösungen ist nicht einfach googeln Sie nach den Worten
Faltings\footnote{\href{https://de.wikipedia.org/wiki/Gerd_Faltings}{Gerd
Faltings} (* 28.~Juli 1954 in Gelsenkirchen) ist ein deutscher Mathematiker und
Träger der Fields-Medaille. Er ist Direktor am Max-Planck-Institut für
Mathematik und beschäftigt sich hauptsächlich mit diophantischen Gleichungen,
Modulräumen und $p$-adischen Galois-Darstellungen.} und
\href{https://de.wikipedia.org/wiki/Vermutung_von_Mordell}{Mordell-Vermutung}\footnote{\href{https://de.wikipedia.org/wiki/Louis_Mordell}{Louis
Joel Mordell} (* 28.~Januar 1888 in Philadelphia, USA; † 12.~März 1972 in
Cambridge, England) war ein amerikanisch-britischer Mathematiker, der vor allem
in der Zahlentheorie, speziell der Theorie diophantischer Gleichungen
arbeitete.}.
\section{Der Hilbertsche Nullstellensatz}
Ich möchte den Punkt machen, dass die Frage nach der Lösbarkeit von
algebraischen Gleichungssystemen sehr viel einfacher wird, wenn wir uns auf
algebraisch abgeschlossene Körper beschränken. Unter dieser Annahme beantwortet
der Hilbertsche Nullstellensatz die Frage, ob eine algebraische Menge $V
\bigl(f_1, …, f_n \bigr)$ leer ist, in Termen des von den $f_$ erzeugten
Ideals.
\begin{erinnerung}[Ideale]
Es sei $k$ ein Körper (der vielleicht nicht algebraisch abgeschlossen ist) und
es seien $f_1, …, f_n ∈ k[x_1, …, x_m]$. Das von den $f_$ erzeugten Ideal
ist die Teilmenge
\[
(f_1, …, f_n) = \bigl\{ a_1·f_1 + ⋯ a_n·f_n \::\: a_1, …, a_n ∈ k[x_1, …, x_m]
\bigr\} ⊆ k[x_1, …, x_m].
\]
In der Algebraischen Geometrie ist statt $(f_1, …, f_n)$ auch die Notation
$I(f_1, …, f_n)$ üblich.
\end{erinnerung}
\begin{beobachtung}\label{beob:2-4-2}%
Es sei $k$ ein Körper (der vielleicht nicht algebraisch abgeschlossen ist) und
es seien $f_1, …, f_n ∈ k[x_1, …, x_m]$. Falls $V \bigl(f_1, …, f_n \bigr)
$ ist, dann ist $1 \notin (f_1, …, f_m)$. Wäre nämlich die 1 in dem Ideal
enthalten, dann gäbe es eine Linearkombination
\[
1 = a_1·f_1 ++ a_n·f_n
\]
und demnach wäre $1 = a_1(\vec{x})·f_1(\vec{x}) + ⋯ a_n(\vec{x})·f_n(\vec{x})
= 0$, Widerspruch!
\end{beobachtung}
Für algebraisch abgeschlossene Körper zeigt die folgende „schwache Version“ des
Hilbertschen Nullstellensatz, dass die Frage, ob $1(f_1, …, f_m)$ ist, die
Frage nach der Existenz von Lösungen bereits entscheidet.
\begin{satz}[Schwacher Hilbertscher Nullstellensatz Vorabversion]\label{satz:shn}%
Es sei $k$ ein algebraisch abgeschlossener Körper und es seien Polynome $f_1,
…, f_n ∈ k[x_1, …, x_m]$ gegeben. Dann sind die folgenden Aussagen
äquivalent.
\begin{enumerate}
\item\label{il:2-4-3-1} Das Gleichungssystem $f_1 == f_n = 0$ hat eine
Lösung in $k^m$.
\item\label{il:2-4-3-2} Es ist $1 \notin (f_1, …, f_n)$.
\end{enumerate}
\end{satz}
Wir werden den Hilbertschen Nullstellensatz im ersten Teil dieser Vorlesung
beweisen. Wir müssen uns vielleicht auch Gedanken darüber machen, wie man für
gegebene Polynome $f_$ eigentlich entscheidet, ob die $1$ im Ideal $(f_1, …,
f_n)$ liegt.
\begin{bemerkung}
Die Aussage „die $1$ liegt im Ideal $(f_1, …, f_n)$“ kann man auch anders
formulieren. Überlegen Sie sich, dass die $1$ genau dann im Ideal $(f_1, …,
f_n)$ liegt, wenn das Ideal bereits der ganz Ring ist.
\end{bemerkung}
\begin{aufgabe}
Zeigen Sie an einem Beispiel, dass die Folgerung des Hilbertschen
Nullstellensatzes ohne die Annahme „algebraisch abgeschlossen“ grässlich
falsch ist.
\end{aufgabe}