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\chapter{Noether-Normalisierung}
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Der Satz über die Noether-Normalisierung präsentiert beliebige Ringe als ganze
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Erweiterungen von Polynomringen. Das ermöglicht es unter anderem, die Frage
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nach der Dimension eines beliebigen Ringes auf die Frage nach der Dimension
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eines Polynomrings zurückzuführen. Die Formulierung des Satzes über die
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Noether-Normalisierung ist aber zunächst einmal recht technisch.
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\begin{satz}[Noether-Normalisierung]\label{satz:13-0-1}
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Es sei $k$ ein Körper und es sei $A$ eine endlich erzeugte $k$-Algebra.
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Weiter sei $I ⊂ A$ ein Ideal. Dann gibt es Zahlen $α ≤ d$ und Elemente
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$y_1, …, y_d ∈ A$, sodass Folgendes gilt.
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\begin{enumerate}
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\item\label{il:13-0-1-1} Die Menge $\{y_1, …, y_d \}$ ist algebraisch
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unabhängig über $k$.
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\item\label{il:13-0-1-2} Die Ringerweiterung $k[y_1, …, y_d] ⊂ A$ ist ganz.
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\item\label{il:13-0-1-3} Im Ring $k[y_1, …, y_d]$ gilt die folgende Gleichheit
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von Idealen,
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\[
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I ∩ k[y_1, …, y_d] = (y_{α + 1}, …, y_d).
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\]
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\end{enumerate}
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Zusätzlich gilt: Wenn der Körper $k$ unendlich viele Elemente enthält und wenn
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$e_1, …, e_n$ ein endliches Erzeugendensystem von $A$ als $k$-Algebra ist,
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dann können die $y_j$ als Linearkombination der $e_1, …, e_n$ gewählt werden.
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\end{satz}
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Punkt~\ref{il:13-0-1-1} sagt insbesondere, dass der Ring $k[y_1, …, y_d]$
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isomorph\footnote{Können Sie einen Isomorphismus hinschreiben?} zum Polynomring
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in $d$ Variablen ist. Im Kern vergleicht der Satz über die
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Noether-Normalisierung den (womöglich sehr komplizierten) Ring $A$ mit dem sehr
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viel einfacheren Polynomring.
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\begin{defn}[Noether-Normalisierung einer $k$-Algebra]
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Es sei $k$ ein Körper und es sei $A$ eine endlich erzeugte $k$-Algebra. Es
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sei $k$ ein Körper und es sei $A$ eine endlich erzeugte $k$-Algebra. Eine
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endliche Menge $\{ y_1, …, y_d \} ⊂ A$ wird \emph{Noether-Normalisierung von
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$A$}\index{Noether-Normalisierung} genannt, wenn Eigenschaften
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\ref{il:13-0-1-1} und \ref{il:13-0-1-2} gelten.
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\end{defn}
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\begin{bemerkung}
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Satz~\ref{satz:13-0-1} über die Noether-Normalisierung] funktioniert mit
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endlich erzeugten Algebren über Körpern. Die Frage, ob der Satz auch über $ℤ$
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funktioniert, ist Gegenstand von Forschung.
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\end{bemerkung}
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\section{Geometrische Interpretation}
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\label{sec:13-1}
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Das Wörterbuch ``Algebra und Geometrie'' erklärt, was der Satz über die
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Noether-Normalisierung geometrisch bedeutet. Dazu betrachten wir den Fall, dass
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$k$ ein algebraisch abgeschlossener Körper und $A := k[X]$ der affine
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Koordinatenring einer algebraischen $k$-Varietät $X$ ist. Weiter sei $Z ⊂ X$
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eine Untervarietät mit zugehörendem Ideal $I ⊂ A$. In dieser Situation liefert
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Satz~\ref{satz:13-0-1} Elemente $y_1, …, y_d ⊂ A$. Der Ring $k[y_1, …, y_d]$
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ist ein reduzierter Unterring des reduzierten Ringes $k[X]$, gehört also nach
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Beobachtung~\vref{beob:7-3-9} zu einer affinen algebraischen Varietät $Y$. Die
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Inklusionsabbildung $k[y_1, …, y_d] → k[X]$ gehört nach Satz~\vref{satz:7-3-3}
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zu einem Morphismus $π : X → Y$ von affinen Varietäten. Die Inklusionsabbildung
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ist injektiv, also wissen wir nach Proposition~\vref{prop:7-3-4}, dass das Bild
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von $π$ eine Zariski-dichte Teilmenge von $Y$ ist. Der Satz über die
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Noether-Normalisierung beschreibt die Abbildung $π$ ziemlich detailliert.
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\begin{itemize}
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\item Nach Aussage~\ref{il:13-0-1-1} Die Menge $\{y_1, …, y_d \}$ ist
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algebraisch unabhängig. Der Ring $k[y_1, …, y_d]$ ist deshalb isomorph zum
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Polynomring $k[x_1, …, x_d]$. Die Varietät $Y$ ist also isomorph zum affinen
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Raum $𝔸^d_k$. Das Ideal $(y_{α+1}, …, y_d)$ ist dann das Ideal des linearen
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Unterraumes
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\[
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V := \{ y_{α + 1} = ⋯ = y_d = 0 \} ⊂ 𝔸^d_k.
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\]
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\item Nach Aussage~\ref{il:13-0-1-2} ist die Ringerweiterung
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$k[y_1, …, y_d] ⊂ A$ ganz. Wir hatten schon in Beobachtung~\vref{beo:12-2-11}
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gesehen, dass die Abbildung $π: X → 𝔸^d_k$ dann surjektiv ist. Außerdem
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wissen wir nach Satz~\vref{satz:12-2-2}, dass $\dim X = \dim 𝔸^d_k$ ist ---
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aber leider kennen wir $\dim 𝔸^d_k$ nur im Fall wo $d = 0$ oder $d = 1$ ist.
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\item Überlegen Sie sich selbst: Aussage~\ref{il:13-0-1-3} bedeutet, dass der
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Zariski-Abschluss der Bildmenge $π(Z)$ gerade die lineare Ebene $V$ ist.
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Insbesondere ist $π(Z) ⊂ V$.
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\end{itemize}
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Ganz ähnlich diskutieren wir jetzt die Zusatzaussage.
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\begin{itemize}
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\item Wenn ein System $e_1, …, e_n$ von Erzeugern des Ringes $A = k[X]$ gegeben
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ist, dann ist die Abbildung
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\[
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k[x_1, …, x_n] → k[X], \quad f(x_1, …, x_n) ↦ f(e_1, …, e_n)
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\]
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surjektiv. Nach Proposition~\vref{prop:7-3-5} gehört zu dieser Ringabbildung
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eine injektive Abbildung $ι : X → 𝔸^n_k$, wir können $X$ also als algebraische
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Teilmenge von $𝔸^n_k$ auffassen.
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\item Die Aussage ``die $y_•$ sind Linearkombinationen der $e_•$'' beschreibt
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$π$ als lineare Projektion. Genauer: die Aussage bedeutet, dass es eine
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lineare Abbildung $p : 𝔸^n_k → 𝔸^d_k$ gibt, sodass $π$ gleich der
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Einschränkung $p|_X$ ist. Da $π$ surjektiv war, muss auch $p$ surjektiv sein.
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\end{itemize}
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\begin{figure}
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\centering
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\includegraphics[width=10cm]{figures/13-hyperbel.png}
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\caption{Hyperbel $\{ x·y-1 \} $}
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\label{fig:hyp}
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\end{figure}
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\begin{bsp}
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Wir illustrieren den Satz über die Noether-Normalisierung nach ganz kurz an
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einem konkreten Beispiel. Dabei beschränken wir uns auf die
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Aussagen~\ref{il:13-0-1-1} und \ref{il:13-0-1-2} und ignorieren das Ideal $I$.
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Betrachte die in Abbildung~\ref{fig:hyp} dargestellte Hyperbel
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\[
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H := \{ (x_1, x_2) ∈ 𝔸²_ℂ \::\: x_1·x_2 = 1\}
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\]
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und den zugeordneten Koordinatenring
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\[
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A := \factor{ℂ[x_1, x_2]}{(x_1·x_2-1)}.
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\]
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Die Restklassen $e_• := \overline{x_•}$ bilden ein Erzeugendensystem von $A$
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als $k$-Algebra.
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\begin{itemize}
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\item Zuerst betrachten wir das Element $y_1 := e_1$. Die Inklusionsabbildung
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$ℂ[y_1] → A$ gehört zur linearen Projektionsabbildung
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\[
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H → 𝔸¹_ℂ, \quad (x_1, x_2) ↦ (x_1).
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\]
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Diese Abbildung ist \emph{nicht} surjektiv, denn der Nullpunkt in $𝔸¹_ℂ$
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wird nicht getroffen. Also ist $ℂ[y_1] ⊂ A$ nach
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Beobachtung~\ref{beo:12-2-11} keine ganze Ringerweiterung und $\{y_1\}$ ist
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keine Noether-Normalisierung von $A$.
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\item Jetzt betrachten wir das Element $y_1 := e_1-e_2$. Die
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Inklusionsabbildung $ℂ[y_1] → A$ gehört zur linearen Projektionsabbildung
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\[
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||
H → 𝔸¹_ℂ, \quad (x_1, x_2) ↦ (x_1-x_2).
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||
\]
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Die Ringerweiterung $ℂ[y_1] ⊂ A$ ist ganz, denn die Erzeuger $e_1$ und $e_2$
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erfüllen die Ganzheitsgleichungen
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\[
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e²_1-e_1·y_1+1 = 0 \quad\text{und}\quad e²_2-e_2·y_1-1=0.
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\]
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Also ist $\{y_1\}$ ist eine Noether-Normalisierung von $A$.
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\end{itemize}
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\end{bsp}
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\section{Beweis des Satzes über die Noether-Normalisierung}
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\sideremark{Vorlesung 16}Wir beginnen den (langen!) Beweis mit einem
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vorbereitenden Lemma.
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\begin{lem}
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Es sei $k$ ein Körper und es sei $f ∈ k[x_1, …, x_n] ∖ \{0\}$. Dann gibt es
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ein $α ∈ k^*$ und Polynome $y_1, …, y_{n-1}$ von der Form
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$y_i = x_i - x_n^{r_i}$, sodass das Polynom $f$ wie folgt geschrieben werden
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kann,
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\[
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f(x_1,…,x_n) = α·x_n^m + G_1(y_1, …, y_{n-1})·x_n^{m-1} + ⋯ + G_m(y_1, …,
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y_{n-1}).
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\]
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Zusätzlich gilt: Wenn der Körper $k$ unendlich viele Elemente enthält, dann
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gilt eine analoge Aussage auch für Elemente $y_i$ der Form
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$y_i = x_i - a_i·x_n$, wobei $a_i ∈ k$.
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\end{lem}
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\begin{proof}
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Der allgemeine Fall ist im \video{16-1} bewiesen. Die Zusatzaussage ist im
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\video{16-2} bewiesen.
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\end{proof}
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Um den Beweis des Satzes über die Noether-Normalisierung lesbar zu halten,
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beweisen wir den Satz zunächst in zwei Spezialfällen.
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\begin{lem}
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Der Satz~\ref{satz:13-0-1} über die Noether-Normalisierung gilt im
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Spezialfall, wo $A = k[x_1, …, x_n]$ ein Polynomring und $I = (f)$ ein
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Hauptideal ist.
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\end{lem}
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\begin{proof}
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\video{16-3}
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\end{proof}
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\begin{lem}
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Der Satz~\ref{satz:13-0-1} über die Noether-Normalisierung gilt im
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Spezialfall, wo $A = k[x_1, …, x_n]$ ein Polynomring und $I ⊊ A$ ein
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beliebiges Ideal ist.
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\end{lem}
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\begin{proof}
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\video{16-4}
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\end{proof}
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\begin{proof}[Beweis von Satz~\ref{satz:13-0-1}]
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\sideremark{Vorlesung 17}\video{17-1}
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\end{proof}
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\section{Geometrische Konsequenzen}
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Als erste echte Anwendung des Satzes über die
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Noether-Normalisierung klären wir die längst überfällige Frage, was die
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Dimension des affinen Raums ist.
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\begin{satz}[Dimension des affinen Raumes]\label{satz:13-3-1a}
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Es sei $k$ ein Körper. Dann ist
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\[
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\dim k[x_1, …, x_n] = n.
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\]
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\end{satz}
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\begin{proof}
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\video{17-2}
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\end{proof}
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\begin{satz}[Noether-Normalisierung und Dimension]\label{satz:13-3-1b}
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Es sei $k$ ein algebraisch abgeschlossener Körper, es sei $A$ eine endlich
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erzeugte $k$-Algebra und es sei $\{y_1, …, y_d\}$ eine Noether-Normalisierung
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von $A$. Dann ist $\dim A = d$. Wenn $A$ zusätzlich noch ein Integritätsring
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ist, dann haben alle maximal langen Primidealketten\footnote{Maximal lang =
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kann nicht durch Einfügen von Zwischen-Primidealen verlängert werden} in $A$
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die Länge $d$.
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\end{satz}
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\begin{proof}
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Die Aussage $\dim A = d$ folgt sofort aus den Sätzen~\ref{satz:13-3-1a} und
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\ref{satz:12-2-2}. Für den Beweis der zweiten Aussage gibt es das
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\video{17-3}.
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\end{proof}
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\begin{aufgabe}
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Finden Sie einen geometrisch sinnvollen Nicht-Integritätsring in dem es zwei
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unterschiedlich lange maximal lange Primidealketten gibt! Tipp: die
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verschiedenen irreduziblen Komponenten einer algebraischen Menge müssen nicht
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dieselbe Dimension haben.
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\end{aufgabe}
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\begin{kor}[Dimension und Transzendenzgrad]
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Es sei $k$ ein algebraisch abgeschlossener Körper, es sei $A$ ein reduzierter
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Ring (=endlich erzeugte $k$-Algebra ohne nilpotente Elemente). Dann ist die
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Dimension von $A$ genau der Transzendenzgrad des Quotientenkörpers $Q(A)$ über
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$k$, also $\dim A = \trdeg_k Q(A)$.
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\end{kor}
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\begin{proof}
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Schreibe $A$ in der Form $A = k[x_1, …, x_n]/I$ und wähle eine
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Noether-Normalisierung $\{y_1, …, y_d\} ⊂ A$. Dann wissen wir nach
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Satz~\ref{satz:13-3-1b}, dass $\dim A = d$ ist. Auf der anderen Seite sind
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die Elemente $y_1, …, y_d$ algebraisch unabhängig, sodass
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$\trdeg_k k(y_1, …, y_d) = d$ ist. Schließlich wissen wir noch, dass die
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Körpererweiterung $k(y_1, …, y_d) ⊂ Q(A)$ algebraisch ist, sodass sich
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der Transzendenzgrad nicht ändert, $\trdeg_k k(y_1, …, y_d) = \trdeg_k Q(A)$.
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\end{proof}
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\begin{kor}
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Es sei $k$ ein algebraisch abgeschlossener Körper und es sei
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$X ⊂ 𝔸^n_k$ eine algebraische Varietät. Dann existiert eine lineare
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Projektion $p : 𝔸^n_k → 𝔸^d_k$, sodass die Einschränkung von $p$ auf $X$
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endlich und surjektiv ist.
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\end{kor}
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\begin{proof}
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Die Aussage folgt aus der Diskussion in Abschnitt~\ref{sec:13-1}, wenn wir uns
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daran erinnern, dass algebraisch abgeschlossene Körper stets unendlich viele
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Elemente haben.
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\end{proof}
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\begin{kor}
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Algebraische Teilmengen des $ℂ^n$ sind genau dann bezüglich der Euklidischen
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Topologie kompakt, wenn Sie endlich sind.
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\end{kor}
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\begin{proof}
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Lineare Projektionen $𝔸^n_{ℂ} → 𝔸^d_{ℂ}$ sind bezüglich der Euklidischen
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Topologie stetig. Insbesondere sind Bilder von Mengen, die bezüglich der
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Euklidischen Topologie kompakt sind, selbst wieder kompakt bezüglich der
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Euklidischen Topologie. Der einzige kompakte affine Raum ist aber
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$𝔸⁰_{ℂ}$.
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\end{proof}
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Das letzte Korollar verwendet den Begriff der \emph{Höhe} eine Primideals. Das
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ist eine recht einfache Abwandlung der Definition von Dimension.
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\begin{defn}[Höhe eines Primideals]\label{def:height}
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Es sei $R$ ein Ring und es sei $p ⊂ R$ ein Primideal. Die
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\emph{Höhe}\index{Höhe eines Primideals} von $p$ ist das Maximum aller Längen
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von Ketten von Primidealen
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\[
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p_0 ⊊ p_1 ⊊ ⋯ ⊊ p_n = p.
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\]
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In der Literatur wird die Höhe von $p$ meist mit $\height(p)$ bezeichnet.
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\end{defn}
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\begin{bsp}\label{bsp:13-3-8}
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||
Es sei $k$ ein Körper, es sei $R = k[y_1, …, y_d]$ und es sei
|
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$q = (y_α, …, y_d)$. Überlegen Sie sich als Übung, dass das Maximum aller
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||
Längen von Ketten von Primidealen von der folgenden Kette
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\[
|
||
(0) ⊊ (y_{α + 1}) ⊊ (y_{α + 1}, y_{α + 2}) ⊊ ⋯ ⊊ (y_{α + 1},…, y_{d}) = p
|
||
\]
|
||
angenommen wird. Also ist $\height p = d-α$.
|
||
\end{bsp}
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||
|
||
\begin{kor}\label{kor:13-3-9}
|
||
Es sei $k$ ein algebraisch abgeschlossener Körper und es sei $A$ ein
|
||
Integritätsring der Form $A = k[x_1, …, x_n]/I$. Gegeben ein Primideal
|
||
$p ⊂ A$ ein Primideal, dann ist
|
||
\[
|
||
\dim A = \height(p) + \dim(A/p).
|
||
\]
|
||
\end{kor}
|
||
\begin{proof}
|
||
Wende Satz~\ref{satz:13-0-1} (``Noether-Normalisierung'') auf $p ⊂ A$ an und
|
||
erhalte Elemente $y_1, …, y_d ∈ A$, sodass die bekannten Eigenschaften gelten.
|
||
\begin{itemize}
|
||
\item Die Menge $\{y_1, …, y_d\}$ ist algebraisch unabhängig über $k$ und
|
||
$k[y_1, …, y_d]$ ist deshalb isomorph zum Polynomring, also insbesondere
|
||
normal.
|
||
\item Die Ringerweiterung $k[y_1, …, y_d] ⊂ A$ ist ganz. Also ist nach
|
||
Satz~\ref{satz:12-2-2} (``Dimension ist invariant unter ganzen
|
||
Ringerweiterungen'') und Satz~\ref{satz:13-3-1a} (``Dimension des affinen
|
||
Raumes'')
|
||
\[
|
||
\dim A = \dim k[y_1, …,y_d] = d.
|
||
\]
|
||
\item Das Ideal $q := p ∩ k[y_1, …, y_d]$ ist von der Form
|
||
$q = (y_α, …, y_d)$, also ist
|
||
\[
|
||
k[y_1, …,y_d]/q \simeq k[y_1, …, y_α]
|
||
\]
|
||
und dieser Ring hat die Dimension $α$. Zusätzlich gilt nach
|
||
Beispiel~\ref{bsp:13-3-8} die Gleichung $\height q = d-α$.
|
||
\end{itemize}
|
||
Zuguterletzt: Da die Erweiterung $k[y_1, …,y_d]/q ⊂ k[x_1, …,x_n]/p$ nach
|
||
Satz~\ref{satz:12-2-5} wieder ganz ist, haben die beiden Ringe die gleiche
|
||
Dimension. Zusammen erhalten wir
|
||
\[
|
||
\dim A = d = α + (d - α) = \dim (A/p) + \height p.
|
||
\]
|
||
Damit ist die Behauptung gezeigt.
|
||
\end{proof}
|
||
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||
\begin{warnung}[Dimensionsbegriff für beliebige Ringe]
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In Korollar~\ref{kor:13-3-9} ist die Annahme, dass $A$ von der Form
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||
$A = K[x_1, …,x_n]/I$ ist, absolut notwendig. Für beliebige Ringe ist die
|
||
Aussage des Korollars falsch! Tatsächlich verhält sich der Begriff
|
||
``Dimension'' für beliebige Ringe ziemlich kontra-intuitiv und ist in der
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||
Praxis einigermaßen sinnlos.
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\end{warnung}
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||
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||
\section{Der Hauptidealsatz}
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||
Das Kapitel über Dimension wäre nicht vollständig ohne den Krullschen
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Hauptidealsatz. Der Beweis ist recht algebraisch, aber mit unseren Methoden
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(``Going Up/Down + Noether Normalisierung'') jetzt ohne weiteres möglich.
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||
Dennoch möchte ich lieber im Stoff vorankommen und nenne den Satz deshalb hier
|
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nur ohne Beweis.
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||
\begin{satz}[Krullscher Hauptidealsatz]
|
||
Es sei $R$ ein noetherscher Integritätsring und es sei $0 ⊊ (f) ⊊ R$ ein
|
||
Hauptideal, das gleichzeitig ein Radikalideal ist. Schreibe das Ideal $(f)$
|
||
gemäß Satz~\ref{satz:6-2-3} als Schnitt von endlich vielen Primidealen,
|
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$(f) = p_1 ∩ ⋯ ∩ p_l$. Dann gilt die Gleichung $\height(p_i) = 1$ für alle
|
||
Indizes $i$. \qed
|
||
\end{satz}
|
||
|
||
Zusammen mit Korollar~\ref{kor:13-3-9} sagt der Krullsche Hauptidealsatz unter
|
||
anderem Folgendes: Sei $f ∈ k[x_1, …, x_n] ∖ \{ 0\}$ ein Polynom. Dann hat jede
|
||
irreduzible Komponente von $V(f)$ die Dimension $n-1$.
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||
\section{Schlussbemerkungen}
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||
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Die Noether-Normalisierung ist wichtig, denn sie vergleicht einen (potenziell
|
||
sehr komplizierten) Ring mit dem sehr viel einfacheren Polynomring. Wir haben
|
||
allerdings überhaupt nicht geklärt, wie man in einer konkreten Situation
|
||
eigentlich an eine Noether-Normalisierung kommt. Ich sehe zwei Ansätze.
|
||
\begin{itemize}
|
||
\item Wie so ziemlich alles in der algebraischen Geometrie kann man
|
||
Noether-Normalisierungen mithilfe von Gröbner-Basen bestimmen. Wie immer sind
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die Rechnungen äußerst aufwändig und sprengen schnell den Rahmen des
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Machbaren.
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\item Falls ich die Dimension der Algebra raten kann und falls $k$ ein Körper
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mit unendlich vielen Elementen ist, kann ich mich fragen, welche linearen
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Projektionen als Noether-Normalisierung infrage kommen. Wenn ich mir den
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Beweis des Satzes über die Noether-Normalisierung sehr genau anschaue, so
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erkenne ich, dass die Menge der linearen Projektionen, die \emph{keine}
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Noether-Normalisierung liefern, eine algebraische Menge im Raum der Matrizen
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ist, also eine Nullmenge. Für die Praxis bedeutet das: Man wähle eine
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\emph{zufällige} lineare Projektion aus und rechne damit weiter. Die
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Wahrscheinlichkeit, dass ich mit dieser Methode tatsächlich eine
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Noether-Normalisierung gewählt habe, ist exakt 100~\%.
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\end{itemize}
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%%% Local Variables:
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%%% mode: latex
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%%% TeX-master: "21-KA"
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%%% End:
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