From 824046030432722280c4ba46afe4930cd601fd4f Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: demleitner Date: Mon, 12 Jun 2023 14:56:17 +0200 Subject: [PATCH] =?UTF-8?q?Definition=20Krulldimension:=20Maximum=20->=20S?= =?UTF-8?q?upremum,=20und=20L=C3=A4nge=20einer=20Primidealkette=20erkl?= =?UTF-8?q?=C3=A4rt?= MIME-Version: 1.0 Content-Type: text/plain; charset=UTF-8 Content-Transfer-Encoding: 8bit --- 12.tex | 399 +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ 1 file changed, 399 insertions(+) create mode 100644 12.tex diff --git a/12.tex b/12.tex new file mode 100644 index 0000000..e69b6ce --- /dev/null +++ b/12.tex @@ -0,0 +1,399 @@ +% spell checker language +\selectlanguage{german} + +\chapter{Die Sätze von Cohen-Seidenberg} + +\sideremark{Vorlesung 14}Wir teilen vermutlich alle das Gefühl, dass der affine +Raum $𝔸¹$ und dass algebraische Kurven eindimensional seien, dass der Raum +$𝔸²$ zweidimensional und dass $𝔸³$ dreidimensional ist. Sie stimmen mir +vermutlich auch zu, dass die Dimension einer affinen Varietät eine intrinsische +Eigenschaft sein sollte. In diesem Teil der Vorlesung möchte ich die Frage +beantworten, wie man die Dimension einer Varietät jetzt genau definiert. + + +\section{Die Krull-Dimension} + +Ich spanne Sie nicht lange auf die Folter. Die Idee ist die: im Raum $𝔸³$ +finde ich eine Kette von irreduziblen Mengen der folgenden Form, +\[ + \text{Punkt} ⊊ \text{Gerade} ⊊ \text{Ebene} ⊊ 𝔸³. +\] +Diese Kette hat Länge drei\footnote{Länge = Anzahl der Inklusionszeichen}, das +ist unsere Wunschdimension für $𝔸³$. Außerdem kann man (=werden wir) beweisen, +dass diese Kette maximal lang ist. Anschaulich ist wahrscheinlich klar, dass es +keine echte Zwischenvarietät zwischen der Gerade und der Ebene geben kann. In +unserer Korrespondenz zwischen Algebra und Geometrie gehören irreduzible Mengen +zu Primidealen, das legt die folgende Definition nahe. + +\begin{defn}[Krullsche Dimension eines Ringes] + Es sei $R$ ein kommutativer Ring mit Eins. Die \emph{Krullsche + Dimension}\index{Krullsche Dimension!eines + Ringes}\footnote{\href{https://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_Krull}{Wolfgang + Krull} (* 26. August 1899 in Baden-Baden; † 12. April 1971 in Bonn) war ein + deutscher Mathematiker. Sein Schwerpunkt war die kommutative Algebra. Krull + studierte zunächst ab 1919 in Freiburg im Breisgau, später auch in Rostock und + Göttingen. Nicht zu verwechseln mit Felix Krull, dem Hochstapler.} von $R$ + ist das Supremum aller Längen von Ketten von Primidealen, + \[ + P_0 ⊊ P_1 ⊊ P_2 ⊊ … ⊊ P_n. + \] + Die Länge einer Primidealkette ist dabei die Anzahl der echten Inklusionen, die in ihr vorkommen. +\end{defn} + +\begin{defn}[Krullsche Dimension einer Varietät] + Es sei $k$ ein algebraisch abgeschlossener Körper und $X ⊂ 𝔸^n_k$ sei eine + Untervarietät. Die Krullsche Dimension des affinen Koordinatenringes $k[X]$ + wird auch als Krullsche Dimension der Varietät $X$ bezeichnet. +\end{defn} + +\begin{bemerkung} + Die Krullsche Dimension eines Ringes ist unendlich, wenn es eine unendlich + lange Kette von Primidealen gibt oder wenn zu jedem $n ∈ ℕ$ eine endliche + Kette der Länge $≥ n$ existiert. +\end{bemerkung} + +\begin{bsp}[Der Punkt] + Es sei $k$ ein algebraisch abgeschlossener Körper. Der affine Koordinatenring + des Punktes $𝔸⁰_k$ ist der Körper $k$. Dieser also nur das echte Ideal $(0)$ + und somit die Dimension 0. +\end{bsp} + +\begin{bsp}[Der Zahlenstrahl]\label{bsp:12-1-5}% + Es sei $k$ ein algebraisch abgeschlossener Körper. Der affine Koordinatenring + des Punktes $𝔸¹_k$ ist der Polynomring $k[x]$, und das ist ein + Hauptidealring. Die Primideale sind von der Form $(f)$, wobei $f ∈ k[x]$ + irreduzibel ist. Alle Ketten von Primidealen sind demnach von der Form + \[ + (0) ⊊ (f) ⊊ k[x]. + \] + Also ist $\dim 𝔸¹_k = \dim k[x] = 1$. +\end{bsp} + +\begin{bsp}[Die ganzen Zahlen] + Der Ring $ℤ$ ist ebenfalls ein Hauptidealring. Wie oben ist $\dim ℤ = 1$. +\end{bsp} + +\begin{bsp}[Der affine Raum]\label{bsp:12-1-6}% + Es sei $k$ ein algebraisch abgeschlossener Körper. Der affine Koordinatenring + des affinen Raumes $𝔸^n_k$ ist der Polynomring $k[x_1, …, x_n]$. Die Kette + \[ + (0) ⊊ (x_1) ⊊ (x_1, x_2) ⊊ ⋯ ⊊ + (x_1, …, x_n) ⊊ k[x_1, …, x_n] + \] + ist eine Kette von Primidealen, also ist $\dim 𝔸^n_k = \dim k[x_1, …, x_n] ≥ + n$. +\end{bsp} + +Vielleicht empfinden Sie das Beispiel~\ref{bsp:12-1-6} als … ein wenig +unbefriedigend. Natürlich ist die Dimension von $𝔸^n_k$ gleich $n$, aber das +ist nicht völlig trivial zu zeigen. Bis wir so weit sind, ist noch etwas +Vorarbeit zu leisten. + + +\section{Going up} + +Die folgenden Sätze werden in Algebra-Büchern und Skripten gern ohne jede +geometrische Anschauung erklärt. Ich selbst kann mir ohne geometrische +Anschauung überhaupt nichts merken und diskutiere deshalb lieber erst einmal ein +geometrisches Beispiel. + +\begin{bsp}[Die Dimension der Knotenkurve, Teil 1]\label{bsp:12-2-1}% + Schauen Sie sich noch einmal Abbildung~\vref{fig:tc} an, wo die Knotenkurve $C + = \{ x³ + x² - y² \}$ dargestellt ist. Natürlich sollte die Dimension der + Knotenkurve gleich eins sein. Um das zu beweisen, möchte ich den affinen + Koordinatenring $B := k[C]$ (dessen Dimension ich ja wissen will) als + Erweiterung des affinen Koordinatenringes $A := k[x]$ verstehen --- der Ring + $A$ ist der affine Koordinatenring der $x$-Achse, dessen Dimension ich nach + Beispiel~\ref{bsp:12-1-5} ja schon kenne. Die Erweiterung $A ⊂ B$ ist + endlich,\footnote{Ein System von Erzeugern ist zum Beispiel $\{1,y\}$} und + deshalb nach Korollar~\vref{kor:3-3-3} ganz. Wir haben in + Abschnitt~\ref{sec:7-3}, dass zu dem Inklusionsmorphismus $A → B$ von affinen + Koordinatenringen ein Morphismus von Varietäten gehört. In unserem Beispiel + ist dies einfach die orthogonale Projektion von $C$ auf die $x$-Achse, + \[ + π: C → \{x\text{-Achse}\}, \quad (x,y) → x. + \] +\end{bsp} + +In diesem Abschnitt werden wir zeigen, dass sich die Dimension von Ringen bei +ganzen Ringerweiterungen nicht ändert. + +\begin{satz}[Dimension ist invariant unter ganzen Ringerweiterungen]\label{satz:12-2-2}% + Es sei $A ⊂ B$ eine ganze Erweiterung von Integritätsringen. Dann ist $\dim A + = \dim B$. +\end{satz} + +Um den Satz zu beweisen, müssen wir ganze Ringerweiterungen $A ⊂ B$ betrachten +und uns überlegen, wie sich die Primideale in $A$ und die Primideale in $B$ +zueinander verhalten. + +\begin{notation}[Übereinander liegende Ideale] + Es sei $A ⊂ B$ eine ganze Ringerweiterung und es seien $q ⊂ B$ und $p ⊂ A$ + Ideale. Falls die Gleichheit $p = q ∩ A$ gilt, so sagt man, \emph{$q$ liegt + über $p$}. +\end{notation} + +Das Beispiel mit der Knotenkurve erklärt, woher der eigentümliche Begriff +„übereinander liegen“ kommt. + +\begin{bsp}[Die Dimension der Knotenkurve, Teil 2] + In Beispiel~\ref{bsp:12-2-1} sei $v = (v_x, v_y)$ ein Punkt der Kurve $C$, mit + zugehörendem maximalen Ideal $q ⊂ B$. Dann ist das Ideal $p := q ∩ A$ wieder + ein maximales Ideal, nämlich $p = (x-v_x) ⊂ A$. Dies ist das maximale Ideal + des Punktes $π(v)$. +\end{bsp} + +Der erste Satz von +Cohen\footnote{\href{https://de.wikipedia.org/wiki/Irvin_Cohen}{Irvin Sol Cohen} +(* 1917; † 14.~Februar 1955) war ein US-amerikanischer +Mathematiker.}-Seidenberg\footnote{\href{https://de.wikipedia.org/wiki/Abraham_Seidenberg}{Abraham +Seidenberg} (* 2.~Juni 1916 in Washington, D.C.; † 3.~Mai 1988 in Mailand) war +ein US-amerikanischer Mathematiker.} betrachtet eine ganze Ringerweiterung $A ⊂ +B$ und vergleicht die Dimensionen, indem man zu jeder Kette von Primidealen $p_• +⊂ A$ eine Kette von Primidealen $q_• ⊂ B$ konstruiert, wobei die $q_•$ jeweils +über den $p_•$ liegen. Der Satz, der als „Going up“ bekannt ist, impliziert +dann sehr schnell, dass die Dimensionen von $A$ und $B$ übereinstimmen. + + +\subsection{Beweis des Satzes „Going up“} + +Der Beweis des Satzes „Going up“ ist nicht kompliziert, aber ein mühsam. Um den +Beweis lesbarer zu machen, habe ich ihn in eine Reihe relativ unabhängiger +Aussagen eingeteilt, die einzeln bewiesen werden. + +\begin{satz}\label{satz:12-2-5}% + Es sei $A ⊂ B$ eine ganze Ringerweiterung. Dann gilt Folgendes. + \begin{enumerate} + \item\label{il:12-2-4-1} Es sei $q ⊂ B$ und $p ⊂ A$ Ideal, wobei $q$ über $p$ + liegt. Nach dem Isomorphiesatz gibt es eine kanonische Einbettung + \[ + \factor{A}{p} \rightarrow \factor{B}{q}. + \] + Dies ist wieder eine ganze Ringerweiterung. + + \item\label{il:12-2-4-2} Falls $S ⊂ A$ ein multiplikatives System ist, dann + ist $S^{-1}A \rightarrow S^{-1}B$ eine ganze Ringerweiterung. + \end{enumerate} +\end{satz} +\begin{proof} + \video{14-1} +\end{proof} + +\begin{notation}[Schlechte Notation] + Es sei $A ⊂ B$ eine ganze Ringerweiterung, es sei $p ⊂ A$ ein Primideal und es + sei $S := A∖p$. In der Literatur wird die Abbildung $S^{-1}A \rightarrow + S^{-1}B$ häufig auch als $A_p \rightarrow B_p$ notiert, obwohl $p$ im + Allgemeinen kein Primideal in $B$ ist. +\end{notation} + +\begin{beobachtung} + Es seien $A ⊂ B$ eine ganze Erweiterung von Integritätsringen. Weiter seien + Primideale $q ⊂ B$ und $p ⊂ A$ gegeben, wobei $q$ über $p$ liegt. Dann gelten + folgende Äquivalenzen. + \begin{align*} + \text{Das Ideal $q$ ist maximal.} & ⇔ B/q \text{ ist ein Körper} \\ + & ⇔ A/p \text{ ist ein Körper} & \text{\ref{il:12-2-4-1} und Blatt 2, Aufgabe 3} \\ + & ⇔ \text{Das Ideal $p$ ist maximal.} + \end{align*} +\end{beobachtung} + +\begin{satz}[Existenz von Primidealen über einem vorgegebenen Ideal]\label{satz:12-2-8}% + Es sei $A ⊂ B$ eine ganze Erweiterung von Integritätsringen. Weiter sei $p ⊂ + A$ ein Primideal. Dann existiert ein Primideal $q ⊂ B$ über $A$. +\end{satz} +\begin{proof} + \video{14-2} +\end{proof} + +\begin{satz}[Primideale über gegebenen Ideal sind nicht ineinander enthalten] + Es sei $A ⊂ B$ eine ganze Erweiterung von Integritätsringen. Weiter sei $p ⊂ + A$ Primideal und es seien $q_1 ⊂ q_2 ⊂ B$ Primideale über $p$. Dann ist $q_1 + = q_2$. +\end{satz} +\begin{proof} +Betrachte die Lokalisierung $A_p → B_p$. Dann gilt Folgendes, +\begin{itemize} +\item $p·A_p$ ist eindeutiges maximales Ideal in $A_p$, + +\item $q_1·B_p$ ist Primideal in $B_p$, + +\item $q_2·B_p$ ist Primideal in $B_p$, und + +\item $q_1·B_p ⊂ q_2·B_p$ und $(q_1·B_p) ∩ A_p = (q_2·B_p) ∩ A_p = p·A_p$. +\end{itemize} +Da $q_1·B_p$ und $q_2·B_p$ über $p·A_p$ liegen, sind sie maximal. Deshalb sind +die Ideale gleich. Daraus folgt, dass $q_1 = q_2$ ist. +\end{proof} + +\begin{satz}[Going up]\label{satz:goingUp}% + Es sei $A ⊂ B$ eine ganze Erweiterung von Integritätsringen. Weiter seien + $p_1 ⊊ p_2 ⊂ A$ Primideale in $A$ und es sei $q_1 ⊂ B$ ein Primideal über + $p_1$. Dann gibt es ein Primideal $q_2 ⊂ B$ über $p_2$ welches $q_1$ enthält. +\end{satz} +\begin{proof} + \video{14-3} +\end{proof} + + +\subsection{Anwendungen und geometrische Konsequenzen} + +Zurück zum eigentlichen Ziel: mithilfe des Satzes „Going up“ können wir jetzt +sehr schnell den Satz~\ref{satz:12-2-2} über die Invarianz der Dimension unter +ganzen Ringerweiterungen beweisen. + +\begin{proof}[Beweis des Satzes~\ref{satz:12-2-2}] + \video{14-4} +\end{proof} + +\begin{beobachtung}[Ganze Ringerweiterungen gehören zu surjektiven Morphismen]\label{beo:12-2-11}% + Es sei $k$ ein algebraisch abgeschlossener Körper, es sei $f : X → Y$ ein + Morphismus von algebraischen Varietäten über $k$, sodass die Bildmenge $f(X)$ + dicht in $Y$ liegt. In Proposition~\vref{prop:7-3-4} hatten wir gesehen, dass + die zugeordnete Abbildung zwischen den Koordinatenringen, $f^* : k[Y] → k[X]$, + dann injektiv ist. Wir können $k[Y]$ also als Unterring von $k[X]$ auffassen. + Was bedeutet es, wenn wir annehmen, dass diese Ringerweiterung ganz ist? Wir + können diese Frage nicht vollständig beantworten, aber eines ist klar: gegeben + ein Punkt $y ∈ Y$, also ein maximales Ideal $m_y ⊂ k[Y]$, dann existiert nach + Satz~\ref{satz:12-2-8} ein Primideal $p ⊂ k[X]$ über $m_Y$. Insbesondere gibt + es ein maximales Ideal $m_x ⊂ k[X]$ über $m_Y$. Überlegen Sie sich, was das + geometrisch bedeutet: Es gibt einen Punkt $x ∈ X$, der auf $y ∈ Y$ abgebildet + wird. Die Abbildung $f$ muss also surjektiv sein! +\end{beobachtung} + +\begin{fakt} + Es sei $f : X → Y$ ein Morphismus von algebraischen Varietäten über $ℂ$, + sodass die Bildmenge $f(X)$ dicht in $Y$ liegt. Dann gilt: Die Abbildung $f^* + : k[Y] → k[X]$ ist genau dann eine ganze Ringerweiterung, wenn $f$ surjektiv + ist, alle Fasern endlich sind und $f$ eigentlich ist. Erinnern Sie sich, was + das Wort „eigentlich“ in der Topologie bedeutet: Urbilder kompakter Mengen + sind wieder kompakt. +\end{fakt} + + +\section{Going down} + +\sideremark{Vorlesung 15}Die Umkehrung von Satz~\ref{satz:goingUp} („Going up“) +ist im Allgemeinen falsch, aber mit Zusatzannahmen richtig. Das Zauberwort +heißt „Normalität“. + +\begin{defn}\label{def:12-3-1}% + Ein Integritätsring $A$ heißt \emph{normal}\index{normaler Ring}, wenn $A$ + ganz abgeschlossen im Quotientenkörper $Q(A)$ liegt. Mit anderen Worten: $A$ + ist normal, wenn die folgende Gleichheit gilt: + \[ + \left\{ \frac{a}{b} ∈ Q(A) \::\: \frac{a}{b} \text{ ist ganz über } A + \right\} = A. + \] +\end{defn} + +\begin{satz}[Going down]\label{satz:goingDown}% + Es sei $A ⊂ B$ eine ganze Erweiterung von Integritätsringen. Weiter seien + Primideale $p_1 ⊂ p_2 ⊂ A$ und $q_2 ⊂ B$ gegeben, wobei $q_2$ über $p_2$ + liegt. Falls $A$ normal ist, dann gibt es ein Primideal $q_1 ⊂ q_2 ⊂ B$ mit + $q_1 ∩ A = p_1$. \qed +\end{satz} + +Anwendungen des Satzes „Going down“ kommen in den Übungen. Obwohl der Beweis +nicht kompliziert ist, möchte ich den Satz „Going down“ in dieser Vorlesung +nicht vertiefen und auch nicht beweisen. + + +\subsection{Normale Ringe} + +Stattdessen interessiere ich mich für den Begriff des „normalen Ringes“. Zum +einen ist der Satz „Going down“ natürlich nur dann interessant, wenn wir in +relevante Situationen die Normalität tatsächlich entscheiden können. Zum +anderen ist Normalität eine ausgesprochen interessante Eigenschaft, auch wenn +ich die geometrischen Konsequenzen in dieser Vorlesung nicht wirklich +diskutieren kann. + +\begin{satz}[Normalität ist lokal]\label{satz:12-3-3}% + Es sei $A$ ein Integritätsring. Dann sind die folgenden Aussagen äquivalent. + \begin{enumerate} + \item\label{12-3-3-1} Der Ring $A$ ist normal. + + \item\label{12-3-3-2} Für alle Primideale $p ⊂ A$ gilt: Der Ring $A_p$ ist + normal. + + \item Für maximalen Ideale $m ⊊ A$ gilt: Der Ring $A_m$ ist normal. + \end{enumerate} +\end{satz} + +Der Beweis folgt nach einem kurzen Lemma. + +\begin{lem}[Lokalisierung und ganzer Abschluss]\label{lem:12-3-4}% + Es $A ⊂ B$ eine Erweiterung von Integritätsringen und es sei $C ⊂ B$ der ganze + Abschluss von $A$ in $B$. Gegeben ein multiplikatives System $S ⊂ A$, dann + ist $S^{-1}C$ der ganze Abschluss von $S^{-1}A$ in $S^{-1}B$. +\end{lem} +\begin{proof}[Beweis von Lemma~\ref{lem:12-3-4}] + Wir wissen aus Satz~\vref{satz:12-2-5}, dass $S^{-1}A ⊂ S^{-1}C$ eine ganze + Ringerweiterung ist. Es bleibt also noch zu zeigen, dass jedes Element in + $S^{-1}B$, welches ganz über $S^{-1}A$ ist, schon in $S^{-1}C$ liegt. + + Sei also ein Element $\frac{b}{s} ∈ S^{-1}B$ gegeben, welches ganz über + $S^{-1}A$ ist. Wir finden also eine Ganzheitsgleichung der Form + \begin{equation}\label{eq:12-3-4-0} + \Bigl(\frac{b}{s}\Bigr)^n + + \frac{a_{n-1}}{s_{n-1}}·\Bigl(\frac{b}{s}\Bigr)^{n-1} + ⋯ + + \frac{a_0}{s_0} = 0, + \end{equation} + wobei die Elemente $\frac{a_i}{s_i} ∈ S^{-1}A$ sind. Setze $t := s_0 ⋯ + s_{n-1} ∈ S$, multipliziere die Gleichung~\eqref{eq:12-3-4-0} mit dem Element + $s·t ∈ S$ und erhalte + \[ + \Bigl(b·t \Bigr)^n + a_{n-1}\frac{st}{s_1} \Bigl(b·t \Bigr)^{n-1} + ⋯ + + a_0 \frac{s^n t^n}{s_0} = 0. + \] + Dies ist eine Ganzheitsgleichung für das Element $b·t ∈ B$ über $A$. Also ist + $b·t ∈ C$ und es folgt die gewünschte Aussage $\frac{b}{s} = \frac{bt}{st} ∈ + S^{-1}C$. +\end{proof} + +\begin{proof}[Beweis von Satz~\ref{satz:12-3-3}] + In der Situation von Satz~\ref{satz:12-3-3} bezeichne den Quotientenkörper von + $A$ mit $B := Q(A)$. Weiter sei $C$ der ganze Abschluss von $A$ in $B$. Wenn + wir die Inklusion mit $ι : A → C$ bezeichnen, dann gilt gemäß + Definition~\ref{def:12-3-1} die folgende Äquivalenz. + \[ + A\text{ ist normal} \iff ι : A → C \text{ ist surjektiv.} + \] + Jetzt sei $p ⊂ A$ ein Primideal. Dann ist $B_p$ der Quotientenkörper von + $A_p$ und nach Lemma~\ref{lem:12-3-4} ist $C_p$ der ganze Abschluss von $A_p$ + in $B_p$. Also gilt ganz analog + \[ + A_p\text{ ist normal} \iff i_p : A_p → C_p \text{ ist surjektiv.} + \] + Da Surjektivität nach Korollar~\ref{kor:10-5-3} eine lokale Eigenschaft ist, + folgt die Äquivalenz von \ref{12-3-3-1} und \ref{12-3-3-2}. Der Beweis für + maximale Ideal folgt natürlich analog. +\end{proof} + +\begin{satz} + Faktorielle Ringe sind normal. +\end{satz} +\begin{proof} + Es sei $A$ ein faktorieller Ring und $x ∈ Q(A)$ sei ganz über A. Wir müssen + zeigen, dass $x ∈ A$ ist. Weil $A$ faktoriell ist, finden wir eine + Darstellung von $x$ als Bruch der Form $x = \frac{p}{q}$, wobei entweder $q$ + eine Einheit ist oder $p$ und $q$ teilerfremd sind. Per Annahme erfüllt $x$ + eine Ganzheitsgleichung über $A$. Es gibt also $a_i ∈ A$, sodass in $Q(A)$ + die Gleichung + \begin{equation}\label{eq:12-3-5-1} + \Bigl( \frac{p}{q} \Bigr)^n + a_{n-1}·\Bigl( \frac{p}{q} \Bigr)^{n-1} + + ⋯ + a_0 = 0 + \end{equation} + gilt. Multipliziere \eqref{eq:12-3-5-1} mit $q^n$ und erhalte die folgende + Gleichung von Elementen in $A$, + \[ + p^n + a_{n-1}q·p^{n-1} + ⋯ + a_0·q^n = 0. + \] + Also gilt $q \mid p^n$. Weil $A$ per Annahme ein faktorieller Ring ist, gilt + $q \mid p$ und deshalb ist $q ∈ A^*$, also $x ∈ A$. +\end{proof} + + +%%% Local Variables: +%%% mode: latex +%%% TeX-master: "21-KA" +%%% End: