% spell checker language \selectlanguage{german} \chapter{Der Riemannsche Abbildungssatz} \begin{satz}[Riemannscher Abbildungssatz]\label{satz:14-5-1}% \index{Riemannscher Abbildungssatz}% Es sei $U \subsetneq \bC$ offen, zusammenhängend und einfach zusammenhängend. Dann ist $U$ biholomorph zur Kreisscheibe $B_1(0)$. \end{satz} \begin{bem} Die Annahme $U \subsetneq \mathbb{C}$ ist wichtig, denn $U = \mathbb{C}$ ist nicht biholomorph zu $B_1(0)$. \end{bem} \section{Der Satz von Montel} Ein wesentlicher technisches Hilfsmittel im Beweis ist der folgende Satz über gleichmäßig beschränkte Funktionenfolgen. In der Literatur findet man statt „gleichmäßig beschränkt“ manchmal auch den Begriff „betragsmäßig simultan beschränkt“. \begin{defn}[Gleichmäßig beschränkte Funktionenfolgen]\label{def:15-0-3}% Sei $U \subset \bC$ offen. Eine Funktionenfolge $f_n : U \to \bC$ ist \emph{gleichmäßig beschränkt}\index{gleichmäßig beschränkte Funktionenfolge}, wenn eine Zahl $R \in \bR$ existiert, sodass für jedes $p \in U$ und jedes $n \in \bN$ die Ungleichung $|f_n(p)| < R$ gilt. Die Funktionenfolge ist \emph{lokal gleichmäßig beschränkt}\index{local gleichmäßig beschränkte Funktionenfolge}, wenn jeder Punkt $p \in U$ eine Umgebung $V = V(p) \subset U$ hat, sodass $f_n|_V : V \to \bC$ gleichmäßig beschränkt ist. \end{defn} \begin{satz}[Satz von Montel\footnote{Paul Antoine Aristide Montel (* 29.~April 1876 in Nizza; † 22.~Januar 1975 in Paris) war ein französischer Mathematiker.}]\label{satz:15-0-4}% Es sei $U \subset \bC$ offen und $f_n \in \sO(U)$ eine lokal gleichmäßig beschränkte Folge von holomorphen Funktionen. Dann gibt es eine Teilfolge, die lokal gleichmäßig konvergiert. \end{satz} \begin{erinnerung}[Satz von Heine\footnote{Heinrich Eduard Heine (* 18.~März 1821 in Berlin; † 21.~Oktober 1881 in Halle (Saale)) war ein deutscher Mathematiker und Hochschullehrer.}--Borel\footnote{Félix Édouard Justin Émile Borel (* 7.~Januar 1871 in Saint-Affrique, Département Aveyron, Region Midi-Pyrénées; † 3.~Februar 1956 in Paris) war ein französischer Mathematiker und Politiker. }]% Es sei $a_n$ eine beschränkte Folge von komplexen Zahlen. Dann gibt es eine konvergente Teilfolge. Im Kontext von Satz~\ref{satz:15-0-4} bedeutet das: wenn ein Punkt $p \in U$ gegeben ist, dann gibt es eine Teilfolge $f_{n_1}, f_{n_2}, \ldots$, sodass $f_{n_k}(p)$ konvergiert. \end{erinnerung} \begin{vorueberlegung}[Vorbereitung 1 zum Satz von Montel]\label{vor:15-0-4}% Wir wissen, dass es eine abzählbare Basis der Topologie gibt. Insbesondere gibt es eine abzählbare, dichte Teilmenge $p_1, p_2, p_3, \ldots$ von $U$. \begin{itemize} \item Es gibt Teilfolgen $f_{n_1'}, f_{n_2'}, f_{n_3'}, \ldots$, die bei $p_1$ konvergiert. \item Davon gibt es Teilfolgen $f_{n_1''}, f_{n_2''}, f_{n_3''}, \ldots$, die bei $p_1$ und $p_2$ konvergiert. \item … \end{itemize} Am Ende gilt: Die Teilfolge $f_{n_1'}, f_{n_2'}, f_{n_3'}, \ldots$ konvergiert bei allen $p_k$! \end{vorueberlegung} \begin{vorueberlegung}[Vorbereitung 2 zum Satz von Montel]\label{vor:15-0-5}% Wenn eine Kreisscheibe $\overline{B_r(p)} \subset U$ gegeben ist, dann gilt für jede Zahl $n \in \bN$ und jeden Punkt $w \in B_r(p)$ nach der Integralformel für Ableitungen die Gleichung \[ f_n'(w) = \frac{1}{2\pi} \int_{\partial B_r(p)} \frac{f_n(z)}{(z-w)^2}\,dz. \] Beachte: \begin{itemize} \item Die Funktionswerte $f_n(z)$ ist per Annahme betragsmäßig beschränkt. \item Auf $B_{r/2}(p)$ ist die Funktion $\frac{1}{(z-w)^2}$ ebenfalls betragsmäßig beschränkt. \end{itemize} Wir erhalten: Die Funktion $f_n'(w)$ ist lokal beschränkt. Genauer: es existiert $M \in \bR$, sodass für jede Zahl $n \in \bN$ und jeden Punkt $w \in B_{r/2}(p)$ die Ungleichung \[ |f_n'(w)| < M \] gilt. \end{vorueberlegung} Der folgenden Mittelwert- und Beschränktheitssätz sing nun eine direkte Konsequenz der Vorüberlegung~\ref{vor:15-0-5}. \begin{konsequenz}[Mittelwertsatz] In der Situation von Satz~\ref{satz:15-0-4} sei eine Kreisscheibe $\overline{B_r(p)} \subset U$ gegeben. Dann existiert eine Zahl $M \in \bR$, sodass für jede Zahl $n \in \bN$ und jeden Punkt $w \in B_{r/2}(p)$ die Ungleichung \[ |f_n(p) - f_n(w)| < M \cdot |p-w| \] gilt. \qed \end{konsequenz} \begin{konsequenz}[Beschränktheitssatz]\label{kon:15-0-6}% In der Situation von Satz~\ref{satz:15-0-4} sei ein Punkt $p \in U$ und eine Zahl $\varepsilon > 0$ gegeben. Dann existiert eine positive Zahl $\delta_{p, \varepsilon} > 0$, sodass die Kreisscheibe $B_{\delta_{p, \varepsilon}}(p)$ ganz in $U$ liegt und für jede Zahl $n \in \bN$ und jeden Punkt $w \in B_{\delta_{p, \varepsilon}}(p)$ die Ungleichung \[ |f_n(p) - f_n(w)| < \varepsilon/3 \] gilt. \qed \end{konsequenz} \begin{proof}[Beweis des Satzes~\ref{satz:15-0-4} von Montel] Nach Vorüberlegung~\ref{vor:15-0-4} können wir die Folge $f_n$ (falls nötig) durch eine Teilfolge ersetzen und ohne Beschränkung der Allgemeinheit annehmen, dass eine abzählbare, dichte Teilmenge $p_1, p_2, \ldots \in U$ existiert, sodass $f_n(p_k)$ konvergiert. Wir werden zeigen, dass die Folge $f_n$ dann bereits lokal gleichmäßig konvergiert: gegeben ein Kompaktum $K \subset U$, so gibt es für jedes $\varepsilon > 0$ einen Index $N$, sodass für alle $n, m > N$ und jedes $p \in K$ die Ungleichung \[ |f_n(p) - f_m(p)| < \varepsilon \] gilt. Seien also $K$ und $\varepsilon$ gegeben. Man beachte: Die Kreisscheiben $B_{\delta(p_i, \varepsilon/3)}(p_i)$ aus Konsequenz~\ref{kon:15-0-6} (``Beschränktheitssatz'') bilden eine offene Überdeckung von $U$. Weil $K$ kompakt ist, überdecken endlich viele dieser Kreisscheiben die Menge $K$. Nach Umnummerierung seien dies \[ B_{\delta_{p_1, \varepsilon/3}}(p_1), \ldots, B_{\delta_{p_\ell, \varepsilon/3}}(p_\ell). \] Jetzt kann ich nach Annahme $N \in \bN$ wählen, sodass alle $n, m > N$ und jeden Index $1 \leq i \leq \ell$ die Ungleichung \[ |f_n(p_i) - f_m(p_i)| < \varepsilon/3. \] gilt. Gegeben irgendeinen $p \in K$, so gibt es nun ein $p_i$, mit $1 \leq i \leq \ell$, sodass $p \in B_{\delta_{p_i, \varepsilon/3}}(p_i)$ ist und für alls $n, m > N$ gilt: \begin{align*} |f_n(p_i) - f_m(p)| & = |f_n(p) - f_n(p_i) + f_n(p_i) - f_m(p_i) + f_m(p_i) - f_m(p)| \\ & \leq |f_n(p) - f_n(p_i)| + |f_n(p_i) - f_m(p_i)| + |f_m(p_i) - f_m(p)| \\ & \leq \varepsilon. \end{align*} Damit ist der Satz bewiesen. \end{proof} % !TEX root = Funktionentheorie