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@@ -37,3 +37,4 @@ Beauvais
Maximumsprinzips
Saint-Omer
Holomorphie
Kompaktum

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@@ -319,9 +319,13 @@ Es gilt noch mehr, aber dafür müssen wir etwas mehr arbeiten.
daher positiv.
\end{proof}
\begin{kor}[Charakterisierung holomorpher Funktionen]\label{kor:5-2-6}%
Sei $U ⊆ $ offen und $f : U → $ sei stetig. Dann sind die folgenden
Aussagen äquivalent.
\begin{kor}[Satz von Morera\footnote{Giacinto Morera (* 18.~Juli 1856 in Novara,
Italien; † 8.~Februar 1909 in Turin, Italien) war ein italienischer Ingenieur
und Mathematiker. Er ist für den Satz von Morera in der Funktionentheorie und
für seine Arbeiten über lineare Elastizität bekannt.}, Charakterisierung
holomorpher Funktionen]\label{kor:5-2-6}%
\index{Satz von Morera}Sei $U ⊆ $ offen und $f : U → $ sei stetig. Dann
sind die folgenden Aussagen äquivalent.
\begin{enumerate}
\item\label{il:5-2-8-1} Die Funktion $f$ ist holomorph.
\item\label{il:5-2-8-2} Für jedes achsenparallele Rechteck $\mathcal{R} ⊂ U$

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@@ -64,4 +64,270 @@ Man beachte: Genau wie in der reellen Situation machen wir in \ref{il:6-0-2-4}
keinerlei Aussagen über Konvergenz der Reihe für Punkte $z$, die auf dem Rand $
B_r(ρ)$ der Kreisscheibe liegen.
\begin{bsp}[Potenzreihen mit Entwicklungspunkt 0]
---
\begin{enumerate}
\item $\sum_{i=0}^\frac{zⁱ}{i!}$ --- diese Potenzreihe kennen wir schon, das
ist die Exponentialfunktion. Der Konvergenzradius ist $$.
\item $\sum_{i=0}^∞ zⁱ$ --- diese Potenzreihe kennen wir auch schon. Aus
Analysis I wissen wir: Reihe konvergiert für reelle $z$ mit $|z| < 1$. Für
$z = 1$ konvergiert die Reihe nicht. Also ist der Konvergenzradius $= 1$.
Wie in der Vorlesung Analysis~I rechnet man nach: für jede Zahl $z ∈ B_1(0)$
konvergiert die Reihe konvergiert gegen $\frac{1}{1-z}$.
\end{enumerate}
\end{bsp}
\begin{proposition}[Kompakt konvergierende Folgen holomorpher Funktionen]\label{prop:potenzreihe-holomorph}%
Es sei $U ⊂ $ offen und es sei $(f_i)_{i ∈ }$ eine Folge von holomorphen
Funktionen, $f_i ∈ \sO(U)$, die auf $U$ kompakt gegen Grenzfunktion $f$
konvergiert. Dann gilt:
\begin{enumerate}
\item\label{il:6-0-4-1} Die Grenzfunktion ist holomorph, $f ∈ \sO(U)$.
\item\label{il:6-0-4-2} Die Folge $(f_i')_{i ∈ }$ der komplexen Ableitungen
konvergiert kompakt gegen $f'$.
\end{enumerate}
\end{proposition}
\begin{proof}[Beweis von \ref{il:6-0-4-1}]
Die kompakte Konvergenz (= lokal gleichmäßige Konvergenz) garantiert schon
einmal, dass $f$ stetig ist. Um zu zeigen, dass $f$ holomorph ist, verwenden
wir das Kriterium aus Korollar~\ref{kor:5-2-6}. Wenn $R ⊂ U$ ein
Achsenparalleles Rechteck ist, dann ist
\[
\int_{∂R} f(z)\,dz = \lim_{i→∞} \int_{∂R} f_i(z)\,dz = 0.
\]
Die erste Gleichheit gilt, weil $∂R$ kompakt ist und $f_i$ kompakt gegen $f$
konvergiert. Die Integrale $\int_{∂R} f_i(z)\,dz$ verschwinden nach
Korollar~\ref{kor:5-2-6}, weil die Funktionen $f_i$ holomorph sind.
\end{proof}
\begin{proof}[Beweis von \ref{il:6-0-4-2}]
Es sei ein Punkt $z_0 ∈ U$ gegeben. Wir müssen zeigen, dass die Folge
$(f_i')_{i ∈ }$ in der Nähe von $z_0$ gleichmäßig gegen $f'$ konvergiert.
Wähle dazu einen Radius $r ∈ ^+$, sodass die abgeschlossene Kreisscheibe
$\overline{B_r(z_0)}$ ganz in $U$ liegt. Dann wissen wir nach dem
Satz~\ref{satz:4-4-2} von Goursat schon: für jede Zahl $w$ aus dem Inneren der
Kreisscheibe, $w ∈ B_r(z_0)$ gelten die Gleichungen
\begin{align*}
f'(w) & = \frac{1}{2πi} \int_{∂B_r(z_0)} \frac{f(z)}{(z-w)^2}\,dz \\
f_i'(w) & = \frac{1}{2πi} \int_{∂B_r(z_0)} \frac{f_i(z)}{(z-w)^2}\,dz
\end{align*}
Betrachte als Nächstes die Hilfsabbildungen
\begin{align*}
φ: ∂B_r(z) \times B_r(z_0) &\to & (z, w) & \mapsto \frac{f(z)}{(z-w)^2} \\
φ_i: ∂B_r(z) \times B_r(z_0) &\to & (z, w) & \mapsto \frac{f_i(z)}{(z-w)^2}.
\end{align*}
Dann ist klar: auf der kompakten Menge $∂B_r(z_0) \times
\overline{B_{r/2}(z_0)}$ konvergiert die Funktionenfolge $φ_i$ gleichmäßig
gegen $φ$. Also konvergiert die Funktionenfolge $f_i'$ auf
$\overline{B_{r/2}(z_0)}$ gleichmäßig gegen $f'$.
Insgesamt sehen wir: jedes Kompaktum $K ⊂ U$ ist von endlich vielen
abgeschlossenen Kreisscheiben überdeckt, auf denen $f_i'$ gleichmäßig gegen
$f'$ konvergiert, also liegt kompakte Konvergenz vor.
\end{proof}
\begin{kor}[Potenzreihen und Holomorphie]
Es sei $\sum_{i=0}^∞ a_i (z-ρ)$ eine Potenzreihe mit Entwicklungspunkt $ρ$
und Konvergenzradius $r > 0$. Weiter sei $f: B_r(ρ)$ die zugehörige
Funktion. Dann gilt:
\begin{enumerate}
\item Die Funktion $f$ ist holomorph, $f \in \sO(B_r(ρ))$.
\item Der Konvergenzradius der Potenzreihe $\sum_{i=1}^∞ i · a_i (z-ρ)^{i-1}$
ist mindestens $r$. Auf der Kreisscheibe $B_r(ρ)$ ist die zugehörige
Funktion exakt die Ableitung $f'$. \qed
\end{enumerate}
\end{kor}
\begin{proberechnung}
Es sei $r > 0$ und es sei $f ∈ \sO(B_r(0))$. Wenn $ρ < r$ eine positive Zahl
ist, dann ist $\forall w ∈ B_ρ(0)$:
\[
f(w) = \frac{1}{2πi} \int_{∂B_ρ(0)} \frac{f(z)}{z - w}\,dz
\]
Witz: wenn $z ∈ ∂B_ρ(0)$ und $w ∈ B_ρ(0)$ gegeben sind, schreib
\[
\frac{1}{z-w} = \frac{1}{z} · \frac{1}{1 - w/z} = \frac{1}{z} · \sum_{i=0}^
\left(\frac{w}{z}\right)
\]
wobei $\text{Betrag} < 1$.
Also: $\forall w ∈ B_ρ(0)$:
\[
f(w) = \frac{1}{2πi} \int_{∂B_ρ(0)} \frac{f(z)}{z} \sum_{i=0}^
\left(\frac{w}{z}\right)\,dz
\]
\emph{komp. Konv.}
\begin{align*}
&= \frac{1}{2πi} \sum_{i=0}^\int_{∂B_ρ(0)} \frac{f(z)}{z^{i+1}} · wⁱ\,dz \\
&= \frac{1}{2πi} \sum_{i=0}^\left( \int_{∂B_ρ(0)} \frac{f(z)}{z^{i+1}}\,dz
\right) · wⁱ \\
&\qquad\qquad\qquad\llap{$\underbrace{\hphantom{\int_{∂B_ρ(0)}
\frac{f(z)}{z^{i+1}}\,dz}}_{= a_i}$}
\end{align*}
\end{proberechnung}
\begin{beobachtung}
Nach dem Integralsatz von Cauchy hängen die Zahlen $a_i$ gar nicht von der
Wahl von $ρ$ ab!
Die Gleichung
\[
f(w) = \frac{1}{2πi} \sum_{i=0}^∞ a_i wⁱ \qquad (*)
\]
gilt also für alle $w ∈ B_r(0)$. Insbesondere ist der Konvergenzradius von
$(*)$ mindestens gleich $r$.
Das funktioniert natürlich nicht nur bei Kreisscheiben um den Nullpunkt.
\end{beobachtung}
\begin{satz}
Es sei $B_r(ρ)$ eine Kreisscheibe und $f ∈ O(B_r(ρ))$. Dann kann $f$ auf
ganz $B_r(ρ)$ als Potenzreihe dargestellt werden. Genauer: Es existiert
Potenzreihe $\sum_{i=0}^∞ a_i (z-ρ)$ mit Entwicklungspunkt $ρ$ und
Konvergenzradius $≥ r$, sodass $\forall z ∈ B_r(ρ)$ die Gleichung $f(z) = \sum_{i=0}^
a_i (z-ρ)$ gilt.
\end{satz}
\begin{bemerkung}
Umkehrung gilt erreicht: Funktionen, die als Potenzreihen dargestellt werden
können, sind holomorph.
\end{bemerkung}
\begin{frage}
Gegeben $f ∈ O(B_r(ρ))$. Wie komme ich an die Darstellung von $f$ als
Potenzreihe? Muss ich wirklich $ρ < r$ wählen und $\int_{∂B_ρ(r)}
\frac{f(z)}{zⁱ}\,dz$ ausrechnen?
\end{frage}
\begin{rem}[Antwort]
Aber nein!! Wenn ich schon sehr bin, dass es eine Darstellung gibt, $f(z) =
\sum a_i (z-ρ)$, dann ist $a_0 = f(ρ)$. Außerdem haben wir bewiesen: $(*) \quad
f'(z) = \sum_{i=1}^∞ a_i · i (z-ρ)^{i-1}$ insquent: $\forall i ∈ $, $a_i =
\frac{f^{(i)}(ρ)}{i!}$.
Die Darstellung $(*)$ ist also einfach die aus Ana I bekannte Taylor-Reihe (=
Maclaurin series).
\end{rem}
\begin{bemerkung}
Manchmal tritt folgende Situation auf: gegeben eine Kreisscheibe $B_r(ρ)$ und
$f ∈ O(B_r(ρ))$. Dann schreibe ich $f$ als Potenzreihe mit Entwicklungspunkt
$ρ$ und stelle fest, dass der Konvergenzradius $\tilde R > r$ ist. In dieser
Situation ist klar, dass ich $f$ \emph{sofort} zu einer holom. Fkt. auf
%$B_r(ρ) \subsetneq B_{\tilde R}(ρ)$ fortsetzen kann.
Falls $r = \tilde R$ ist, dann ist klar, dass ich $f$ niemals auf einer
größeren Kreisscheibe fortsetzen kann!
\end{bemerkung}
Das führt zu interessanten Situationen!
\begin{center}
\begin{tikzpicture}
\draw (0,0) circle (1.5);
\draw[dashed] (1.2,0.8) circle (1.2);
\fill (0,0) circle (1.5pt);
\end{tikzpicture}
\end{center}
\section{Nullstellen von holomorphen Funktionen}
\begin{situation}
Sei $U ⊂ $ offen, sei $f ∈ O(U)$ und
\[
Z = \{ z ∈ U \mid f(z) = 0 \}.
\]
Die Menge $Z ⊂ U$ ist \emph{abgeg} abgeschlossen. Was können wir sonst noch
sagen?
\end{situation}
\begin{proberechnung}
Sei $ρ ∈ Z$ und sei $\sum_{i=0}^∞ a_i(z-ρ)$ $(*)$ die
Potenzreihenentwicklung von $f$ im Punkt $ρ$, Konvergenzradius $= r$. Zwei
Möglichkeiten:
\emph{Typ 1:} alle $a_i = 0$. Dann $∃ r > 0$, sodass $B_r(ρ) ⊂ U$ ist und
$f|_{B_r(ρ)} \equiv 0$.
\emph{Typ 2:} nicht alle $i = 0$. Sei $n = \min \{ i \mid a_i ≠ 0 \}$, nenne
$n$ die „Ordnung der Nullstelle". Schreibe
% \begin{align*}
% f(z) &= \st{$\sum_{i=n}^∞ a_i (z-ρ)ⁱ$} \\
% &= (z-ρ)^n · \sum_{i=n}^∞ a_i (z-ρ)^{i-n} \\
% &= \underbrace{\vphantom{\sum}(* *)}
% \end{align*}
\end{proberechnung}
\begin{rem}[nachrechnen]
die Potenzreihe $(* *)$ hat ebenfalls Konvergenzradius $r$, definiert also
Funktion $g ∈ O(B_r(ρ))$ die aber bei $ρ$ keine Nullstelle hat (… und in
einer ausreichend kleinen Umgebung von $ρ$ ebenfalls nicht). Auf $B_r(ρ)$
gilt die Gleichung
\[
f(z) = (z-ρ)^n · g(z)
\]
und $∃ ε > 0$: $Z ∩ B_ε(ρ) = \{ρ\}$.
Man sagt: $ρ$ ist eine isolierte Nullstelle von $f$.
\end{rem}
\begin{rem}[Zusammenfassung]
Kann die Menge $Z$ zerfallen
\[
Z = \underbrace{Typ 1}_{offen!} \quad \dot{} \quad Typ 2 \underbrace{\vphantom{Typ
1}}_{\mathclap{\text{diskret: abg., jeder Punkt}}}
\]
\[
\underbrace{\vphantom{Typ 1}}_{\mathclap{\text{hat $ε$-Umgebung, sodass kein
weiterer Punkt in dieser Umg. liegt}}}
\]
\emph{Konsequenz:} Die Menge der Typ 1 - Nullstellen ist offen \emph{und}
abgeschlossen, also eine ganze Zusammenhangskomponente von $U$!
\end{rem}
\subsection{Zwei unmittelbare Konsequenzen} \quad $f ∈ O(U)$
\begin{satz}
Sei $U ⊂ $ offen und zusammenhängend. Dann äquivalent
\begin{enumerate}
\item $Z(f)$ ist nicht diskret. (= hat Häufungspunkt")
\item $f \equiv 0$.
\end{enumerate}
\end{satz}
\begin{kor}
Sei $U ⊂ $ offen und zusammenhängend, seien $f, g ∈ O(U)$. Dann äquivalent:
\begin{enumerate}
\item Die Menge $\{ z ∈ U \mid f(z) = g(z) \}$ ist nicht diskret (= hat
Häufungspunkt")
\item $f = g$.
\end{enumerate}
\end{kor}
\begin{bsp}
$\exp: $ ist die einzige holomorphe Funktion, die für reelle Zahlen mit
der bekannten Exponentialfunktion übereinstimmt.
\end{bsp}
\begin{kor}
Es sei $U ⊂ $ zusammenhängend und offen, weiter sei $f ∈ O(U)$. Falls $|f|$
ein maximum hat, dann ist $f$ konstant.
\end{kor}
\begin{proof}
Sei $ρ ∈ U$ ein Maximum. Wissen schon: $∃ ε > 0$:
\[
f|_{B_ε(ρ)} = \text{const.} \quad\quad f - f(ρ) ∈ O(U) \text{ hat
nicht-isolierte}
\]
Nullstelle, ist also konstant $= 0$.
\end{proof}
% !TEX root = Funktionentheorie