From af4e36fb8266a3ee112623d0d8cd49066e779d4a Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: Stefan Kebekus Date: Mon, 10 Nov 2025 09:15:32 +0100 Subject: [PATCH] Working --- .vscode/ltex.hiddenFalsePositives.de-DE.txt | 1 + 08-lokaleStruktur.tex | 140 +++++++++++++++++++- 09-singularities.tex | 60 +++++++++ Funktionentheorie.tex | 5 + 4 files changed, 203 insertions(+), 3 deletions(-) create mode 100644 09-singularities.tex diff --git a/.vscode/ltex.hiddenFalsePositives.de-DE.txt b/.vscode/ltex.hiddenFalsePositives.de-DE.txt index a4235de..126e025 100644 --- a/.vscode/ltex.hiddenFalsePositives.de-DE.txt +++ b/.vscode/ltex.hiddenFalsePositives.de-DE.txt @@ -24,3 +24,4 @@ {"rule":"GERMAN_WORD_REPEAT_BEGINNING_RULE","sentence":"^\\QBehauptung \\E(?:Dummy|Ina|Jimmy-)[0-9]+\\Q folgt aus \\E(?:Dummy|Ina|Jimmy-)[0-9]+\\Q, da \\E(?:Dummy|Ina|Jimmy-)[0-9]+\\Q gilt.\\E$"} {"rule":"GERMAN_WORD_REPEAT_BEGINNING_RULE","sentence":"^\\QBehauptung \\E(?:Dummy|Ina|Jimmy-)[0-9]+\\Q ist wieder \\E(?:Dummy|Ina|Jimmy-)[0-9]+\\Q.\\E$"} {"rule":"GERMAN_SPELLER_RULE","sentence":"^\\QEs ist \\E(?:Dummy|Ina|Jimmy-)[0-9]+\\QId.\\E$"} +{"rule":"GERMAN_SPELLER_RULE","sentence":"^\\QInsbesondere gibt es offene Umgebung \\E(?:Dummy|Ina|Jimmy-)[0-9]+\\Q, sodass auf \\E(?:Dummy|Ina|Jimmy-)[0-9]+\\Q eine \\E(?:Dummy|Ina|Jimmy-)[0-9]+\\Q-te Wurzelfunktion existiert, also eine Funktion \\E(?:Dummy|Ina|Jimmy-)[0-9]+\\Q sodass für jedes \\E(?:Dummy|Ina|Jimmy-)[0-9]+\\Q die Gleichung \\E(?:Dummy|Ina|Jimmy-)[0-9]+\\Q gilt.\\E$"} diff --git a/08-lokaleStruktur.tex b/08-lokaleStruktur.tex index 574cc31..9dacaa0 100644 --- a/08-lokaleStruktur.tex +++ b/08-lokaleStruktur.tex @@ -5,7 +5,7 @@ Ich beginne mit einer Erinnerung. -\begin{lem} +\begin{lem}\label{lem:8-0-1}% Es sei $U ⊂ ℂ$ offen und $f ∈ \sO(U)$. Weiter sei ein Punkt $ρ ∈ U$ gegeben, sodass $f'(ρ) ≠ 0$ ist. Dann gibt es eine offene Umgebung $V = V(ρ) ⊂ U$, sodass Folgendes gilt. @@ -25,7 +25,141 @@ Ich beginne mit einer Erinnerung. Umkehrfunktion $(f|_V)^{-1}$ wieder holomorph. \end{proof} -Wir haben diese Argumente schon benutzt, um zu zeigen, dass jeder Punkt aus -$ℂ^*$ eine Umgebung hat, auf der eine Wurzelfunktion existiert. +\sideremark{Vorlesung: 12}Wir haben diese Argumente schon benutzt, um zu zeigen, +dass jeder Punkt aus $ℂ^*$ eine Umgebung hat, auf der eine Wurzelfunktion +existiert. + +\begin{satz}[Wurzeln holomorpher Funktionen]\label{satz:8-0-2}% + Sei $U ⊂ ℂ$ offen und $f ∈ \sO(U)$. Angenommen, $f$ hat bei $ρ ∈ U$ eine + Nullstelle von Ordnung $n$, mit $1 ≤ n < ∞$. Dann gibt es eine Umgebung $V = + V(ρ) ⊂ U$ und eine Funktion $b ∈ \sO(V)$ sodass folgendes gilt: + \begin{enumerate} + \item Für jedes $z ∈ V$ gilt $f(z) = b(z)^n$, und + \item die Bildmenge $W := b(V) ⊂ ℂ$ ist offen und $b: V → W$ ist biholomorph. + \end{enumerate} +\end{satz} +\begin{proof} + Wir betrachten nur den Fall, dass $ρ ∈ ℂ$ der Nullpunkt ist. Falls $n = 1$, + dann zeigt Lemma~\ref{lem:8-0-1}, dass wir $b := f$ setzen können. + + Sei also $n > 1$. Wir haben schon gesehen: auf einer geeigneten Kreisscheibe + $D$ um $ρ = 0$ gibt es eine Funktion $g$ mit $g(0) ≠ 0$, sodass auf ganz $D$ + die folgende Gleichung gilt: + \[ + f(z) = z^n·g(z). + \] + Insbesondere gibt es offene Umgebung $\Omega = \Omega(g(0)) ⊂ ℂ$, sodass auf + $\Omega$ eine $n$-te Wurzelfunktion existiert, also eine Funktion $r: \Omega → + ℂ^*$ sodass für jedes $\omega \in \Omega$ die Gleichung $r(\omega)^n = \omega$ + gilt. + Setze dann $V := D \cap g^{-1}(\Omega)$ und definiere die Funktion + \[ + b : V \to \bC, \quad z \mapsto z·r(g(z)). + \] + Rechne nach, dass $b$ die gewünschten Eigenschaften hat. +\end{proof} + +Als Konsequenz von Satz~\ref{satz:8-0-2} können wir sagen, dass lokal jede +holomorphe Funktion aussieht wie $z ↦ z^n$. Der folgende Satz macht diese +Aussage präzise. + +\begin{satz}[Lokale Struktur holomorpher Funktionen]\label{satz:8-0-3}% + Es sei $U ⊂ ℂ$ offen und $f ∈ \sO(U)$. Weiter sei $ρ ∈ U$ ein Punkt, sodass + $f$ in der Nähe von $ρ$ nicht konstant ist. Dann gibt es Einbettungen der + Einheitskreisscheibe, + \[ + u, v: Δ → ℂ, + \] + sodass die folgenden Eigenschaften gelten + \[ + u(\Delta) \subseteq U, \quad u(0) = ρ, \quad v(0) = f(ρ). + \] + Zusätzlich gilt: Es gibt eine Zahl $n ∈ ℕ$, sodass das folgende Diagramm + kommutiert + \[ + \begin{tikzcd} + Δ \ar[r, "u"] \ar[d, "z \mapsto z^n"'] & U \ar[d, "f"] \\ + Δ \ar[r, "v"'] & ℂ. + \end{tikzcd} + \] +\end{satz} +\begin{proof} + Wir betrachten die Funktion $z \mapsto f(z) - ρ$, die am Punkt $ρ$ eine + Nullstelle hat. Sei $1 \leq n < ∞$ die Nullstellenordnung dieser Funktion bei + $p$. Nach Satz~\ref{satz:8-0-2} über die Wurzeln holomorpher Funktionen gibt + es eine Umgebung $V = V(ρ)$ und eine Einbettung + \[ + b: V → ℂ + \] + mit Bildmenge $W$, sodass für jedes $z ∈ V$ gilt: $f(z) - ρ = b(z)^n$. + + Die Menge $W$ ist eine offene Umgebung der $0$. Wir können daher ein Skalar + $λ ∈ ℝ^+$ wählen, sodass die skalierte Menge $λ·W = \{λ·w \::\: w ∈ W\}$ den + Einheitskreis $Δ$ enthält. Betrachte die Abbildung + \[ + u : \Delta \to \bC, \quad z \mapsto \bigl(λ·b(z)\bigr)^{-1} + \] + und setze + \[ + U := (λ·b)^{-1}(Δ). + \] + Dann ist $u: Δ → U$ eine biholomorphe Abbildung und für jedes $z ∈ U$ gilt: + \begin{align*} + \left(u^{-1}(z)\right)^n & = \left(λ·b(z)\right)^n \\ + & = λ^n·b(z)^n \\ + & = λ^n·(f(z) - ρ)^n \\ + & = \left(\sqrt[n]{λ}·(f(z) - ρ)\right)^n. + \end{align*} + Betrachte dann die Abbildung + \[ + v: Δ → ℂ, \quad z ↦ \frac{z}{\sqrt[n]{λ}} + ρ. + \] + Nachdem wir die Kreisscheibe $D$ um $0$ gegebenenfalls verkleinern, können wir + annehmen, dass $g(D) ⊂ \widetilde{W}$ ist. Dann gilt für jedes $z ∈ D$: + \[ + f(z) = z^n·r(g(z))^n = \left[z·r(g(z))\right]^n. + \] + Jetzt ist klar: $\left[z·r(g(z))\right](ρ)$ ist eine Wurzel von $g(ρ) ≠ 0$, + also selbst ungleich 0. Deshalb sagt Lemma~\ref{lem:8-0-1}, dass es eine + Umgebung $V ⊂ Δ$ gibt, sodass $b = z·r(g(z))$ biholomorph auf die Bildmenge + ist. +\end{proof} + +Satz~\ref{satz:8-0-3} erlaubt, jede (nicht-konstante) holomorphe Funktion lokal +mit der holomorphen Funktion $z ↦ z^n$ zu vergleichen. Zum Beispiel ist die +Abbildung $z ↦ z^n$ offen (= Bilder offener Mengen sind offen). Also erhalten +wir: + +\begin{satz}[Satz von der Gebietstreue]\label{satz:gebietstreue}% + Sei $U ⊂ ℂ$ offen und zusammenhängend, und sei $f ∈ \sO(U)$ nicht konstant. + Dann ist $f(U) ⊂ ℂ$ offen und zusammenhängend. +\end{satz} +\begin{proof} + Nach dem Satz über die lokale Struktur ist $f(U)$ offen, weil die Abbildung + $f$ offen ist. Aus der Vorlesung „Analysis II“ wissen wir: Bilder + zusammenhängender Mengen unter stetigen Abbildungen sind zusammenhängend. +\end{proof} + +\begin{notation} + In der Funktionentheorie nennt man offene, zusammenhängende Teilmengen des $ℂ$ + oft \emph{Gebiete}\index{Gebiet}. Satz~\ref{satz:gebietstreue} sagt in dieser + Sprache: ist die Funktion nicht konstant, dann sind Bilder von Gebieten selbst + wieder Gebiete. +\end{notation} + +Als Beispielanwendung erhalten wir einen neuen Beweis des Maximumsprinzips. + +\begin{satz}[Maximumsprinzip] + Sei $U ⊂ ℂ$ ein Gebiet und $f ∈ \sO(U)$ sei eine nicht-konstante, holomorphe + Funktion. Dann hat $|f|$ kein lokales Maximum in $U$. +\end{satz} +\begin{proof} + Wir argumentieren mit Widerspruch und nehmen an, es gebe ein $ρ ∈ U$ sodass + $|f|$ bei $ρ$ ein lokales Maximum annimmt. Nach Verkleinern von $U$ können wir + ohne Beschränkung der Allgemeinheit annehmen, dass $|f|$ bei $ρ$ ein globales + Maximum annimmt. Aber: $f(U)$ ist offen, also existiert ein $ε > 0$, sodass + $B_ε(f(ρ)) ⊂ f(U)$ ist. Also liegen in $f(U)$ neben $f(ρ)$ noch Punkten mit + größerem Betrag. +\end{proof} % !TEX root = Funktionentheorie diff --git a/09-singularities.tex b/09-singularities.tex new file mode 100644 index 0000000..c5e86fd --- /dev/null +++ b/09-singularities.tex @@ -0,0 +1,60 @@ +% spell checker language +\selectlanguage{german} + +\chapter{Singuläre Stellen holomorpher Funktionen} + +\section{Isolierte Singularitäten} + +Wir interessieren uns für die folgende Situation: Sei $U ⊂ ℂ$ ein Gebiet, sei +$ρ ∈ U$ ein Punkt. Gegeben eine holomorphe Funktion $f ∈ \sO(U \setminus ρ)$. +Was kann ich über das Verhalten von $f$ bei $ρ$ sagen? + +\begin{bsp} + In diesen Beispielen ist $U = ℂ$ und $ρ = 0$. + \begin{enumerate} + \item Die Funktion $f(z) = z$ ist die Einschränkung einer holomorphe Funktion, + die bereits auf ganz $U$ definiert ist. Man sagt in diesem Fall, die + \emph{Singularität von $f$ bei $ρ$ ist hebbar}. + + \item Die Funktion $f(z) = 1/z$ ist keinesfalls die Einschränkung einer + holomorphe Funktion, die bereits auf ganz $U$ definiert. Tatsächlich ist $f$ + ist nicht einmal Einschränkung einer stetigen Funktion, die auf ganz $ℂ$ + definiert ist (denn für jedes $ε ∈ ℝ^+$ ist die Funktion $|1/z|$ auf $B_ε(0) + \setminus 0$ unbeschränkt). Aber: ganz schlimm ist $f$ auch nicht, denn + $z·f(z)$ ist holomorph. Man sagt, die \emph{Funktion $f$ hat bei $0$ eine + Polstelle}. + + \item Im Vergleich zu den vorhergehenden Funktionen ist $f(z) = \exp(1/z)$ + echt übel. Man rechne nach: für jedes $n ∈ ℕ$ ist $z^n·\exp(1/z)$ in der + Nähe von $0$ betragsmäßig unbeschränkt (dazu reicht es, reelle $z$ zu + betrachten). So etwas nennen wir eine \emph{wesentliche Singularität}. + \end{enumerate} +\end{bsp} + +\begin{definition}[Funktionen mit isolierten Singularitäten]\label{def:9-1-1}% + Sei $U ⊂ ℂ$ offen. Eine \emph{holomorphe Funktion mit isolierten + Singularitäten}\index{holomorph!mit isolieren Singularitäten} ist eine + holomorphe Funktion $f ∈ \sO(U \setminus T)$ wobei $T ⊂ U$ eine diskrete Menge + ist. +\end{definition} + +\begin{definition}[Typen mit isolierten Singularitäten] + In der Situation von Definition~\ref{def:9-1-1} sei ein Punkt $ρ ∈ T$. + \begin{enumerate} + \item Wenn es eine Funktion $F ∈ \sO( (U \setminus T) \cup \{ρ\})$, die auch + $U \setminus T$ mit $f$ übereinstimmt, dann sagt man, dass $f$ bei + $ρ$ eine \emph{hebbare Singularität}\index{hebbare Singularität} hat. + + \item Wenn $f$ hat bei $ρ$ keine hebbare Singularität, es aber eine Zahl $n ∈ + ℕ$ gibt, sodass die Funktion $(z - ρ)^n·f(z)$ eine hebbare Singularität hat, + dann sagt man, dass $f$ bei $\rho$ eine \emph{Polstelle}\index{Polstelle} + hat. Die kleinste Zahl $n$ heisst + \emph{Polstellenordnung}\index{Polstellenordnung} von $f$ am Punkt $ρ$. + + \item Wenn die Funktion $f$ bei $ρ$ weder eine hebbare Singularität noch eine + Polstelle hat, dann sagt man, dass $f$ bei $\rho$ eine \emph{wesentliche + Singularität}\index{wesentliche Singularität} hat. + \end{enumerate} +\end{definition} + +% !TEX root = Funktionentheorie diff --git a/Funktionentheorie.tex b/Funktionentheorie.tex index 38509d2..f273460 100644 --- a/Funktionentheorie.tex +++ b/Funktionentheorie.tex @@ -147,6 +147,11 @@ Link in den Text ein. \input{07-nullstelle} \input{08-lokaleStruktur} + +\part{Singularitäten} + +\input{09-singularities} + \addchap{Lizenz} Dieser Text ist unter der Lizenz