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\chapter{Normale und Galoissche Körpererweiterungen}
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\label{chap:15}
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\section{Die Galoisgruppe einer Körpererweiterung}
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\sideremark{Vorlesung 16}Nun kommen wir endlich zu der Definition, auf die ich
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seit der Vorlesung 10 hin gearbeitet habe: die Symmetriegruppe von
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Körpererweiterungen, auch bekannt als
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Galois\footnote{\href{https://de.wikipedia.org/wiki/Evariste_Galois}{Évariste
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Galois} (* 25.~Oktober 1811 in Bourg-la-Reine; † 31.~Mai 1832 in Paris) war ein
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französischer Mathematiker. Er starb im Alter von nur 20 Jahren bei einem
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Duell, erlangte allerdings durch seine Arbeiten zur Lösung algebraischer
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Gleichungen, der sogenannten Galoistheorie, postum Anerkennung.}-Gruppe. Die
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folgende Definition haben wir informell schon an mehreren Stellen diskutiert.
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\begin{defn}[Galoisgruppe einer Körpererweiterung]
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Sei $L/K$ eine Körpererweiterung. Dann ist die Gruppe der $K$-Automorphismen
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$L → L$ wird als \emph{Galoisgruppe der Körpererweiterung
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$L/K$}\index{Galoisgruppe!einer Körpererweiterung} bezeichnet, wobei die
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Gruppenverknüpfung wie üblich die Komposition von Automorphismen ist. Die
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Schreibweise $\Gal(L/K)$ ist üblich. Die Ordnung der Gruppe (=Anzahl der
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Elemente) wird oft mit $|\Gal(L/K)|$ oder $\#\Gal(L/K)$ notiert.
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\end{defn}
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\begin{defn}[Galoisgruppe eines Polynoms]
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Es sei $K$ ein Körper und es sei $f ∈ K[x]$ ein Polynom. Weiter sei $L$ der
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Zerfällungskörper von $f$ über $K$. Dann wird die Galoisgruppe der
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Körpererweiterung $L/K$ oft auch mit $\Gal(f)$ notiert und als „Galoisgruppe
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von $f$“ bezeichnet.\index{Galoisgruppe!eines Polynoms}
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\end{defn}
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Eine wichtige Aufgabe der Algebra, Algebra-Klausur und der mündlichen
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Algebra-Prüfung ist es, die Galoisgruppe einer gegebenen Körpererweiterung zu
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beschreiben. Dabei bedeutet „beschreiben“ mindestens, das man die Anzahl der
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Elemente angeben kann. Besser ist es, Erzeuger und Relationen der Gruppe
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anzugeben. Noch besser ist es, die Gruppe mit einer bekannten Gruppe, etwa der
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\href{https://gdz.sub.uni-goettingen.de/id/PPN516762672}{Symmetriegruppe eines
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schicken platonischen Körpers}, zu identifizieren. Die allererste Beobachtung
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ist, dass die Gruppe in vielen relevanten Fällen zumindest endlich ist. Wir
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können sogar eine Abschätzung für die Größe der Gruppe angeben und die Größe in
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einigen Fällen sogar exakt bestimmen.
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\begin{beobachtung}[Größenabschätzung für die Galoisgruppe]\label{beob:gg}%
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Wenn $L/K$ eine endliche Körpererweiterung ist, $n := [L:K]$, dann zeigt
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Satz~\vref{Satz_K_Morphismus_Fortsetzung} („Universelle Eigenschaft des
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algebraischen Abschluss“) zusammen mit Satz~\ref{Satz_11_10}, dass es
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höchstens $n$ verschiedene $K$-Morphismen $L → L$ gibt. Also ist $|\Gal(L/K)|
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≤ n$.
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\end{beobachtung}
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\begin{beobachtung}[Einfache Erweiterungen]
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Wenn $L/K$ eine einfache\footnote{Definition~\vref{def:einfach}: einfach = es
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gibt eine Element $a ∈ L$, sodass die Gleichung $L=K(a)$ gilt.}
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Körpererweiterung ist, dann zeigt
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Lemma~\ref{Lemma_Nullstellenanzahl_gleich_anzahl_der_Fortsetzungen}, dass
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$|\Gal(L/K)|$ exakt die Anzahl der Nullstellen ist, die das Minimalpolynom von
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$a$ im Körper $L$ hat.
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\end{beobachtung}
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\begin{bsp}
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Es sei $K = ℚ$ und es sei $d ∈ ℕ ∖ \{0,1\}$ eine
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quadratfreie\footnote{quadratfrei = kein Primteiler tritt doppelt auf} ganze
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Zahl. Weiter sei $a := \sqrt d ∈ ℝ$ und $L := ℚ(a)$. Dann hat das
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Minimalpolynom
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\begin{equation*}
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x²-d = (x+a)·(x-a).
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\end{equation*}
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Also hat $\Gal(L/K)$ genau zwei Elemente. Wir wissen auch schon, welche. Ein
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Element ist die Identität; diese bildet $a$ auf $a$ ab. Das andere Element
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heißt „Konjugation“; dies ist der eindeutige $ℚ$-Automorphismus von $L$, der
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$a$ auf $-a$ abbildet.
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\end{bsp}
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\begin{bsp}\label{bsp:x-1}
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Es sei $K = ℚ$, es sei $a := \sqrt[3]{2} ∈ ℝ$ und $L = ℚ(a)$. Das
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Minimalpolynom von $a$ ist $x³-2$, die beiden anderen Nullstellen des
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Minimalpolynoms in $ℂ$ sind $ξ·a$ und $ξ²·a$, wobei $ξ = e^{2π i/3}$ ist.
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Es gilt aber $ξ·a$ und $ξ²·a \not ∈ ℝ$. Somit folgt
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\begin{equation*}
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\Gal \Bigl(\factor{ℚ(a)}{ℚ}\Bigr) = \{\Id\}.
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\end{equation*}
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\end{bsp}
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\begin{bsp}
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Es sei $K$ ein endlicher Körper der Charakteristik $p$. Dann ist $K$ ein
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Oberkörper des Primkörpers, und dieser ist isomorph zu $𝔽_p$. Der
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Frobenius-Morphismus
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\begin{equation*}
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F : K → K, \quad a ↦ a^p
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\end{equation*}
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ist ein $𝔽_p$-Homomorphismus, denn für alle $a ∈ 𝔽_p$ ist $a^p=a$. Weil $F$
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jetzt aber bijektiv ist, ist $F ∈ \Gal(K/𝔽_p)$. Wenn $K ≠ 𝔽_p$ ist, dann ist
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$F ≠ \Id$, denn die einzigen Elemente in $K$, die von $F$ festgehalten werden,
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sind die Nullstellen des Polynoms
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\begin{equation*}
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f = x^p-x ∈ K[x]
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\end{equation*}
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und dieses Polynom hat genau $p$ Nullstellen, nämlich die Elemente von
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$𝔽_p ⊂ K$. Wir werden später in Abschnitt~\ref{sec:klassEK} zeigen, dass die
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Galoisgruppe $\Gal(K/𝔽_p)$ von $F$ erzeugt wird.
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\end{bsp}
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\section{Normale Körpererweiterungen}
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Wir interessieren uns besonders für Körpererweiterungen, die maximal viele
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Automorphismen besitzen; diese werden wir in Kürze „Galoisch“ nennen. Ich muss
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aber erst noch kurz den folgenden Begriff einführen, der den Begriff des
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„Zerfällungskörpers“ verallgemeinert; wir hatten ja schon gesehen, wie wichtig
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Zerfällungskörper in der Diskussion von Symmetrien sind.
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\begin{defn}[Normale Körpererweiterung]\label{def:normal}
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Eine Körpererweiterung $L/K$ heißt \emph{normal}\index{normale
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Körpererweiterung}, wenn sie algebraisch ist und wenn jedes irreduzible
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Polynom $f ∈ K[x]$, das in $L$ eine Nullstelle hat, über $L$ in Linearfaktoren
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zerfällt.
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\end{defn}
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\begin{bsp}
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Es sei $K$ ein Körper. Dann ist die Körpererweiterung $\overline{K}/K$
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normal.
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\end{bsp}
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\begin{bsp}\label{Bsp_zusammenhang_Zerfaellungskoerper_normal}
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Es sei $K$ ein Körper, es sei $f ∈ K[x]$ ein Polynom und es sei $L$ der
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Zerfällungskörper von $f$. Der folgende Satz zeigt, dass $L/K$ normal ist.
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\end{bsp}
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Normale Körpererweiterungen lassen sich auf unterschiedliche Arten und Weisen
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charakterisieren.
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\begin{satz}[Charakterisierung von normalen Erweiterungen]\label{satz:h4}
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Es sei $L/K$ eine algebraische Körpererweiterung. Dann sind folgende Aussagen
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äquivalent.
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\begin{enumerate}
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\item\label{Satz_algebraische_Koerpererweiterung_Aussage_1} Die
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Körpererweiterung $L/K$ ist normal.
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\item\label{Satz_algebraische_Koerpererweiterung_Aussage_2} Es existiert eine
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Familie $(f_{λ})_{λ∈Λ}$ von Polynomen, $f_{λ}∈ K[x]$, sodass $L$ aus $K$
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durch Adjunktion sämtlicher Nullstellen der $f_{λ}$ im algebraischen
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Abschluss $\overline{L}$ von $L$ entsteht.
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\item\label{Satz_algebraische_Koerpererweiterung_Aussage_3} Für jeden
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$K$-Morphismus $σ: L → \overline{L}$ gilt, dass $σ(L) = L$ ist. Das heißt:
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$σ$ induziert einen $K$-Automorphismus von $L$.
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\end{enumerate}
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\end{satz}
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\begin{proof}
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\video{16-1}
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\end{proof}
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\begin{kor}[Normale Zwischenkörper]
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Es sei $K ⊆ Z ⊆ L$ eine Kette von Körpererweiterungen. Wenn $L/K$ normal ist,
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dann ist auch $L/Z$ normal. \qed
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\end{kor}
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Für endliche Körpererweiterungen ist der Begriff „normal“ weniger geheimnisvoll,
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als es auf den ersten Blick vielleicht scheint: in diesem Kontext bedeutet
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„normal“ nichts anderes als „Zerfällungskörper eines geeigneten Polynoms“.
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\begin{satz}\label{satz:x1}
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Eine endliche Körpererweiterung $L/K$ ist genau dann normal, wenn $L$ der
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Zerfällungskörper eines Polynoms $f ∈ K[x]$ ist.
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\end{satz}
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\begin{proof}[Beweis ``$⇒$'']
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Angenommen, $L/K$ ist endlich und normal. Dann gibt es per Annahme endlich
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viele $a_1, …, a_n ∈ L$, sodass $L = K(a_1, …, a_n)$ ist. Bezeichne die
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zugehörigen Minimalpolynome mit $f_1, …, f_n ∈ K[x]$. Die Nullstellen von
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$f := \prod_{i=1}^{n}f_i$ liegen alle in $L$, weil $L$ nach Annahme normal
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ist. Also ist $L$ der Zerfällungskörper von $f$ über $K$.
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\end{proof}
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\begin{proof}[Beweis ``$\Leftarrow$'']
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Wenn $L/K$ ein Zerfällungskörper ist, dann haben wir schon in
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Satz~\ref{satz:h4} gesehen, dass $L$ normal ist.
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\end{proof}
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Ein wesentlicher Fakt zu normalen Erweiterungen ist, dass sich jede
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Körpererweiterung immer zu einer normalen Körpererweiterung vergrößern lässt.
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Der folgende Satz sagt, dass es unter all diesen Vergrößerungen eine kleinste
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gibt, die sogar eindeutig ist. Dabei bedeutet „eindeutig“ wie meistens in
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dieser Vorlesung: eindeutig bis auf nicht-kanonische Isomorphie.
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\begin{satzdef}[Normale Hülle einer Körpererweiterung]
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Zu jeder algebraischen Körpererweiterung $L/K$ gibt es eine Körpererweiterung
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$N/L$, sodass Folgendes gilt.
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\begin{enumerate}
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\item\label{DefSatz_Koerpererweiterung_Aussage_1} Die Körpererweiterung $N/K$
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ist normal.
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\item\label{DefSatz_Koerpererweiterung_Aussage_2} Wenn $N ⊇ Z ⊇ L$ ein
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Zwischenkörper ist und wenn $Z/K$ normal ist, dann ist $Z=N$.
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\end{enumerate}
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Zusätzlich gilt: wenn $\tilde{N}$ eine weitere Körpererweiterung ist, sodass
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\ref{DefSatz_Koerpererweiterung_Aussage_1} und
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\ref{DefSatz_Koerpererweiterung_Aussage_2} gelten, dann sind $N$ und
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$\tilde{N}$ isomorph. Man nennt $N$ die \emph{normale Hülle von
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$L/K$}\index{normale Hülle einer Körpererweiterung}.
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\end{satzdef}
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\begin{proof}
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\video{16-2}
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\end{proof}
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\section{Galoissche Körpererweiterungen}
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Ich sagte es schon: Die besten Körpererweiterungen sind die, die maximal viele
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Symmetrien (=Automorphismen) haben. Dabei bedeutet „maximal“ nach
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Beobachtung~\ref{beob:gg}: Die Anzahl der Automorphismen ist gleich dem
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Erweiterungsgrad. Diese Körpererweiterungen werden zu Ehren von Évariste Galois
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die „Galoisschen“ Körpererweiterungen genannt. Das Studium dieser Erweiterungen
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und ihrer Symmetriegruppe wird heute mit „Galoistheorie“ bezeichnet.
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\begin{satzdef}[Galoische Körpererweiterungen]
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Es sei $L/K$ eine endliche Körpererweiterung. Dann sind folgende Aussagen
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äquivalent.
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\begin{enumerate}
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\item\label{DefSatz_aequivalent_endliche_Koerpererweiterung_1} Die Erweiterung
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$L/K$ ist normal und separabel.
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\item\label{DefSatz_aequivalent_endliche_Koerpererweiterung_2} Der Körper $L$
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ist der Zerfällungskörper eines separablen Polynoms $f ∈ K[x]$.
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\item\label{DefSatz_aequivalent_endliche_Koerpererweiterung_3} Es ist
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$|\Gal(L/K)| = [L:K]$.
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\end{enumerate}
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Solche Körpererweiterungen heißen \emph{Galoisch}\index{Galoissche
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Körpererweiterung}.
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\end{satzdef}
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\begin{proof}
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\video{16-3}
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\end{proof}
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\begin{bemerkung}
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Man kann auch einen sinnvollen und interessanten Begriff von Galoisch für
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unendliche Körpererweiterungen definieren, das machen wir in dieser Vorlesung
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aber nicht. Wir verstehen unter einer Galoiserweiterung immer eine
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\emph{endliche} Körpererweiterung.
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\end{bemerkung}
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\begin{bsp}
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Sei $K$ ein Körper der Charakteristik $0$. Dann ist jedes Polynom separabel
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und die Galoiserweiterungen von $K$ sind gerade die Zerfällungskörper von
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Polynomen aus $K[x]$.
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\end{bsp}
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\begin{bsp}[Einfachstes Beispiel]\label{bsp:c-r}
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Die einfachste aller Galoiserweiterungen ist $ℂ/ℝ$. Die Galoisgruppe ist
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$\Gal(ℂ/ℝ) = \{ \Id, \text{Konjugation} \}$.
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\end{bsp}
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\begin{bsp}\label{Markierung_fuer_Beweis_Hauptsatz_Galois_Aussage_1_1}%
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Wenn $L/K$ eine Galoiserweiterung ist und $K ⊆ Z ⊆ L$ ein Zwischenkörper, dann
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ist auch $L/Z$ Galoisch. Das folgt zum Beispiel so: Der Körper $L$ ist nach
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Punkt~\ref{DefSatz_aequivalent_endliche_Koerpererweiterung_2} der
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Zerfällungskörper eines separablen Polynoms $f ∈ K[x]$. Dann ist $L$ aber
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auch der Zerfällungskörper von $f ∈ Z[x]$. Die Galoisgruppe $\Gal(L/Z)$ ist
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eine Untergruppe von $\Gal(L/K)$, weil jeder $Z$-Morphismus $L → L$ immer auch
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schon ein $K$-Morphismus ist. \textbf{Aber Achtung:} die Erweiterung $Z/K$
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ist nicht unbedingt Galoisch! Wir haben im laufenden Kapitel~\ref{chap:15}
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auch schon ein Beispiel gesehen, wo das nicht der Fall ist. Geben Sie
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\textbf{sofort} durch das Kapitel und finden Sie heraus, welches Beispiel ich
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meine. Los jetzt!
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\end{bsp}
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\sideremark{Vorlesung 17}Mit den bisherigen Ergebnissen können wir über die
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Galoisgruppe eines Polynoms jetzt schon folgendes sagen.
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\begin{lem}
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Es sei $K$ ein Körper und es sei $L$ der Zerfällungskörper eines separablen
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Polynoms $f ∈ K[x]$ vom Grad $n$. Die Nullstellen von $f$ in $L$ seien $a_1,
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…, a_n$. Dann gilt Folgendes.
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\begin{enumerate}
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\item\label{il:y1} Jedes Gruppenelement $σ ∈ \Gal(f)$ permutiert die
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Nullstellen $a_1, …, a_n$. Ein Gruppenelement $σ$ ist durch diese
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Vertauschung eindeutig festgelegt. Also können wir $\Gal(f)$ als
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Untergruppe der Gruppe $S_n$ der Permutationen der Menge $\{a_1, …, a_n\}$
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auffassen. Insbesondere gilt
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\begin{equation*}
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|\Gal(f)| ≤ |S_n| = n!.
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\end{equation*}
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\item\label{il:y2} Die Nullstellen der irreduziblen Faktoren von $f$ werden
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unter sich permutiert.
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\item\label{Bem_Galois_Punkt_3} Wenn $f$ irreduzibel ist, dann operiert
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$\Gal(f)$ transitiv auf der Menge der Nullstellen. Mit anderen Worten: Für
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jedes Paar $a,b$ von Nullstellen gibt es ein $σ ∈ \Gal(f)$, sodass
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$σ(a) = b$ ist.
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\item\label{Bem_Galois_Punkt_4} Wenn $f$ irreduzibel ist, dann ist $n$ ein
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Teiler von $|\Gal(f)|$.
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\end{enumerate}
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\end{lem}
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\begin{proof}
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Die Aussagen~\ref{il:y1} und \ref{il:y2} haben wir schon lang bewiesen
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(wo?). Die anderen Aussagen beweise ich im \video{17-1}.
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\end{proof}
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Das Wort „Konjugation“ aus Beispiel~\vref{bsp:c-r} wird in der Literatur auch
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allgemeiner für beliebige Galoiserweiterungen verwendet.
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\begin{defn}[Konjungierte Elemente]
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Es sei $L/K$ eine Galoiserweiterung und $a ∈ L$ sei ein Element. Die Menge
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\[
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\{ σ(a) \::\: σ ∈ \Gal(L/K) \}
|
||
\]
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||
ist natürlich gerade die Menge der Nullstellen des Minimalpolynoms von $a$
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über $K$. Die Elemente dieser Menge heißen die
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\emph{galoiskonjugierten}\index{galoiskonjugierte Elemente} von $a$.
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\end{defn}
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\begin{bsp}\label{bsp:x-2}%
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||
Wir setzen das Beispiel~\vref{bsp:x-1} fort. Dort haben wir schon gesehen,
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||
dass $ℚ(\sqrt[3]{2})/ℚ$ nicht Galoisch ist. Der Zerfällungskörper des
|
||
Polynoms $f = x³-2 ∈ ℚ[x]$ ist nämlich\footnote{Preisfrage: warum bezeichne
|
||
ich den Zerfällungskörper mit dem Symbol „$N$“?}
|
||
\[
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||
N = ℚ\bigl(a, ξ·a, ξ²·a\bigr).
|
||
\]
|
||
Ich behaupte gleich auch, dass $N = ℚ(\sqrt[3]{2},\sqrt3·i)$ ist, denn das
|
||
wird später noch wichtig werden. Die Erweiterung $N/ℚ$ ist Galoisch, denn
|
||
$[N:ℚ(\sqrt[3]{2})] = 2$, also
|
||
\begin{equation*}
|
||
[N:ℚ] = 2· 3=6.
|
||
\end{equation*}
|
||
Die Gruppe $\Gal(f) = \Gal(N/ℚ)$ können wir als Untergruppe von $S_3$
|
||
auffassen. Wegen $|\Gal(f)| = [N:ℚ] = 6 = |S_3|$ folgt $\Gal(f) = S_3$. Jede
|
||
Permutation der Nullstellen $a$, $ξ·a$ und $ξ²·a$ lässt sich also durch ein
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||
Element aus $\Gal(f)$ realisieren.
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||
\end{bsp}
|
||
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||
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%%% Local Variables:
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%%% mode: latex
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%%% TeX-master: "AlgebraZahlentheorie"
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%%% End:
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