AlgebraZahlentheorie/08.tex

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\chapter{Anwendung: Konstruktion mit Zirkel und Lineal}
\section{Erinnerung}
Die Ergebnisse, die wir bislang gewonnen haben, können wir direkt auf
Konstruierbarkeitsfragen anwenden. Ich erinnere noch einmal, was der Stand der
Debatte war.
\begin{satz}[Hausaufgabe Blatt 1, Aufgabe 1.b]
Es sei $M ⊂ $ eine Menge, die die Elemente $0$ und $1$ enthält. Dann
ist die Menge $\Kons(M)$ der mit Zirkel und Lineal aus $M$ konstruierbaren Punkte
ein Unterkörper von $$. \qed
\end{satz}
Der nächste Satz stellt die Verbindung zwischen Körpertheorie und
Konstruierbarkeit her. Die Formulierung des Satzes verwendet den Begriff
``konjugierte Menge''. Dabei ist ``konjugiert'' wie immer nur eine bombastische
Formulierung für ``an der reellen Achse gespiegelt''.
\begin{notation}[Konjungierte Menge]
Es sei $M ⊂ $ eine Menge. Dann betrachte die Menge
$\overline{M} := \{ \overline{m} \::\: m∈ M\}$. Man nennt $\overline{M}$
die \emph{zu $M$ konjungierte Menge}\index{konjugierte Menge}.
\end{notation}
\begin{rem}
Im Fall, wo die Menge $M$ die Elemente $0$ und $1$ enthält, kann man die
Spiegelung an der reellen Achse mit Zirkel und Lineal konstruieren. Damit ist
klar, dass $\overline{M}\Kons(M)$ ist. Es ist in diesem Fall auch
klar, dass $i ∈ \Kons(M)$ ist.
\end{rem}
\begin{satz}[Hausaufgabe Blatt 2, Aufgabe 3]\label{Satz_von_Seite_69}
Es sei $\{0,1 \} ⊂ M ⊂ $ und es sei $z ∈ \Kons(M)$. Sei weiter
$K = (M \overline{M})$. Dann existiert eine Zahl $k ∈ $, sodass die
Gleichheit
\begin{equation*}
[K(z) : K] = 2^k
\end{equation*}
gilt. Insbesondere ist jede aus $\{ 0, 1 \}$ konstruierbare Zahl algebraisch
über $$. \qed
\end{satz}
\section{Verdopplung des Würfels}
Das klassische Konstruktionsproblem ``Verdopplung des Würfels'' ist mit Zirkel
und Lineal nicht möglich, denn mit $M := \{0,1\}$ ist
$ = (M \overline{M})$ und
\[
[(\sqrt[3]{2}): ] = 3,
\]
da wir mit unseren Methoden jetzt wissen, dass $-2$ das Minimalpolynom von
$\sqrt[3]{2}$ ist.
\section{Dreiteilung des Winkels}
Bevor wir die Frage nach der Dreiteilung des Winkel abschließend beantworten,
beweise ich zuerst ein Satz, der auch später noch von Interesse sein wird.
\begin{satz}\label{Satz_Vor_Dreiteilung_Zirkel_Lineal}
Es sei $L/K$ eine Körpererweiterung und es sei $a ∈ L$ ein über $K$
transzendentes Element. Dann ist $K(a)$ isomorph zum Körper der
gebrochen-rationalen Funktionen\footnote{Siehe Beispiel~\ref{bsp:2-3-3} im
Falle $K = $.} über $K$ in einer Variablen. Mit anderen Worten:
\begin{equation*}
K(a) ≅ K(x) = Q(K[x])
\end{equation*}
\end{satz}
\begin{proof}
\video{9-2}
\end{proof}
Damit lässt sich die Konstruierbarkeitsfrage ganz gut beantworten.
\begin{satz}\label{Satz_Dreiteilung_Zirkel_Lineal}
Gegeben sei eine reelle Zahl $\varphi(0, 2·π)$. Falls $e^{i\varphi}$
transzendent ist, dann ist
$e^{(\varphi i)/3} \not\Kons(\{0,1, e^{\varphi i}\})$. Die Dreiteilung des
Winkels $\varphi$ ist also mit Zirkel und Lineal nicht möglich.
\end{satz}
\begin{proof}
\video{9-3}
\end{proof}
\begin{bemerkung}
Die Menge $\{ \varphi(0, 2π) \::\: e^{i\varphi} \text{ ist transzendent}\}$
ist dicht in $(0, 2π)$. Insbesondere gibt es kein allgemeines
Konstruktionsverfahren für die Dreiteilung des Winkels.
\end{bemerkung}
\begin{proof}
Wenn $z=e^{i\varphi}$ algebraisch über $$ ist, dann ist auch
$\overline{z} = e^{-i\varphi}$ algebraisch über $$, denn $z$ und
$\overline{z}$ haben beide dasselbe Minimalpolynom. Also ist auch der Realteil
\begin{equation*}
\operatorname{Re}(z) =\frac12(z+\overline{z})
\end{equation*}
algebraisch über $$. Das zeigt, dass die Menge $\varphi(0,2π)$, für
die $e^{i\varphi}$ transzendent ist, in $(0,2π)$ dicht ist.
\end{proof}
\section{Konstruierbarkeit des regelmäßigen $n$-Ecks}
Auf die Frage, ob das regelmäßige $n$-Eck konstruierbar ist, können wir nur eine
unvollständige Antwort geben.
\begin{satz}
Es sei $p$ eine Primzahl. Wenn das regelmäßige $p$-Eck konstruierbar ist,
dann gibt eine Zahl $k ∈ $, sodass $p-1=2^k$ ist.
\end{satz}
\begin{proof}
\video{9-4}
\end{proof}
Der Satz zeigt insbesondere, dass das regelmäßige $7$-Eck, das $11$-Eck, das
$13$-Eck und das $19$-Eck jeweils nicht konstruierbar ist. Um die Frage nach
der Konstruierbarkeit des $n$-Ecks vollständig zu beantworten, müssen wir unsere
Methoden noch deutlich verbessern: Es genügt nicht nur, den Grad der
Körpererweiterung zu betrachten; wir müssen auch die Symmetrien verstehen. Dazu
ist wieder einmal Vorarbeit vonnöten.
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