AlgebraZahlentheorie/06.tex

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\chapter{Der Quotientenkörper eines Integritätsringes}
\section{Worum geht es?}
\sideremark{Vorlesung 7}Das Ziel ist immer noch, Körpererweiterungen zu
verstehen. Wir haben gesehen, dass algebraische Elemente und Minimalpolynome
dabei eine wichtige Rolle spielen, können aber immer noch nicht entscheiden, ob
ein gegebenes Polynom nun tatsächlich ein Minimalpolynom ist oder nicht! Wir
wissen, dass Minimalpolynome irreduzibel sein müssen (sonst wäre einer echten
Teiler ja ein Polynom von kleinerem Grad mit der gesuchten Nullstelle), aber wir
wissen auch nicht, wie man entscheiden kann, ob ein Polynom irreduzibel ist.
Wie wir später noch genauer sehen werden, kann man Irreduzibilität im Ring
$[x]$ recht gut entscheiden --- wir sind aber meistens am Ring $[x]$
interessiert, nicht an $[x]$. Die beiden Ringe hängen aber eng zusammen! In
diesem vorbereitenden Kapitel klären wir erst einmal den Zusammenhang zwischen
$$ und $$, oder allgemeiner, zwischen einem Integritätsring und seinem
Quotientenkörper.
\begin{frage}
Es sei $R$ ein Ring. Können wir einen Körper $K$ konstruieren, der $R$ als
Unterring enthält? Am besten so, dass $K$ möglichst klein ist.
\end{frage}
\begin{obs}
$R$ muss ein Integritätsring sein, sonst habe ich überhaupt keine Chance -- in
Körpern gibt es ja keine Nullteiler! Also fangen wir am besten mit einem
Integritätsring an.
\end{obs}
Die folgende Definition klärt ganz präzise, was wir mit einem „möglichst kleinen
Körper, der $R$ enthält“ eigentlich genau meinen. Wenn Sie bei mir die
Vorlesung „Lineare Algebra“ gehört haben, dann wird Ihnen die folgende
Definition sehr vertraut vorkommen. Falls nicht, ist jetzt die perfekte
Gelegenheit, alles über „universelle Eigenschaften“ zu lernen.
\begin{definition}[Quotientenkörper]
Sei $R$ ein Integritätsring. Ein \emph{Quotientenkörper von
$R$}\index{Quotientenkörper} ist ein Körper $K$ zusammen mit einem injektiven
Ringhomomorphismus $ι : R → K$, sodass folgende universelle Eigenschaft gilt:
Ist $j : R → L$ ein weiterer injektiver Ringhomomorphismus von $R$ in einem
Körper $L$, dann existiert genau ein Ringhomomorphismus $h:K→ L$, sodass $j=h◦
i$ ist. Mit anderen Worten, es existiert genau ein Ringhomomorphismus, sodass
das folgende Diagramm kommutiert,
\[
\begin{tikzcd}
R \ar[r, hook, "ι"] \ar[d, equals] & K \ar[d, "∃ ! h"] \\
R \ar[r, hook, "j"'] & L.
\end{tikzcd}
\]
\end{definition}
Wir merken gleich an, dass die Abbildung $h$ immer injektiv sein wird.
\begin{lem}\label{lem:inj}
Ein Homomorphismus $\varphi : K → S$ von einem Körper in einen Ring ist immer
Injektiv, oder die Nullabbildung.
\end{lem}
\begin{proof}
Angenommen $\varphi$ ist nicht injektiv, dann existiert ein $x∈ K \{0\}$ mit
$\varphi(x) =0$. Dann ist
\begin{equation*}
\varphi(1) = \varphi(x· x^{-1}) = \varphi(x)·\varphi(x^{-1}) = 0.
\end{equation*}
Also gilt für alle $y∈ K$, dass
\begin{equation*}
\varphi(y)= \varphi(1· y) = \varphi(1)·\varphi(y) = 0
\end{equation*}
und $\varphi$ ist die Nullabbildung.
\end{proof}
\section{Eindeutigkeit und Existenz}
Aus der universellen Eigenschaft folgt sofort die Eindeutigkeit des
Quotientenkörpers. Den folgenden Beweis sollten Sie genau verstehen!
\begin{satz}[Eindeutigkeit von Quotientenkörpern]\label{satz:edvq}
Es sei $R$ ein Integritätsring und es seien $ι_1 : R → K_1$, $ι_2 : R → K_2$
zwei Quotientenkörper. Dann gibt es genau einen Isomorphismus $h: K_1 → K_2$,
sodass das folgende Diagramm kommutiert,
\[
\begin{tikzcd}
R \ar[r, hook, "ι_1"] \ar[d, equals] & K_1 \ar[d, "∃ ! h\text{, isomorph}"] \\
R \ar[r, hook, "ι_2"'] & K_2.
\end{tikzcd}
\]
\end{satz}
\begin{proof}
\video{7-1}
\end{proof}
Der Witz ist, dass die Abbildung $h$ aus Satz~\ref{satz:edvq} eindeutig gegeben
ist. Die Aussage „es existiert eine eindeutiger Morphismus“ ist eine viel
bessere Aussage als „es existiert irgendein Morphismus (dessen Konstruktion
vielleicht von irgendwelchen Wahlen abhängt, die ich treffen muss)“. Das ist
super-wichtig! Man sagt, „Quotientenkörper sind eindeutig bis auf kanonische
Isomorphie“.
\begin{notation}
Obwohl Quotientenkörper nur bis auf kanonische Isomorphie eindeutig sind,
spricht man oft von „dem“ Quotientenkörper. Die Notation $Q(R)$ ist üblich.
\end{notation}
\begin{satz}[Existenz von Quotientenkörpern]
Es sei $R$ ein Integritätsring $R$. Dann existiert ein Quotientenkörper.
\end{satz}
\begin{proof}
\video{7-2}
\end{proof}
Wir hatten in der Einleitung davon gesprochen, dass der Quotientenkörper eines
Ringes $R$ der kleinste Körper sein soll, der $R$ enthält. Die folgende
Proposition macht diese Bemerkung präzise.
\begin{prop}
Sei $R$ ein Integritätsring. Dann ist $Q(R)$ in folgendem Sinne der kleinste
Körper, der $R$ enthält: Sei $L$ ein weiterer Körper, der $R$ enthält. Dann
existiert eine injektive Abbildung $Q(R)$ nach $L$, deren Einschränkung auf
$R$ die Identität ist.
\end{prop}
\begin{proof}
Universelle Eigenschaft und Lemma~\ref{lem:inj}.
\end{proof}
\section{Beispiele}
Sie kennen schon viele Beispiele für Quotientenkörper! Ich nenne hier nur
einige Beispiele und verzichte auf detaillierte Beweise; alle Behauptungen
folgen direkt aus der Definition.
\begin{bsp}
Ist $R = $, dann ist $Q(R) = $.
\end{bsp}
\begin{bsp}
Ist $K$ ein Körper, so ist $Q(K) = K$.
\end{bsp}
\begin{bsp}
Betrachte den Ring aus Warnung~\vref{war:nufd},
\[
R := [\sqrt{-5}] = \{ a+\sqrt{-5} \::\: a,b ∈ \}.
\]
Dann ist $Q(R)=(\sqrt{-5})$. Denn weil $R ⊂ $ ist, gibt es aufgrund der
universellen Eigenschaft eine Injektion $Q(R)$. Der Körper
$(\sqrt{-5})$ ist aber der kleinste Unterkörper von $$, der sowohl $$
als auch $\sqrt{-5}$ enthält.
\end{bsp}
\begin{bsp}
Es sei $K$ ein Körper, es sei $n ∈ $ eine Zahl und $R := K[x_1, …, x_n]$ sei
der Polynomring in $n$ Variablen. Dann ist $Q(R)$ der Körper der rationalen
Funktionen in $n$ Variablen. Die Elemente sind Brüche der Form
\[
\frac{f(x_1, …, x_n)}{g(x_1, …, x_n)}
\]
wobei $f,g ∈ K[x_1, …, x_n]$ und $g ≠ 0$ ist. Die Schreibweise
\[
K(x_1, …, x_n) := Q(R)
\]
ist üblich.
\end{bsp}
\begin{bsp}
Es sei $R$ ein faktorieller Ring und $(p_i)_{i ∈ I}$ ein vollständiges
Repräsentantensystem für die Klassen assoziierter Primelemente, wie in
Situation~\vref{sit:5-5-1}. Jedes Element $v∈ Q(R)$ lässt sich dann auf
eindeutige Weise schrieben als
\[
v = ε \prod_{i ∈ I}p_i^{ν_i}
\]
wobei $ε ∈ R^*$, $ν_i ∈ $ und fast alle der $ν_i = 0$ sind.
\end{bsp}
%%% Local Variables:
%%% mode: latex
%%% TeX-master: "AlgebraZahlentheorie"
%%% End: