% spell checker language \selectlanguage{german} \chapter{Restklassenringe} \sideremark{Vorlesung 11}Ich hatte am Anfang von Kapitel~\ref{chapt:09} schon gesagt, warum wir uns für Ideale interessieren: Wir wollen --ähnlich wie bei der Konstruktion des Quotientenvektoraumes in der Linearen Algebra-- einen Quotienten von Ringen konstruieren. Ich weiß aus Erfahrung, dass viele Studierende ihre Probleme mit „Quotientenvektorräumen“ haben und nutze an dieser Stelle normalerweise die Gelegenheit, um mit der Konstruktion des Restklassenringes die Begriffe und Beweistechniken noch einmal zu wiederholen. In diesem Semester geht das nicht, denn das Semester ist deutlich kürzer als in normalen Jahren. Ich verzichte deshalb im Folgenden sehr oft auf Beweise und behaupte, dass „alles genau so geht, wie in der Linearen Algebra“. \begin{warnung} Stellen Sie sicher, dass sie sich noch ausreichend gut an die Vorlesung „Lineare Algebra“ erinnern. Beweisen Sie zur Probe einige Aussagen selbst -- solche Sachen werden gern in Klausuren und mündlichen Prüfungen gefragt. \end{warnung} \section{Definition von Restklassenringen} Genau wie die Quotientenvektorräume der Linearen Algebra sind Restklassenringe durch folgende universelle Eigenschaft definiert. \begin{defn}[Restklassenring] Es sei $R$ ein kommutativer Ring mit Eins und es sei $I ⊂ R$ ein Ideal. Ein \emph{Restklassenring}\index{Restklassenring} oder \emph{Quotientenring}\index{Quotientenring} ist ein kommutativer Ring $S$ mit Eins zusammen mit einem Ringmorphismus $φ : R → S$, sodass $\ker φ = I$ ist und so, dass die folgende universelle Eigenschaft gilt: ist $ψ : R → T$ ein weiterer Ringmorphismus mit $I ⊆ \ker ψ$, dann gibt es genau einen Ringmorphismus $h : S → T$, sodass das folgende Diagramm kommutiert, \[ \begin{tikzcd} R \ar[r, "φ"] \ar[d, equal] & S \ar[d, "h"] \\ R \ar[r, "ψ"'] & T. \end{tikzcd} \] \end{defn} Wie üblich folgt aus der universellen Eigenschaft, dass Restklassenringen (wenn Sie denn existieren) eindeutig sind bis auf eine eindeutige Isomorphie. Man spricht deswegen oft nicht ganz richtig von „dem“ Restklassenring und bezeichnet „den“ Restklassenring mit $R/I$. \section{Konstruktion von Restklassenringen} Da Restklassenringe eindeutig durch die universelle Eigenschaft gegeben sind, folgt alles, was man überhaupt über Restklassenringe sagen kann, aus der universellen Eigenschaft -- mit einer Ausnahme: Existenz. Wir beweisen die Existenz wie immer nicht abstrakt, sondern indem wir eine konkrete Konstruktion eines Restklassenringes angeben. \begin{defn}[Kongruenz modulo Ideal]\label{def:kmi}% Es sei $R$ ein kommutativer Ring mit Eins und es sei $I ⊂ R$ ein Ideal. Zwei Elemente $a,b∈ R$ heißen \emph{kongruent modulo $I$}\index{Kongruenz modulo Ideal}, wenn $a-b ∈ I$ ist. In diesem Fall ist die Schreibweise $a \equiv b \:\:(\operatorname{mod} I)$ üblich. \end{defn} \begin{lem}\label{lem:10-1-2}% In der Situation von Definition~\ref{def:kmi} gilt: Kongruenz modulo $I$ ist eine Äquivalenzrelation auf $R$. Für ein gegebenes Element $a ∈ R$ ist die Äquivalenzklasse eines gegebenen Elementes $a ∈ R$ ist \begin{equation*} a+I = \{ a+b \::\: b∈ I \} \eqno\qed \end{equation*} \end{lem} \begin{notation}[Restklasse von $a$ modulo $I$] In der Situation von Lemma~\ref{lem:10-1-2} nennt man $a+I$ die \emph{Restklasse von $a$ modulo $I$}\index{Restklasse}. \end{notation} \begin{bsp} Der Name „Restklasse“ kommt von folgendem Beispiel. Sei $R = ℤ$, sei $m ∈ ℕ$ eine Zahl, und sei $I = (m)$. Dann ist $a \equiv b \:\:(\operatorname{mod} I)$ genau dann, wenn $a$ und $b$ bei der Division durch $m$ denselben Rest haben. Die Kongruenz modulo $(m)$ zerlegt $ℤ$ also genau in die Restklassen \begin{equation*} 0 + (m), 1+(m), 2+(m), …, m-1+(m). \end{equation*} \end{bsp} \begin{satz}[Existenz von Restklassenringen]\label{satz:exvrklr}% Sei $R$ ein kommutativer Ring mit Eins und es sei $I⊂ R$ ein Ideal. Die Äquivalenzrelation „Kongruenz modulo $I$“ werde mit $\sim$ bezeichnet. Dann sind die folgenden Verknüpfungen es auf dem Quotienten\footnote{Erinnerung an die Lineare Algebra: Quotient nach Äquivalenzrelation = $R/\sim$ = Menge der Äquivalenzklassen} $S := R/\sim$ wohldefiniert: \[ \begin{matrix} + : & S ⨯ S & → & S \\ & ((a+I), (b+I)) & ↦ & (a+b) + I \\ \\ · : & S ⨯ S & → & S \\ & ((a+I), (b+I)) & ↦ & (a·b) + I. \end{matrix} \] Mit diesen Verknüpfungen ist $S$ ein kommutativer Ring mit Eins, die Restklassenabbildung\index{Restklassenabbildung} \begin{equation*} φ : R → S, \quad a ↦ a+I \end{equation*} ist ein Ringmorphismus. Das Paar $S$ und $φ$ ist ein Restklassenring. \qed \end{satz} Satz~\ref{satz:exvrklr} gibt eine explizite Konstruktion eines Restklassenringes. Manchmal lassen sich Restklassenringe und ihre Elemente auf diese Art und Weise direkt beschreiben. \begin{bsp} Es sei $K$ ein Körper, es sei $R = K[x]$ und es sei $f ∈ K[x]$ ein Polynom vom Grad $n$. Weiter sei $I = (f)$. Die Elemente von $K[x]/(f)$ sind also von der Gestalt $g+(f)$. In diesem Beispiel bilden die Polynome vom Grad $