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\selectlanguage{german}
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\chapter{Wiederholung}
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\section{Endomorphismen, Eigenwerte, Eigenvektoren}
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\sideremark{Vorlesung 1}Am Ende der Vorlesung „Lineare Algebra I“ hatten wir
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folgende Situation betrachtet.
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\begin{situation}\label{sit:LA1}%
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Es sei $k$ ein Körper, es sei $V$ ein endlich-dimensionaler Vektorraum und es
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sei $f ∈ \End(V)$ ein Endomorphismus des Vektorraumes $V$, also eine
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$k$-lineare Abbildung $f : V → V$.
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\end{situation}
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Das Ziel war, eine angeordnete Basis $B$ von $V$ zu finden, sodass die Matrix
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$\Mat^B_B(f)$ möglichst einfach wird. Am besten wäre es, wenn die Matrix
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Diagonalgestalt hat.
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\begin{defn}[Diagonalisierbarer Endomorphismus]
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In Situation~\ref{sit:LA1}: der Endomorphismus $f$ heißt
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\emph{diagonalisierbar}\index{diagonalisierbar!Endomorphismus}, falls es eine
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Basis $B$ von $V$ gibt, sodass $\Mat^B_B(f)$ eine Diagonalmatrix ist.
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\end{defn}
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Einen entsprechenden Begriff hatten wir auch für Matrizen definiert.
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\begin{defn}[Diagonalisierbare Matrix]
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Es sei $k$ ein Körper und $n ∈ ℕ$ eine Zahl. Eine $(n ⨯ n)$-Matrix $A$ heißt
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\emph{diagonalisierbar}\index{diagonalisierbar!Matrix}, falls sie einer
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Diagonalmatrix ähnlich ist, d. h. $∃S ∈ GL_n(k)$, sodass $SAS^{-1}$ eine
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Diagonalmatrix ist.
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\end{defn}
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Die zentralen Begriffe in diesem Zusammenhang waren „Eigenwert“, „Eigenvektor“
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und „Eigenraum“.
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\begin{defn}[Eigenwert]
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Situation wie in \ref{sit:LA1}. Ein Skalar $λ ∈ k$ heißt \emph{Eigenwert von
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$f$}\index{Eigenwert}, wenn es einen Vektor $\vec{v} ∈ V ∖ \{\vec{0}\}$
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gibt, sodass $f(\vec{v}) = λ\vec{v}$ ist.
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\end{defn}
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\begin{defn}[Eigenraum]
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Situation wie in \ref{sit:LA1}. Gegeben ein Skalar $λ ∈ k$, dann nenne
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$$
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V_{λ} := \{ \vec{v} ∈ V \:|\: f(\vec{v}) = λ \vec{v} \}
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$$
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den \emph{Eigenraum von $f$ zum Eigenwert $λ$}\index{Eigenraum}.
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\end{defn}
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\begin{defn}[Eigenvektor]
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Situation wie in \ref{sit:LA1}. Ein Vektor $\vec{v} ∈ V ∖ \{\vec{0}\}$ heißt
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\emph{Eigenvektor von $f$}\index{Eigenvektor}, wenn es ein Skalar $λ ∈ k$
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gibt, sodass $f(\vec{v}) = λ\vec{v}$ ist.
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\end{defn}
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Ich erinnere daran, dass der Eigenraum immer ein Untervektorraum von $V$ ist. In
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der Vorlesung hatten wir ein Verfahren betrachtet, um die Eigenwerte
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auszurechnen: Die Eigenwerte von $f$ sind genau die Nullstellen des
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charakteristischen Polynoms
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\[
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χ_f(t) := \det \bigl( f - t \Id_V \bigr).
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\]
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\textbf{Achtung!} Die Definition des charakteristischen Polynoms ist in der
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Literatur nicht ganz einheitlich. Manche Autoren bezeichnen auch das Polynom
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$\det \bigl( t \Id_V - f \bigr)$ als charakteristisches Polynom. In der Praxis
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macht das keinen Unterschied, weil sich die beiden Polynome höchstens um ein
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Vorzeichen unterscheiden und wir sowieso nur an den Nullstellen interessiert
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sind. Ich werde versuchen, durchgehend die Konvention $χ_f(t) := \det \bigl( f
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- t \Id_V \bigr)$ zu verwenden\footnote{Wie ich mich kenne, wird das aber nicht
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immer gelingen. Bitte informieren Sie mich, wenn Sie irgendwo einen
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Vorzeichenfehler sehen. Ich wurde gefragt, welche Konvention in Übungsaufgaben
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und in der Klausur verwendet werden sollen. Der Einheitlichkeit und Einfachheit
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halber wäre es schön, wenn alle die oben angegebene Konvention nutzen, aber
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eigentlich ist mir die Konvention egal. Hauptsache, ihre Lösung ist richtig und
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wir können verstehen, was Sie machen! Melden Sie sich, wenn Ihnen irgendwo
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Punkte abgezogen wurden.}.
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\begin{erinnerung}[Komplexe Polynome zerfallen in Linearfaktoren]
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Für $k = ℂ$ gilt: Jedes Polynom hat eine Nullstelle. Insbesondere gilt, dass
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ich jedes Polynom über $ℂ$ als Produkt von linearen Polynomen schreiben kann.
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Zum Beispiel ist
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$$
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g(z) = (z - i)·(z + i)·(z + i)·(z + i)·(z - 2)·(z - 3).
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$$
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Also ist $\deg(g) = 6$ und die Nullstellen von $g$ sind $i$, $2$ und $3$
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(jeweils mit Vielfachheit 1) sowie $-i$ (mit Vielfachheit 3).
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\end{erinnerung}
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\section{Algebraische und geometrische Vielfachheit}
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Zurück zur Situation~\ref{sit:LA1}. Wenn ich nun einen Skalar $λ ∈ k$ gegeben
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habe, kann ich die folgenden zwei Zahlen betrachten.
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\begin{itemize}
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\item Die \emph{algebraische Vielfachheit von
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$λ$}\index{Vielfachheit!algebraische} ist die Vielfachheit von $λ$ als
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Nullstelle des charakteristischen Polynoms.
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\item Die \emph{geometrische Vielfachheit von
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$λ$}\index{Vielfachheit!geometrische} ist die Dimension des Vektorraumes
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$V_{λ}$.
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\end{itemize}
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\begin{bsp}\label{bsp:1.1}
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Es sei $k = ℂ$, es sei $V = ℂ²$ und es sei $f : V → V$ gegeben durch die
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Matrix
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$$
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\begin{pmatrix}
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2 & 3 \\ 0 & 2
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\end{pmatrix}.
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$$
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Dann ist $χ_f(t) = (2 - t)²$. Wir betrachten das Skalar $λ = 2$. Dies ist
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eine doppelte Nullstelle des charakteristischen Polynoms und die algebraische
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Vielfachheit von $λ$ ist zwei. Auf der anderen Seite ist
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$$
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V_2 = ℂ · \begin{pmatrix} 1 \\ 0 \end{pmatrix}.
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$$
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Also ist die geometrische Vielfachheit von $λ$ gleich eins.
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\end{bsp}
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\begin{prop}[Vergleich von alg.\ und geom.~Vielfachheit]
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In Situation~\ref{sit:LA1} sei $λ ∈ k$ ein Skalar, dann gilt:
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$$
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\text{algebraische Vielfachheit } ≥ \text{ geometrische Vielfachheit}
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$$
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\end{prop}
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\begin{proof}
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Sei ein Skalar $λ$ gegeben. Falls die geometrische Vielfachheit von $λ$ gleich
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Null ist, ist nichts zu zeigen. Sei also die geometrische Vielfachheit $d$
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größer als Null. Das bedeutet: Es gibt eine linear unabhängige (angeordnete)
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Teilmenge $\{ \vec{v}_1, … , \vec{v}_d \} ⊂ V$, die ich zu einer
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(angeordneten) Basis $B$ von $V$ ergänzen kann. Dann ist die zugehörige
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Matrix von der Form
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$$
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\Mat^B_B (f) = \left(
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\begin{array}{lll|l}
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λ & & & \\
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& \ddots & & * \\
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& & λ \\
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\hline
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& 0 & & *
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\end{array}\right).
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$$
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Als Konsequenz ergibt sich, dass das charakteristische Polynom $χ_f$ von $f$
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die folgende Form hat,
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$$
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χ_f (t) = (t - λ)^d · \text{(weiteres, unbekanntes Polynom)}.
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$$
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Also ist die algebraische Vielfachheit von $λ$ ist mindestens gleich $d$.
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\end{proof}
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\section{Diagonalisierbarkeit}
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Wie hängen Diagonalisierbarkeit und die algebraischen/geometrischen
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Vielfachheiten zusammen? Der folgende Satz gibt eine erste Antwort, zumindest
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über den komplexen Zahlen. Im folgenden Kapitel werden wir eine bessere Antwort
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kennenlernen.
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\begin{satz}[Diagonalisierbarkeit und Vielfachheiten]\label{satz:1.1}
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In Situation~\ref{sit:LA1} sind die folgenden Aussagen äquivalent.
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\begin{enumerate}
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\item Der Endomorphismus $f$ ist diagonalisierbar.
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\item Das charakteristische Polynom $χ_f(t)$ zerfällt in Linearfaktoren und
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für jeden Eigenwert $λ$ stimmen geometrische und algebraische Vielfachheit
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überein. \qed
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\end{enumerate}
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\end{satz}
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Als direkte Anwendung von Satz~\ref{satz:1.1} ergibt sich, dass die Matrix aus
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Beispiel~\ref{bsp:1.1} nicht diagonalisierbar ist. Der Beweis von
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Satz~\ref{satz:1.1} verwendet folgendes Lemma.
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\begin{lemma}\label{lem:1.1}%
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In Situation~\ref{sit:LA1} seien $λ_1, …, λ_d$ unterschiedliche Eigenwerte von
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$f$. Weiter seien $\vec{v}_1, …, \vec{v}_d$ seien zugehörige Eigenvektoren.
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Dann ist die Menge $\{\vec{v}_1, …, \vec{v}_d \}$ linear unabhängig. \qed
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\end{lemma}
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Sie sollten versuchen, Satz~\ref{satz:1.1} und Lemma~\ref{lem:1.1} selbst zu
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beweisen. Der Beweis von Lemma~\ref{lem:1.1} funktioniert mit Induktion nach
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$d$. Die Auflösung finden Sie in \video{1-1} und \video{1-2}.
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% !TEX root = LineareAlgebra2
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