LineareAlgebra2/16-tensoralgebra.tex
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\svnid{$Id: 16-tensoralgebra.tex 71 2020-07-16 08:05:16Z demleitner $}
\chapter{Tensorprodukte mit mehreren Faktoren}
\label{sec:tAlg}
\sideremark{Revision \svnfilerev\\\svnfileday.\svnfilemonth.\svnfileyear}
\sideremark{Vorlesung 22}Das laufende Kapitel heißt ``Multilineare Algebra'',
bislang haben wir bei der Diskussion des Tensorprodukts aber nur Bilinearformen
betrachtet. Das werden wie jetzt ändern. Die Sätze und Beweise in diesem
Abschnitt laufen alle ganz analog zu denen, die wir im vorhergehenden Abschnitt
schon gesehen haben; es gibt also in diesem Abschnitt sehr wenig Neues. Ich
werde die langweiligen Beweise in diesem langweiligen Abschnitt deshalb meist
weglassen und mich darauf beschränken, die wesentlichen Sätze einfach nur zu
nennen.
\section{Definition, Existenz und Eindeutigkeit}
Die Definition des Tensorprodukts von zwei Vektorräumen hängt sehr an unserem
Begriff ``bilineare Abbildung''. Um das Tensorprodukt auch für eine größere
Zahl von Faktoren zu definieren, betrachten wir ganz analog ``multilineare
Abbildungen''.
\begin{defn}[Multilineare Abbildungen]
Es sei $k$ ein Körper, es sei $n ∈ $ und es seien seien $W$ und $V_1, …, V_n$
jeweils $k$-Vektorräume. Eine Abbildung
\[
s: V_1 V_2 V_n → W
\]
heißt \emph{multilinear}\index{multilineare Abbildung}, falls für alle
$1 ≤ i ≤ n$ und alle Vektoren $\vec{v}_1 ∈ V_1, …, \vec{v}_n ∈ V_n$ und alle
Skalare $λ ∈ k$ und alle $\vec{w} ∈ V_i$ die folgenden Gleichungen gelten:
\begin{multline*}
s(\vec{v}_1, …, \vec{v}_{i-1}, \vec{v}_i + λ·\vec{w}, \vec{v}_{i+1}, …, \vec{v}_n) = s(\vec{v}_1, …, \vec{v}_{i-1}, \vec{v}_i, \vec{v}_{i+1}, …, \vec{v}_n) \\
+ λ·s(\vec{v}_1, …, \vec{v}_{i-1}, \vec{w}, \vec{v}_{i+1}, …, \vec{v}_n).
\end{multline*}
\end{defn}
Mit diesem Begriff von ``Multilinearform'' können wir jetzt ganz allgemein
Tensorprodukte von mehr als zwei Vektorräumen definieren.
\begin{defn}[Tensorprodukt]\label{def:16-1-2}
Es sei $k$ ein Körper, es sei $n ∈ $ und es seien $k$-Vektorräume
$V_1, …, V_n$ gegeben. Ein \emph{Tensorprodukt von
$V_1, …, V_n$}\index{Tensorprodukt!von mehreren Vektorräumen} ist ein
Vektorraum $T$ zusammen mit einer multilinearen Abbildung
$τ: V_1 V_n → T$, so dass für alle multilinearen Abbildungen
$s: V_1 V_n → W$ genau eine lineare Abbildung $η: T → W$ existiert, so
dass das folgende Diagramm kommutiert
\[
\begin{tikzcd}[column sep=2cm]
V_1 V_n \ar[r, "τ\text{, multilin.}"] \ar[d, equal] & T \ar[d, "∃! η\text{, linear}"]\\
V_1 V_n \ar[r, "s\text{, multilin.}"'] & W .
\end{tikzcd}
\]
\end{defn}
Genau wie in den Sätzen \ref{satz:15-1-2} und \ref{satz:15-1-3} beweist man
Existenz und Eindeutigkeit des Tensorprodukts.
\begin{satz}[Eindeutigkeit des Tensorproduktes]\label{satz:16-1-3}
Es sei $k$ ein Körper, es sei $n ∈ $ und es seien $k$-Vektorräume
$V_1, …, V_n$ gegeben. Weiter seien $τ_1 : V_1 V_n → T_1$ und
$τ_1 : V_1 V_n → T_2$ zwei Tensorprodukte. Dann gibt es einen
kanonischen Isomorphismus $T_1 ≅ T_2$. \qed
\end{satz}
\begin{satz}[Existenz des Tensorproduktes]\label{satz:16-1-4}
Es sei $k$ ein Körper, es sei $n ∈ $ und es seien $k$-Vektorräume
$V_1, …, V_n$ gegeben. Dann existiert ein Tensorprodukt. \qed
\end{satz}
\begin{notation}[Notation rund um Tensorprodukte mit mehreren Faktoren]
Es sei $k$ ein Körper, es sei $n ∈ $ und es seien $k$-Vektorräume
$V_1, …, V_n$ gegeben. Wie bei Tensorprodukten mit zwei Faktoren missbrauchen
wir die Sprache, sprechen von ``dem Tensorprodukt'' und schreiben
\[
τ : V_1 V_n → V_1 ⊗ ⋯ ⊗ V_n.
\]
Wie zuvor schreiben wir die Bilder $τ(\vec{v}_1, …, \vec{v}_n)$ als
$\vec{v}_1 ⊗ ⋯ ⊗ \vec{v}_n$ und bezeichnen diese Tensoren als
\emph{rein}\index{Reine Tensoren}.
\end{notation}
\begin{notation}[Mehrfache Produkte]
Gegeben einen $k$-Vektorraum $V$ und eine Zahl $n$, schreiben wir kurz
$V^{⊗ n}$ für das $n$-fache Produkt $V ⊗ ⋯ ⊗ V$. Für den Fall $n=0$
definieren wir zusätzlich: $V⁰ := k$. Entsprechend schreiben wir für einen
Vektoren $\vec{v} ∈ V$ auch $\vec{v}^{⊗ n}$ für das $n$-fache Produkt
$\vec{v} ⊗ ⋯ ⊗ \vec{v}$.
\end{notation}
\section{Assoziativität}
Zusätzlich zu ``Existenz'' und ``Eindeutigkeit'' gibt es beim Tensorprodukt mit
mehreren Faktoren noch eine Frage, die im Fall von zwei Faktoren irrelevant ist:
die Assoziativität. Der folgende Satz klärt alles.
\begin{satz}[Assoziativität des Tensorproduktes]
Es sei $k$ ein Körper, es sei $n ∈ $ und es seien $k$-Vektorräume
$V_1, …, V_n$ gegeben. Gegeben einen Index $1 ≤ i < n$, dann sind die
Vektorräume
\[
V_1 ⊗ ⋯ ⊗ V_n \quad \text{und} \quad V_1 ⊗ ⋯ ⊗ V_{i-1}(V_i ⊗ V_{i+1}) ⊗ V_{i+2} ⊗ ⋯ ⊗ V_n
\]
kanonisch isomorph.
\end{satz}
\begin{proof}
Ich gebe keinen vollen Beweis sondern diskutiere nur die Idee. Sie sollten an
dieser Stelle nicht mehr überrascht sein, dass der kanonische Isomorphismus
aus der universellen Eigenschaft kommt! Sei also ein Index $i$ gegeben.
Betrachten Sie die Abbildung
\[
\begin{matrix}
φ : & V_1 V_n && V_1 ⊗ ⋯ ⊗ V_{i-1}(V_i ⊗ V_{i+1}) ⊗ V_{i+2} ⊗ ⋯ ⊗ V_n\\
& (\vec{v}_1, …, \vec{v}_n) && \vec{v}_1 ⊗ ⋯ ⊗ \vec{v}_{i-1}(\vec{v}_i ⊗ \vec{v}_{i+1})\vec{v}_{i+2} ⊗ ⋯ ⊗ \vec{v}_n.
\end{matrix}
\]
und rechnen Sie sofort und auf der Stelle nach, dass diese Abbildung
multilinear ist. Deshalb liefert uns die universelle Eigenschaft aus
Definition~\ref{def:16-1-2} eine Abbildung $η$ und ein kommutatives Diagramm
wie folgt,
\[
\begin{tikzcd}[column sep=2cm]
V_1 V_n \ar[r, "τ\text{, multilin.}"] \ar[d, equal] & V_1 ⊗ ⋯ ⊗ V_n \ar[d, "∃! η\text{, multilin.}"]\\
V_1 V_n \ar[r, "φ\text{, multilin.}"'] & V_1 ⊗ ⋯ ⊗ V_{i-1}(V_i ⊗ V_{i+1}) ⊗ V_{i+2} ⊗ ⋯ ⊗ V_n .
\end{tikzcd}
\]
Wie immer rechne man jetzt nach, dass die Abbildung $η$ ein Isomorphismus ist.
\end{proof}
\section{Basen, Tensorprodukte von Abbildungen, Rechenregeln}
Alle Sätze aus Abschnitt~\ref{sec:TProd} gelten völlig analog auch für
Tensorprodukte mit mehreren Faktoren. Die Beweise sind praktisch unverändert,
erfordern aber mehr Schreibaufwand (ich empfehle DIN-A3 quer). Ich zähle
jeweils ohne Beweis die wesentlichen Punkte auf.
\begin{itemize}
\item Alle Tensoren sind endliche Summen von reinen Tensoren.
\item Gegeben Erzeugendensysteme oder Basen von $V_1$, …, $V_n$ dann finden wir
Erzeugendensysteme oder Basen von $V_1 ⊗ ⋯ ⊗ V_n$.
\item Gegeben angeordnete Basen von $V_1$, …, $V_n$ dann finden wir eine
lexikographisch angeordnete Basis von $V_1 ⊗ ⋯ ⊗ V_n$.
\item Falls alle $V_{}$ endlich-dimensional sind, dann ist
$\dim V_1 ⊗ ⋯ ⊗ V_n = \prod_i \dim V_i$
\item Lineare Abbildungen zwischen Vektorräumen induzieren lineare Abbildungen
zwischen den Tensorprodukten.
\item Man definiert ein Kronecker-Produkt mit mehr als zwei Faktoren. Die
induzierte lineare Abbildungen zwischen den Tensorprodukten ist durch das
Kronecker-Produkt von Matrizen beschrieben.
\item Satz~\ref{satz:15-5-1} über das Zusammenspiel von Tensorprodukten und
direkten Summen gilt ganz analog.
\end{itemize}
\section{Die Tensoralgebra}
\label{sec:tAlg2}
Gegeben einen Körper $k$, einen $k$-Vektorraum $V$ und zwei positive Zahlen $a$
und $b ∈ ^+$, definieren wir wie folgt eine Abbildung
\[
\begin{matrix}
m_{ab} : & V^{⊗ a} V^{⊗ b} && V^{(a+b)} \\
& \bigl( (\vec{v}_1 ⊗ ⋯ ⊗ \vec{v}_a), (\vec{w}_1 ⊗ ⋯ ⊗ \vec{w}_b)\bigr) && \vec{v}_1 ⊗ ⋯ ⊗ \vec{v}_a ⊗ \vec{w}_1 ⊗ ⋯ ⊗ \vec{w}_b
\end{matrix}
\]
Zusätzlich definieren wir noch die trivialen Randfälle
\[
\begin{matrix}
m_{0b} : & V^{0} V^{⊗ b} && V^{⊗ b} \\
& \bigl( λ, (\vec{w}_1 ⊗ ⋯ ⊗ \vec{w}_b)\bigr) && λ·(\vec{w}_1 ⊗ ⋯ ⊗ \vec{w}_b)
\end{matrix}
\]
und
\[
\begin{matrix}
m_{a0} : & V^{⊗ a} V^{0} && V^{⊗ a} \\
& \bigl( (\vec{v}_1 ⊗ ⋯ ⊗ \vec{v}_a), λ\bigr) && λ·(\vec{v}_1 ⊗ ⋯ ⊗ \vec{v}_a)
\end{matrix}
\]
und
\[
\begin{matrix}
m_{00} : & V^{0} V^{0} && V^{0} \\
& (λ,ν) && λ·ν.
\end{matrix}
\]
Diese ``Definitionen'' verwenden die schreckliche Notation~\ref{15-2-7}.
Schauen Sie sich die Notation noch einmal an und rechnen Sie als Hausaufgabe
nach, dass die Abbildung wohldefiniert ist! Was war dazu noch einmal genau zu
zeigen? Die Abbildung $m_{ab}$ sieht ein bisschen aus wie eine
Multiplikationsabbildung. Der relevante Begriff ist der einer $k$-Algebra: dies
ist ein Vektorraum, der um eine mit der Vektorraumstruktur verträgliche
Multiplikation erweitert wurde.
\begin{defn}[Algebra über einem Körper]
Es sei $k$ ein Körper. Eine \emph{$k$-Algebra}\index{Algebra} oder
\emph{Algebra über $k$} ist ein $k$-Vektorraum $V$ zusammen mit einer
bilinearen Abbildung
\[
m : V V → V.
\]
Zusätzlich:
\begin{itemize}
\item Die Algebra heißt \emph{kommutativ}\index{kommutative
Algebra}\index{Algebra!kommutativ}, wenn für alle Vektoren $\vec{v}_1$,
$\vec{v}_2 ∈ V$ die Gleichheit
$m(\vec{v}_1, \vec{v}_2) = m(\vec{v}_2, \vec{v}_1)$ gilt.
\item Die Algebra heißt \emph{assoziativ}\index{assoziative
Algebra}\index{Algebra!assoziativ}, wenn für alle Vektoren $\vec{v}_1$,
$\vec{v}_2$, $\vec{v}_3 ∈ V$ die Gleichheit
$m\bigl(\vec{v}_1, m(\vec{v}_2, \vec{v}_3)\bigr) = m\bigl(m(\vec{v}_1,
\vec{v}_2), \vec{v}_3 \bigr)$ gilt.
\item Man sagt, die Algebra \emph{besitzt eine Eins}\index{Algebra!mit Eins},
falls es ein Element $\vec{e} ∈ V$ gibt, so dass für alle Vektoren
$\vec{v} ∈ V$ die Gleichheit
$m(\vec{e}, \vec{v}) = m(\vec{v}, \vec{e}) = \vec{v}$ gilt.
\end{itemize}
\end{defn}
Beispiele für Algebren kennen Sie schon.
\begin{bsp}[Polynome]
Es sei $k$ ein Körper und es sei $V := k[x]$, der Vektorraum der Polynome in
der Variablen '$x$' mit Koeffizienten in $k$. Die Abbildung $m$ sei die
Multiplikation von Polynomen. Diese Algebra ist kommutativ, assoziativ und
besitzt eine Eins.
\end{bsp}
\begin{bsp}[Stetige Funktionen]
Es sei $V := C^{}([0,1])$ der reelle Vektorraum der stetigen Funktionen auf
dem Einheitsintervall. Die Abbildung $m$ sei die Multiplikation von
Funktionen. Diese Algebra ist kommutativ, assoziativ und besitzt eine Eins.
\end{bsp}
\begin{bsp}[Matrizen]
Es sei $k$ ein Körper, es sei $n$ eine Zahl und es sei $V := \Mat(n n, k)$,
der Vektorraum der $(n n)$-Matrizen. Die Abbildung $m$ sei die
Matrixmultiplikation. Diese Algebra ist nicht kommutativ, aber assoziativ und
besitzt eine Eins.
\end{bsp}
Jetzt definieren wir die Tensoralgebra.
\begin{konstruktion}[Tensoralgebra]
Es sei $k$ ein Körper und es sei $V$ ein $k$-Vektorraum. Betrachte den
Vektorraum
\[
T := \bigoplus_{n ∈ } V^{⊗ n}
\]
und die Abbildung
\[
m : T T → T, \quad \bigl( (\vec{v}_a)_{a ∈ }, (\vec{w}_b)_{b ∈ } \bigr)
\sum^{}_{c=0}\sum^c_{a+b=c} m_{ab}(\vec{v}_a, \vec{w}_b).
\]
Erinnern Sie sich dazu noch einmal an die Definition der direkten Summe und
vergewissern Sie sich, dass die Summen alle endlich sind! Ich behaupte ohne
Beweis, dass dies eine assoziative Algebra mit Eins definiert. Diese wird in
der Literatur \emph{Tensoralgebra}\index{Tensoralgebra} genannt.
\end{konstruktion}
%%% Local Variables:
%%% mode: latex
%%% TeX-master: "20LA2"
%%% End: