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\selectlanguage{german}
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\chapter{Selbstadjungierte Endomorphismen}
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\sideremark{Vorlesung 15}Wir hatten im Abschnitt~\ref{sec:adAbb} gesehen, dass
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es zu jeder linearen Abbildung $f : V → W$ von Euklidischen Vektorräumen stets
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eine adjungierte Abbildung $f^{\ad} : W → V$ gibt. In diesem Kapitel
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betrachten wir den Spezialfall wo $V = W$ ist. Dann sind sowohl $f$ als auch
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$f^{\ad}$ Endomorphismen von $V$ und wir und fragen, ob und unter welchen
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Umständen vielleicht $f = f^{\ad}$ ist. Solche ``selbstadjungierten''
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Endomorphismen treten in der Analysis und in der Quantenmechanik auf, dort
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allerdings meistens im Zusammenhang mit unendlich-dimensionalen Vektorräumen.
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\begin{quote}
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Self-adjoint operators are used in functional analysis and quantum
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mechanics. In quantum mechanics their importance lies in the Dirac–von Neumann
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formulation of quantum mechanics, in which physical observables such as
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position, momentum, angular momentum and spin are represented by self-adjoint
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operators on a Hilbert space. Of particular significance is the Hamiltonian
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operator $\what{H}$ defined by
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\[
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\what{H} ψ = -\frac{\hbar²}{2m} ∇² ψ + V ψ
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\]
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which as an observable corresponds to the total energy of a particle of mass
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$m$ in a real potential field $V$.
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-- \href{https://en.wikipedia.org/wiki/Self-adjoint_operator}{Wikipedia
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(Self-adjoint operator)}
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\end{quote}
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Vielleicht finden Sie es ein wenig verwirrend, dass die oben diskutierte
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Bedingung ``$f = f^{\ad}$'' in der folgenden Definition gar nicht auftaucht.
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Schauen Sie sich deshalb noch einmal Satz~\vref{satz:8-4-5} an.
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\begin{defn}[Selbstadjungierte Endomorphismen]\label{def:10-0-1}
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Es sei $\bigl( V, \langle •,• \rangle\bigr)$ ein endlich-dimensionaler
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Euklidischer oder unitärer Vektorraum. Weiter sei $f: V → V$ ein
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Endomorphismus. Nenne den Endomorphismus $f$
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\emph{selbstadjungiert}\index{selbstadjungiert}\index{Endomorphismus!selbstadjungiert},
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falls für alle $\vec{v}, \vec{w} ∈ V$ die folgende Gleichheit gilt,
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\[
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\bigl\langle f(\vec{v}), \vec{w} \bigr\rangle = \bigl\langle \vec{v},
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f(\vec{w}) \bigr\rangle.
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\]
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\end{defn}
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\begin{bsp}[Selbstadjungiertheit bezüglich des Standardskalarprodukts]\label{bsp:10-0-2}
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Es sei $V = ℝ^n$ oder $V = ℂ^n$ ausgestattet mit dem Standardskalarprodukt und
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es sei $f ∈ \End(V)$ durch eine Matrix $A$ gegeben. Dann ist $f$ genau dann
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selbstadjungiert, falls für alle $\vec{v}, \vec{w} ∈ V$ gilt
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\[
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\vec{v}^t · A^t · \overline{\vec{w}} = \langle A · \vec{v}, \vec{w} \rangle
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= \langle \vec{v}, A · \vec{w} \rangle = \vec{v}^t · \overline{A} ·
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\overline{\vec{w}}.
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\]
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Es folgt: der Endomorphismus ist genau dann selbstadjungiert, falls die
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Gleichung $A^t = \overline{A}$ gilt. Anders formuliert: der Endomorphismus
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ist genau dann selbstadjungiert, falls die Matrix $A$ eine symmetrische oder
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Hermitesche Matrix ist.
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\end{bsp}
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\begin{aufgabe}
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In der Situation von Definition~\ref{def:10-0-1} sei $\mathcal{B}$ eine
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angeordnete Orthonormalbasis von $V$, mit zugehörender Koordinatenabbildung
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$Φ_{\mathcal{B}} : V → ℝ^n$ oder $Φ_{\mathcal{B}} : V → ℂ^n$.
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Rechnen Sie nach, dass für alle $\vec{v}, \vec{w} ∈ V$ die Gleichung
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\[
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\underbrace{\langle \vec{v}, \vec{w} \rangle}_{\text{Prod.~in }V} = %
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\underbrace{\bigl\langle Φ_{\mathcal{B}}(\vec{v}), Φ_{\mathcal{B}}(\vec{w}) \bigr\rangle}_{\text{Standardskalarprodukt}}
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\]
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Folgern Sie mit Hilfe von Beispiel~\ref{bsp:10-0-2} messerscharf, dass die
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Abbildung $f ∈ \End(V)$ genau dann selbstadjungiert ist, wenn
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$\Mat_\mathcal{B}^\mathcal{B}(f)$ eine symmetrische oder Hermitesche Matrix
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ist.
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\end{aufgabe}
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Wir werden in dieser einführenden Vorlesung die Theorie selbstadjungierte
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Endomorphismen nicht weit verfolgen, obwohl sich hier sehr viel interessantes
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sagen ließe. Ich stelle mit den folgenden beiden Sätzen lediglich fest, dass
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selbstadjungierte Endomorphismen stets diagonalisierbar sind, und das sogar in
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besonders einfacher Weise.
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\begin{satz}[Selbstadjungierte Endomorphismen haben reelle Eigenwerte]
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Es sei $\bigl( V, \langle •,• \rangle\bigr)$ ein endlich-dimensionaler
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Euklidischer oder unitärer Vektorraum. Weiter sei $f: V → V$ ein
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selbstadjungierter Endomorphismus. Dann sind alle Eigenwerte von $f$ reell
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und das charakteristische Polynom zerfällt in reelle Linearfaktoren.
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\end{satz}
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\begin{proof}
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Ich diskutiere nur den Fall, wo $\bigl( V, \langle •,• \rangle\bigr)$ unitär
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ist. Sei also $λ ∈ ℂ$ ein Eigenwert von $f$, und sei $\vec{v} ∈ V$ ein
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zugehöriger Eigenvektor. Dann gilt
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\[
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λ · \langle \vec{v}, \vec{v} \rangle %
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= \langle λ · \vec{v}, \vec{v} \rangle %
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= \bigl\langle f(\vec{v}), \vec{v} \bigr\rangle %
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= \bigl\langle \vec{v}, f(\vec{v}) \bigr\rangle %
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= \langle \vec{v}, λ · \vec{v} \rangle %
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= \overline{λ} · \langle \vec{v}, \vec{v} \rangle.
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\]
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Weil jetzt noch $\langle \vec{v}, \vec{v} \rangle > 0$ ist, kann ich auf
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beiden Seiten dividieren und erhalte $λ = \overline{λ}$. Also muss der
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Eigenwert $λ$ wohl reell gewesen sein.
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\end{proof}
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Der folgende Satz ist in der Literatur auch als
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\emph{Spektralsatz}\index{Spektralsatz} bekannt.
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\begin{satz}[Selbstadjungierte Endomorphismen haben ONB aus Eigenvektoren]\label{satz:10-0-5}
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Es sei $\bigl( V, \langle •,• \rangle\bigr)$ ein endlich-dimensionaler
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Euklidischer oder unitärer Vektorraum. Weiter sei $f: V → V$ ein
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selbstadjungierter Endomorphismus. Dann gibt es eine Orthonormalbasis von
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$V$, die nur aus Eigenvektoren besteht.
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\end{satz}
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\begin{proof}
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\video{15-1}
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\end{proof}
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Satz~\ref{satz:10-0-5} sagt sofort, dass selbstadjungierte Endomorphismen (und
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damit auch alle symmetrischen und Hermiteschen Matrizen) diagonalisierbar sind.
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Der dazu nötige Basiswechsel ist sogar besonders einfach, weil die
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Basiswechselmatrizen $S$ orthogonal oder unitär gewählt werden können. Das macht
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die Berechnung von $S^{-1}$ extrem einfach.
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\begin{kor}[Diagonalisierbarkeit symmetrischer und Hermitescher Matrizen]
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Sei $A ∈ \Mat(n ⨯ n, ℝ)$ oder $A ∈ \Mat(n ⨯ n, ℂ)$ eine symmetrische
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oder Hermitesche Matrix. Dann ist $A$ diagonalisierbar. Besser noch: es gibt
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eine orthogonale oder unitäre Matrix $S$, so dass $S·A·S^{-1}$ eine
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Diagonalmatrix ist.
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\end{kor}
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\begin{proof}
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Nehmen Sie eine Orthonormalbasis aus Eigenvektoren und rechnen Sie nach, was
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bei Basiswechsel geschieht!
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\end{proof}
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% !TEX root = LineareAlgebra2
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