LineareAlgebra2/02-Jordan.tex
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\chapter{Die Jordansche Normalform}
\label{chapt:Jordan}
\section{Einleitung}
\sideremark{Vorlesung 2}Wir hatten im letzten Kapitel ein Beispiel~\ref{bsp:1.1}
für einen Endomorphismus gesehen, der nicht diagonalisierbar ist. Aus der
Traum. In diesem Kapitel werden wir zeigen, dass es aber stets eine Basis gibt,
sodass die zugehörende Matrix eine besonders einfache Gestalt hat -- zumindest,
solange wir über den komplexen Zahlen arbeiten. Genauer gesagt: wir werden
zeigen, dass es eine Basis gibt, sodass die Matrix „Jordansche Normalform“
hat\footnote{\href{https://de.wikipedia.org/wiki/Camille_Jordan}{Marie Ennemond
Camille Jordan}, genannt Camille Jordan, (* 5.~Januar 1838 in Lyon; † 21.~Januar
1922 in Paris) war ein französischer Mathematiker.}, also „fast“ eine
Diagonalmatrix ist.
Vielleicht schauen Sie auch einmal in den entsprechenden Eintrag in der
\href{https://de.wikipedia.org/wiki/Jordansche_Normalform}{Wikipedia}. Es gibt
auch eine Menge Videos auf
\href{https://www.youtube.com/results?search_query=jordansche+normalform}{YouTube}.
\begin{defn}[Jordanblock]
Es sei $k$ ein Körper, $λ ∈ k$ ein Körperelement und $n ∈ $ sei eine Zahl.
Der \emph{$(n n)$-Jordanblock mit Wert $λ$ auf der
Diagonalen}\index{Jordanblock} ist die $(n n)$-Matrix $A = (a_{ij})$ mit
$$
a_{ij} =
\begin{cases}
λ & \text{falls } j=i \\
1 & \text{falls } j=i+1 \\
0 & \text{sonst.}
\end{cases}
$$
Der $(n n)$-Jordanblock mit Wert $λ$ auf der Diagonalen wird oft mit
$J(λ,n)$ bezeichnet.
\end{defn}
\begin{bsp}
Die folgenden Matrizen mit Werten in $$ sind Jordanblöcke.
$$
J(12, 1) =
\begin{pmatrix}
12
\end{pmatrix}, \quad
J(47,2) =
\begin{pmatrix}
47 & 1 \\
0 & 47
\end{pmatrix}, \quad
J(i,5) =
\begin{pmatrix}
i & 1 & 0 & 0 & 0 \\
0 & i & 1 & 0 & 0 \\
0 & 0 & i & 1 & 0 \\
0 & 0 & 0 & i & 1 \\
0 & 0 & 0 & 0 & i
\end{pmatrix}
$$
\end{bsp}
\begin{defn}[Jordansche Normalform]
Es sei $k$ ein Körper und $n ∈ $ sei eine Zahl. Eine $n n$-Matrix $A =
(a_{ij})$ hat \emph{Jordansche Normalform}\index{Jordansche Normalform}, falls
$A$ Blockgestalt hat, wobei auf der Diagonalen Jordanblöcke stehen und alle
anderen Blöcke gleich Null sind.
\end{defn}
\begin{bsp}
Jeder Jordanblock hat Jordansche Normalform. Die folgenden Matrizen haben
Jordansche Normalform.
$$
J(12,1) =
\begin{pmatrix}
12
\end{pmatrix}, \quad
\begin{pmatrix}
J(12,1) & 0 \\
0 & J(47,2)
\end{pmatrix} =
\begin{pmatrix}
12 & 0 & 0 \\
0 & 47 & 1 \\
0 & 0 & 47
\end{pmatrix},
$$
$$
\begin{pmatrix}
J(5,2) & 0 & 0 \\
0 & J(7,1) & 0 \\
0 & 0 & J(i,5)
\end{pmatrix} =
\begin{pmatrix}
5 & 1 & 0 & 0 & 0 & 0 & 0 & 0 \\
0 & 5 & 0 & 0 & 0 & 0 & 0 & 0 \\
0 & 0 & 7 & 0 & 0 & 0 & 0 & 0 \\
0 & 0 & 0 & i & 1 & 0 & 0 & 0 \\
0 & 0 & 0 & 0 & i & 1 & 0 & 0 \\
0 & 0 & 0 & 0 & 0 & i & 1 & 0 \\
0 & 0 & 0 & 0 & 0 & 0 & i & 1 \\
0 & 0 & 0 & 0 & 0 & 0 & 0 & i
\end{pmatrix}
$$
\end{bsp}
Das Ziel dieses Kapitels ist jetzt, den folgenden Satz zu beweisen.
\begin{satz}[Jordansche Normalform]\label{satz:JNF}%
Es sei $V$ ein endlich-dimensionaler Vektorraum über den komplexen Zahlen, und
es sei $f ∈ \End(V)$ ein Endomorphismus. Dann gibt es eine angeordnete Basis
$\mathcal{B}$ von $V$, sodass die darstellende Matrix $\Mat^B_B(f)$ Jordansche
Normalform hat.
\end{satz}
\begin{notation}
Situation wie in Satz~\ref{satz:JNF}. Eine
\emph{Jordanbasis}\index{Jordanbasis} ist eine angeordnete Basis $\mathcal{B}$
von $V$, sodass die darstellende Matrix $\Mat^B_B(f)$ Jordansche Normalform
hat.
\end{notation}
Wir beweisen Satz~\ref{satz:JNF} nach einigen Vorbereitungen im
Abschnitt~\vref{ssec:pjnf}. Wir betrachten für den Rest des Kapitels meistens
die folgende Situation.
\begin{situation}\label{sit:2-1-6}%
Es sei $V$ ein endlich-dimensionaler Vektorraum über den komplexen Zahlen, $n
:= \dim V$, und es sei $f ∈ \End(V)$ ein Endomorphismus.
\end{situation}
\section{Vorbereitung: Haupträume}
\label{sec:HR}
Warum die folgenden Definitionen? Schauen Sie sich \video{2-1} an.
\begin{defn}[Nilpotente Endomorphismen]\label{def:NEnd}%
Es sei $k$ ein Körper, es sei $V$ ein endlich-dimensionaler $k$-Vektorraum und
es sei $f ∈ \End(V)$. Nenne den Endomorphismus $f$
\emph{nilpotent}\index{nilpotent!Endomorphismus}, falls seine Zahl $m ∈ $
existiert, sodass $f^m = f ◦ ⋯ ◦ f$ die Nullabbildung ist. Die kleinste
solche Zahl $m$ heißt \emph{Nilpotenzindex von
$f$}\index{Nilpotenzindex!Endomorphismus}.
\end{defn}
\begin{defn}[Nilpotente Matrizen]
Es sei $k$ ein Körper, es sei $n ∈ $ eine Zahl und $A$ eine $( n n)$-Matrix
mit Werten in $k$. Nenne die Matrix $A$
\emph{nilpotent}\index{nilpotent!Matrix}, falls seine Zahl $m ∈ $ existiert,
sodass $A^m = A ⋯ A$ die Nullmatrix ist. Die kleinste solche Zahl $m$ heißt
\emph{Nilpotenzindex von $A$}\index{Nilpotenzindex!Matrix}.
\end{defn}
\begin{beobachtung}
In der Situation von Definition~\ref{def:NEnd} sei $B$ eine angeordnete Basis
und $m ∈ $ eine Zahl. Dann sind die folgenden Aussagen äquivalent.
\begin{itemize}
\item Der Endomorphismus $f$ ist nilpotent mit Nilpotenzindex $m$.
\item Die Matrix $\Mat^B_B(f)$ ist nilpotent mit Nilpotenzindex $m$.
\end{itemize}
\end{beobachtung}
\begin{beobachtung}
Matrizen, die ähnlich zu einer nilpotenten Matrix sind, sind selbst nilpotent.
Genauer: Sei $A$ eine $(n n)$-Matrix und sei $S ∈ Gl(n, k)$, sodass $N :=
SAS^{-1}$ nilpotent ist mit Index $m$. Dann ist
$$
0 = N^m = SAS^{-1} · SAS^{-1} · ⋯ · SAS^{-1} = SA^mS^{-1}.
$$
Also ist $A^m = S^{-1}·0·S = 0$.
\end{beobachtung}
\begin{bsp}
Überzeugen Sie sich durch eigene Rechnung von den folgenden Tatsachen.
\begin{enumerate}
\item Jordanblöcke sind genau dann nilpotent, wenn auf der Diagonalen die 0
steht. Genauer: $J(0, r)$ ist nilpotent von Index $r$.
\item Es sei $A$ eine $(n n)$-Matrix in oberer Dreiecksform mit 0en auf der
Diagonalen. Dann ist $A$ nilpotent.
\end{enumerate}
\end{bsp}
\begin{defn}[Hauptraum eines Endomorphismus]\label{def:2-2-6}%
Es sei $k$ ein Körper, es sei $V$ ein endlich-dimensionaler $k$-Vektorraum und
es sei $f ∈ \End(V)$. Gegeben $λ ∈ k$, dann betrachte
$$
\Hau_f(λ) := \bigcup_{n ∈ } \ker \Bigl( (f - λ · \Id_V )^n \Bigr)
$$
Man nennt dies den \emph{Hauptraum}\index{Hauptraum!Endomorphismus} oder
\emph{verallgemeinerten Eigenraum zum Eigenwert $λ$}%
\index{verallgemeinerter Eigenraum!Endomorphismus}.
\end{defn}
\begin{defn}[Hauptraum einer Matrix]\label{def:2-2-6b}%
Es sei $k$ ein Körper, es sei $A$ eine $(n n)$-Matrix. Gegeben $λ ∈ k$,
dann betrachte
$$
\Hau_A(λ) := \bigcup_{n ∈ } \ker \Bigl( (A - λ · \Id_{n n} )^n
\Bigr),
$$
wobei $\Id_{n n}$ die Einheitsmatrix bezeichnet. Man nennt dies den
\emph{Hauptraum}\index{Hauptraum!Matrix} oder \emph{verallgemeinerten
Eigenraum zum Eigenwert $λ$}\index{verallgemeinerter Eigenraum!Matrix}.
\end{defn}
\begin{beobachtung}
In der Situation von Definition~\ref{def:2-2-6} sei ein Vektor $\vec{v} ∈ V$
gegeben. Falls es eine Zahl $n ∈ $ gibt, sodass $(f - λ · \Id_V )^n(\vec{v})
= \vec{0}$ ist, dann ist auch $(f - λ · \Id_V )^{n+1}(\vec{v}) = \vec{0}$.
Also ist
$$
\ker(f - λ · \Id_V )\ker \Bigl( (f - λ · \Id_V )² \Bigr)\ker \Bigl( (f -
λ · \Id_V )³ \Bigr) ⊆ ⋯.
$$
Insbesondere folgt, dass $\Hau_f(λ)$ ein Untervektorraum von $V$ ist.
\end{beobachtung}
Haupträume und Eigenräume hängen eng zusammen. Die folgende Beobachtung
rechtfertigt den Namen „verallgemeinerter Eigenraum“.
\begin{beobachtung}
In der Situation von Definition~\ref{def:2-2-6} gilt:
\begin{align*}
\text{$λ$ ist kein Eigenwert von $f$} &\ker(f - λ · \Id_V ) = \{ \vec{0} \} \\
& ⇔ (f - λ · \Id_V ) \text{ ist isomorph}\\
& ⇔ (f - λ · \Id_V )^n \text{ ist isomorph für alle $n$} \\
&\ker \Bigl( (f - λ · \Id_V )^n \Bigr) = \{ \vec{0} \} \text{ für alle $n$} \\
&\Hau_f(λ) = \{ \vec{0} \}
\end{align*}
\end{beobachtung}
Falls wir über den komplexen Zahlen arbeiten, ist der Zusammenhang von Hauptraum
und Eigenraum viel enger: Der Hauptraum erklärt die geometrische Bedeutung der
„algebraischen Multiplizität“.
\begin{satz}[Geometrische Bedeutung der algebraischen Multiplizität]\label{satz:2-2-10}%
In Situation~\ref{sit:2-1-6} sei $λ ∈ $ ein Eigenwert von $f$ mit
algebraischer Multiplizität $r$. Dann gilt Folgendes.
\begin{enumerate}
\item\label{il:2-2-10-1} Der Hauptraum ist gegeben als $\Hau_f(λ) = \ker
\bigl( (f - λ·\Id)^r \bigr)$.
\item Die Dimension des Hauptraumes ist $\dim \Hau_f(λ) = r$.
\item\label{il:2-2-10-3} Die Abbildung $f$ bildet den Hauptraum auf den
Hauptraum ab: $f \bigl(\Hau_f(λ) \bigr)\Hau_f(λ)$. Insbesondere liefert
die Einschränkung von $f$ einen Endomorphismus des Hauptraumes,
$f|_{\Hau_f(λ)}\End \bigl( \Hau_f(λ) \bigr)$.
\item Das charakteristische Polynom der Einschränkung ist
$χ_{f|_{\Hau_f(λ)}}(t) = ±(t - λ)^r$.
\item\label{il:2-2-10-5} Es ist $(f|_{\Hau_f(λ)} -λ · \Id_{\Hau_f(λ)})^r = 0$.
\end{enumerate}
\end{satz}
\begin{proof}
Wir zerlegen den Beweis in mehrere Schritte.
\bigskip\noindent\emph{Schritt 1 im Beweis von Satz~\ref{satz:2-2-10}:} Wähle
einen Eigenvektor $\vec v_1$ von $f$ zum Eigenwert $λ$ und ergänze zu einer
Basis $B = \{\vec v_1, \vec v_2, …, \vec v_n\}$. Dann ist die zugehörende
Matrix von der Form
$$
\Mat^B_B (f) = \left(
\begin{array}{l|l}
λ & * \\
\hline
0 & A
\end{array}\right).
$$
Es ist $χ_f(t) = (t-λ)·χ_A(t)$ und deshalb ist $λ$ eine $(r-1)$-fache
Nullstelle des Polynoms $χ_A$.
\bigskip\noindent\emph{Schritt 2 im Beweis von Satz~\ref{satz:2-2-10}:} Ich
werde jetzt per Induktion nach $r$ zeigen, dass es eine Basis $B$ von $V$
gibt, sodass die zu $f$ gehörende Matrix die folgende Form hat,
$$
\Mat^B_B (f) = \left(
\begin{array}{lll|l}
λ & & * & \\
& \ddots & & * \\
0 & & λ \\
\hline
& 0 & & A
\end{array}\right),
$$
dabei hat die obere Dreiecksmatrix oben links das Format $r r$ und die
Matrix $A$ hat $λ$ nicht als Eigenvektor.
\begin{description}
\item[Induktionsstart] Im Fall $r = 1$ erfüllt die in Schritt 1 gefundene
Basis bereits alle Bedingungen.
\item[Induktionsschritt] Sei jetzt $r > 1$ und sei die Behauptung für alle
Endomorphismen und Eigenwerte mit algebraischer Multiplizität kleiner $r$
bereits bewiesen. Betrachte wieder die Basis $B$ aus Schritt 1, die diesmal
aber vielleicht noch nicht die gesuchten Eigenschaften hat. Betrachte auch
den Untervektorraum
$$
W := \langle \vec v_2, …, \vec v_n \rangle ⊂ V.
$$
Die Korrespondenz zwischen linearen Abbildungen und Matrizen liefert eine
Endomorphismus $g ∈ \End(W)$, der bezüglich der Basis $B_W := \vec v_2, …,
\vec v_n ∈ W$ die Matrix $A$ hat. Per Induktionsannahme gibt es aber auch
eine Basis $B'_W := \vec v'_2, …, \vec v'_n ∈ W$, sodass
$$
\Mat^{B'_W}_{B'_W} (g) = \left(
\begin{array}{lll|l}
λ & & * & \\
& \ddots & & * \\
0 & & λ \\
\hline
& 0 & & A'
\end{array}\right),
$$
dabei hat die obere Dreiecksmatrix oben links das Format $(r-1) (r-1)$ und
die Matrix $A'$ hat $λ$ nicht als Eigenvektor. Man rechne jetzt nach, dass
$B' = \vec v_1, \vec v'_2, …, \vec v'_n ∈ V$ eine Basis von $V$ ist und dass
$$
\Mat^{B'}_{B'} (f) = \left(
\begin{array}{l|l}
λ & * \\
\hline
0 & \Mat^{B'_W}_{B'_W} (g)
\end{array}\right)
$$
ist. Damit hat $\Mat^{B'}_{B'} (f)$ die gesuchte Form.
\end{description}
\bigskip\noindent\emph{Schritt 3 im Beweis von Satz~\ref{satz:2-2-10}:}
\sideremark{Vorlesung 3}Der Beweis des Satzes wird in \video{3-1} beendet.
\end{proof}
\begin{kor}\label{kor:2-2-11}%
In Situation~\ref{sit:2-1-6} seien $λ_1, …, λ_k ∈ $ die Eigenwerte von $f$
mit algebraischen Multiplizitäten $r_1, …, r_k$. Seien $W_1, …, W_k$ die
zugehörenden Haupträume. Dann ist
\[
V = \Hau_f(λ_1) ⊕ ⋯ ⊕ \Hau_f(λ_k).
\]
\end{kor}
\begin{proof}
\video{3-2} beweist ein vorbereitendes Lemma. Der Beweis des Korollars wird
dann in \video{3-3} beendet.
\end{proof}
\begin{kor}\label{kor:2-2-12}%
In der Situation von Korollar~\ref{kor:2-2-11} sei
\begin{align*}
\vec{v}¹_1, …, \vec{v}¹_{r_1} & \quad \text{eine Basis von } W_1 \\
\vec{v}²_1, …, \vec{v}²_{r_2} & \quad \text{eine Basis von } W_2 \\
\\
\vec{v}^k_1, …, \vec{v}^k_{r_k} & \quad \text{eine Basis von } W_k.
\end{align*}
Dann ist $\mathcal{B} := \{\vec{v}¹_1, …, \vec{v}¹_{r_1}, \vec{v}²_1, …,
\vec{v}²_{r_2}, …, \vec{v}^k_1, …, \vec{v}^k_{r_k} \}$ eine (angeordnete)
Basis von $V$ und bezüglich dieser Basis ist die Matrix von $f$ von der Form
$$
\Mat^{\mathcal{B}}_{\mathcal{B}}(f) =
\begin{pmatrix}
A_1 & & & 0 \\
& A_2 & \\
& & \ddots \\
0 & & & A_k
\end{pmatrix}
$$
wobei für jeden Index $i$ gilt: $A_i$ ist quadratische Matrix der Größe $r_i
r_i$ und $A_i$ ist von der Form
$$
A_i = λ_\Id_{r_i} + N_i,
$$
wobei $\Id_{r_i}$ die Einheitsmatrix ist und $N_i$ eine nilpotente Matrix ist.
\end{kor}
\begin{proof}
Korollar~\ref{kor:2-2-11} sagt exakt, dass $\mathcal{B}$ eine Basis von $V$
ist. Die Blockgestalt von $\Mat^{\mathcal{B}}_{\mathcal{B}}(f)$ folgt aus
\ref{il:2-2-10-3}. Die Beschreibung $A_i = λ_\Id_{r_i} +
(\text{nilpotent})$ ist \ref{il:2-2-10-5}.
\end{proof}
\subsection{Diskussion: wo sind wir}
\label{ssec:dusk}
Ich erinnere daran, dass unser Ziel ist, den Satz~\ref{satz:JNF} über die
Jordansche Normalform zu zeigen. Die Korollare~\ref{kor:2-2-11} und
\ref{kor:2-2-12} vereinfachen das Problem massiv.
\begin{enumerate}
\item Um eine Basis zu finden, in der die Matrix von $f$ Jordansche Normalform
hat, genügt es, die Haupträume $W_i$ einzeln zu betrachten und Basen
$\vec{v}_1, …, \vec{v}_{r_i}$ von $W_i$ zu betrachten, sodass die Matrizen
$A_i$ der eingeschränkten Abbildungen $f|_{W_i} : W_i → W_i$ Jordansche
Normalform haben. Das Problem reduziert sich also auf den Fall, wo den
Endomorphismus $f$ nur einen einzigen Hauptraum besitzt.
\item Um eine Basis $\vec{v}_1, …, \vec{v}_{r_i}$ von $W_i$ zu finden, sodass
die Matrix $A_i$ der eingeschränkten Abbildungen $f|_{W_i} : W_i → W_i$
Jordansche Normalform hat, genügt es, eine Basis zu finden, sodass die Matrix
$N_i$ der nilpotenten Abbildung $f|_{W_i} - λ_\Id_{W_i}$ Jordansche
Normalform hat (… denn dann hat auch $A_i = λ_\Id_{r_i} + N_i$ Jordansche
Normalform)
\end{enumerate}
Zusammenfassend stellen wir fest: Wir können die Aufgabe „finde eine Basis,
sodass die Matrix von $f$ Jordansche Normalform hat“ lösen, sobald wir wissen,
wie wir die Aufgabe für nilpotente Endomorphismen lösen. Das machen wir im
nächsten Abschnitt.
\section{Klassifikation nilpotenter Matrizen}
\label{sec:class}
Wir betrachten das Problem „finde eine Basis, sodass die Matrix von $f$
Jordansche Normalform hat“ jetzt also für nilpotente Endomorphismen.
\begin{situation}\label{sit:2-3-1}%
Es sei $V$ ein endlich-dimensionaler Vektorraum über den komplexen Zahlen, $n
:= \dim V$, und es sei $f ∈ \End(V)$ ein nilpotenter Endomorphismus.
\end{situation}
Das Ziel ist jetzt, eine Basis $\mathcal{B}$ zu finden, sodass
\begin{equation}\label{eq:gh}
\Mat^{\mathcal{B}}_{\mathcal{B}}(f) =
\begin{pmatrix}
J(0, n_1) & & & 0 \\
& J(0, n_2) & \\
& & \ddots \\
0 & & & J(0, n_l)
\end{pmatrix}
\end{equation}
ist. Falls das geht, kann ich durch geeignete Anordnung der Basis auch gleich
erreichen, dass $n_1 ≥ n_2 ≥ ⋯ ≥ n_l$ ist.
\begin{beobachtung}\label{rem:2-3-2}%
Wenn ich das Problem gelöst habe, dann ist $\sum_{i=1}^l n_i = \dim V$. In
Schlausprech sage ich „$(n_1, n_2, …, n_l)$ ist eine
Partition\footnote{Erinnerung: „Partition“ bedeutet: endliche, absteigende
Folge, sodass die Summe der Folgenglieder gleich $\dim V$
ist.}\index{Partition} von $\dim V$“. Die Matrix in \eqref{eq:gh} ist
natürlich eindeutig durch die Partition festgelegt. Überlegen Sie sich jetzt
folgendes: das Ziel („finde eine Basis, sodass die Matrix von $f$ Jordansche
Normalform hat“) lässt sich deshalb auch so ausdrücken: Wir suchen eine
Bijektion zwischen
\begin{itemize}
\item den Äquivalenzklassen nilpotenter Matrizen bezüglich der
Äquivalenzrelation „ähnlich“, und
\item den Partitionen von $\dim V$.
\end{itemize}
\end{beobachtung}
\begin{prop}\label{prop:2-3-4}%
In Situation~\ref{sit:2-3-1} schreibe $V^p := \ker (f^p)$. Dann gilt
Folgendes.
\begin{enumerate}
\item Wir haben Inklusionen $\{\vec{0}\} ⊆ V¹ ⊆ V² ⊆ ⋯ ⊆ V^{\dim V} = V$.
\item\label{il:2-3-4-2} Es gilt für alle $\vec{v} ∈ V$, dass $\vec{v} ∈ V^p ⇔
f(\vec{v}) ∈ V^{p-1}$.
\item\label{il:2-3-4-3} Setze $V⁰ = \{\vec{0}\}$. Dann gilt alle Indizes $p >
1$: Die Abbildung $f$ induziert eine injektive Abbildung zwischen den
Quotientenvektorräumen,
\[
\begin{tikzcd}
\overline{f} : \factor{V^p}{V^{p-1}} \ar[r] & \factor{V^{p-1}}{V^{p-2}}
\end{tikzcd}
\]
\end{enumerate}
\end{prop}
\begin{beobachtung}
Eigenschaft~\ref{il:2-3-4-2} zeigt insbesondere, dass $f (V^p ) ⊆ V^{p-1}$ und
dass $f^{-1}( V^{p-1}) = V^p$ ist.
\end{beobachtung}
\begin{proof}[Beweis von Proposition~\ref{prop:2-3-4}]
\video{3-4}. Als Übung sollten Sie versuchen, die Abbildung $\overline{f}$
auf Repräsentantenniveau zu definieren. Was müssen Sie genau zeigen, um
Wohldefiniertheit zu erhalten? Wussten Sie schon, dass ich solche Fragen gern
in Klausur und mündlichen Prüfungen stelle?
\end{proof}
\begin{beobachtung}
In der Situation von Proposition~\ref{prop:2-3-4} definiere für jeden Index
$p$ die Zahl $m_p := \dim (V^p/V^{p-1})$. Überlegen Sie sich folgendes: die
Injektivität von $\overline{f}$ zeigt, dass die $m_p$ eine absteigende Folge
bilden. Die Dimensionsformel zeigt, dass $\sum_p m_p = \dim V$ ist. Also ist
$(m_1, m_2, …)$ eine Partition von $\dim V$.
\end{beobachtung}
Partitionen wurden schon in Beobachtung~\vref{rem:2-3-2} diskutiert. Jeder
Leser von Kriminalromanen erkennt sofort, dass das kein Zufall sein
kann.\sideremark{Vorlesung 4} Allerdings ist die Partition $(m_1, m_2, …)$ noch
nicht die, von der in Beobachtung~\ref{rem:2-3-2} die Rede war: Wir müssen erst
zur „dualen Partition“ übergehen.
\begin{defn}[Duale Partition]\label{def:dualePart}%
\index{Partition!duale}\index{duale Partition}Es sein $n ∈ $ eine Zahl und $P
= (m_1, m_2, …)$ sei eine Partition von $n$. Gegeben einen Index $i$, setze
\[
n_i := \# \{ j \:|\: m_j ≥ i \}.
\]
Nenne die Folge $P^* = (n_1, n_2, …)$ die \emph{zu $P$ duale Partition}.
\end{defn}
\begin{bsp}
Es sei $n = 19$ und $P = (5, 5, 4, 2, 2, 1)$. Dann ist $P^* = (6, 5, 3, 3,
2)$ wieder eine Partition der Zahl 19. Abbildung~\vref{fig:part}
veranschaulicht den Zusammenhang.
\end{bsp}
\begin{figure}[t]
\centering
\[
\begin{array}{c|cccccc}
6 & * & * & * & * & * & * \\
5 & * & * & * & * & * \\
3 & * & * & * \\
3 & * & * & * \\
2 & * & * \\
\hline
& 5 & 5 & 4 & 2 & 2 & 1
\end{array}
\]
\caption{Partition und duale Partition}
\label{fig:part}
\end{figure}
\begin{bemerkung}
In der Situation von Definition~\ref{def:dualePart}, überlegen Sie sich, dass
$P^*$ wieder eine Partition von $n$ ist. Überlegen Sie sich auch, dass für
jede Partition $P$ die Gleichheit $(P^*)^* = P$ gilt. Abbildung~\ref{fig:part}
kann ihnen dabei helfen.
\end{bemerkung}
\begin{prop}[Jordansche Normalform für nilpotente Endomorphismen]\label{prop:JNF}%
In Situation~\ref{sit:2-3-1} schreibe $V^p := \ker (f^p)$ und $m_p := \dim
(V^p/V^{p-1})$. Es sei $P$ die Partition $P = (m_1, m_2, …)$ von $\dim V$ und
es sei $P^* := (n_1, n_2, …, n_l)$ die zu $P$ duale Partition. Dann gibt es
eine angeordnete Basis $\mathcal{B} := \{\vec{v}_1, \vec{v}_2, … \}$ eine
(angeordnete) Basis von $V$, sodass die Matrix von $f$ die folgende Form hat,
\begin{equation}\label{eq:sdfg}
\Mat^{\mathcal{B}}_{\mathcal{B}}(f) =
\begin{pmatrix}
J(0, n_1) & & & 0 \\
& J(0, n_2) & \\
& & \ddots \\
0 & & & J(0, n_l)
\end{pmatrix}.
\end{equation}
\end{prop}
\begin{proof}
Der Beweis ist von der Notation her ein wenig aufwändig. Daher werde ich den
Beweis nur im Spezialfall aufschreiben, wo die Partition $P$ die Form $P =
(5,5,4,2,2,1)$ hat. Der Beweis funktioniert natürlich für jede beliebige
Partition. Ich habe den Beweis in mehrere Schritte unterteilt.
\paragraph{Schritt 1, Konstruktion}
Es sei $q$ der Nilpotenzindex von $f$, sodass $V^q = V$ ist.
Proposition~\ref{prop:2-3-4} liefert eine Kette von Abbildungen
\[
\factor{V^q}{V^{q-1}} \xrightarrow{\overline{f}} \factor{V^{q-1}}{V^{q-2}} \xrightarrow{\overline{f}}\xrightarrow{\overline{f}} \factor{}{V⁰}.
\]
Jetzt wählen wir (auf relativ komplizierte Weise) für jeden Index $p$ genau
$m_p$ Vektoren aus $V$ und konstruieren damit ein Diagramm von Vektoren, das
ausschaut wie die grafische Darstellung der Partition aus
Abbildung~\ref{fig:part}. Nämlich so:
\[
\begin{array}{c|cccccc}
n_1 & f⁵(\vec v⁶_1) & f⁴(\vec v⁶_1) &(\vec v⁶_1) &(\vec v⁶_1) & f(\vec v⁶_1) & \vec v⁶_1 \\
n_2 & f⁴(\vec v⁵_1) &(\vec v⁵_1) &(\vec v⁵_1) & f(\vec v⁵_1) & \vec v⁵_1 \\
n_3 &(\vec_1) & f(\vec_1) & \vec_1 \\
n_4 &(\vec_2) & f(\vec_2) & \vec_2 \\
n_5 & f(\vec_1) & \vec_1 \\
\hline
& m_1 & m_2 & m_3 & m_4 & m_5 & m_6
\end{array}
\]
Das Diagramm soll die Eigenschaft haben, dass für jeden Index $p$ Folgendes
gilt.
\begin{itemize}
\item Die Vektoren aus der $p$.ten Spalte kommen aus dem Vektorraum $V^p$.
\item Die Restklassen der Vektoren aus der $p$.ten Spalte bilden eine Basis
des Quotientenvektorraums $\factor{V^p}{V^{p-1}}$.
\end{itemize}
Wir konstruieren das Diagramm induktiv, Spalte für Spalte, wobei wir mit der
rechten Spalte beginnen.
\paragraph{Schritt 1.1, Induktionsstart, Konstruktion der rechten Spalte}
Wähle eine Folge von Vektoren $\vec v^q_1, …, \vec v^q_{m_q}$, sodass die
Restklassen $[\vec v^q_1], …, [\vec v^q_{m_q}]$ eine Basis des Quotientenraums
$\factor{V^q}{V^{q-1}}$ bilden. Die Vektoren $\vec v^q_1, …, \vec v^q_{m_q}$
bilden die rechte Spalte. Nach Konstruktion bilden die Restklassen dieser
Vektoren eine Basis von $\factor{V^q}{V^{q-1}}$.
\paragraph{Schritt 1.2, Induktionsschritt, Konstruktion der $p$.ten Spalte}
Sei ein Index $p$ gegeben und sei die $(p+1)$.te Spalte schon konstruiert. Die
Vektoren aus der $(p+1)$.ten Spalte bezeichnen wir provisorisch mit $\vec w_1,
…, \vec w_a$. Beachte, dass die Abbildung
\[
\overline{f} : \factor{V^{p+1}}{V^p}\factor{V^p}{V^{p-1}}
\]
injektiv ist. Insbesondere sind die Bilder $\overline{f}([w_1]), …,
\overline{f}([w_a])$ linear unabhängige Vektoren des Quotientenraums
$\factor{V^p}{V^{p-1}}$. Nach dem Basisergänzungssatz können wir jetzt aber
Vektoren $\vec v^p_1, …, \vec v^p_{m_p-a}$ aus $V$ finden, sodass
\[
\overline{f}([\vec w_1]), …, \overline{f}([\vec w_a]), [\vec v^p_1], …,
[\vec v^p_{m_p-a}]
\]
eine Basis des Quotientenraums $\factor{V^p}{V^{p-1}}$ bilden. Schreibe jetzt
die Vektoren
\[
\overline{f}(\vec w_1), …, \overline{f}(\vec w_a), \vec v^p_1, …, \vec
v^p_{m_p-a}
\]
in die $p$.te Spalte des Diagramms. Nach Punkt~\ref{il:2-3-4-2} von
Proposition~\ref{prop:2-3-4} kommen alle diese Vektoren aus $V^p$.
\paragraph{Schritt 2, Lineare Unabhängigkeit}
Ich zeige in diesem Schritt folgende Aussage per Induktion: für jeden Index
$p$ gilt, dass die Menge aller Vektoren aus den Spalten $1$, …, $p$ eine Basis
des Vektorraumes $V^p$ ist.
\paragraph{Schritt 2.1, Induktionsstart, erste Spalte}
Per Konstruktion bilden die Restklassen der Einträge aus der ersten Spalte
eine Basis von $/V⁰$. Es ist aber $V⁰ = \{ 0 \}$.
\paragraph{Schritt 2.2, Induktionsschritt}
Sei ein Index $p>1$ gegeben. Induktionsannahme: die Vektoren $\vec{α}_1, …,
\vec{α}_a$ aus den ersten $(p-1)$ Spalten bilden eine Basis von $V^{p-1}$.
Seien $\vec{β}_1, …, \vec{β}_b$ die Vektoren der $p$.ten Spalte und sei
\[
W^p := \langle \vec{α}_1, …, \vec{α}_a, \vec{β}_1, …, \vec{β}_b \rangle
⊂ V^p
\]
der von allen Vektoren gemeinsam aufgespannte Untervektorraum. Nach
Konstruktion ist die verkettete Abbildung $γ$
\[
W^p → V^p → \factor{V^p}{V^{p-1}}
\]
surjektiv, also ist nach der Dimensionsformel
\[
\dim W^p = \dim \factor{V^p}{V^{p-1}} + \dim \ker γ.
\]
Außerdem ist per Induktionsannahme $V^{p-1} ⊆ W^p$, also
\[
\ker γ = V^{p-1} \quad \text{und} \quad \dim W^p = m_p + \dim V^{p-1} = \dim V^p.
\]
Also ist die Menge ein Erzeugendensystem. Weil sie aber genau $(\dim
V^p)$-viele Elemente enthält, muss es sich um eine Basis handeln.
\paragraph{Schritt 3, Ende des Beweises}
Nach Schritt 2 wissen wir, dass die Elemente des Diagramms eine Basis von
$V^q=V$ bilden. Nummeriere die Elemente des Diagramms jetzt wie folgt:
\[
\begin{array}{c|cccccc}
n_1 & \vec v_1 & \vec v_2 & \vec v_3 & \vec v_4 & \vec v_5 & \vec v_6 \\
n_2 & \vec v_{7} & \vec v_{8} & \vec v_9 & \vec v_{10} & \vec v_{11} \\
n_3 & \vec v_{12} & \vec v_{13} & \vec v_{14} \\
n_4 & \vec v_{15} & \vec v_{16} & \vec v_{17} \\
n_5 & \vec v_{18} & \vec v_{19} \\
\hline
& m_1 & m_2 & m_3 & m_4 & m_5 & m_6
\end{array}
\]
Dann ist klar, dass $f(\vec v_1) = \vec 0$, $f(\vec v_2) = \vec v_1$, …,
$f(\vec v_6) = \vec v_5$, $f(\vec v_7)=\vec 0$, … und insgesamt ergibt sich,
dass die Matrix von $f$ bezüglich dieser angeordneten Basis die Form
\eqref{eq:sdfg} hat. Damit ist Proposition~\ref{prop:JNF} bewiesen.
\end{proof}
Wie wir im Abschnitt~\vref{ssec:dusk} gesehen haben, beendet
Proposition~\ref{prop:JNF} den Beweis von Satz~\ref{satz:JNF}. Der nächste
Abschnitt fasst den Beweis noch einmal zusammen.
\section{Beweis von Satz~\ref*{satz:JNF} („Jordansche Normalform“)}
\label{ssec:pjnf}
Es sei $V$ ein endlich-dimensionaler Vektorraum über den komplexen Zahlen, und
es sei $f ∈ \End(V)$ ein Endomorphismus. Weiter seien $λ_1, …, λ_k$ die
Eigenwerte von $f$. Nach Korollar~\ref{kor:2-2-11} schreiben wir
\begin{equation}\label{eq:dfgd}
V = \bigoplus_{i=1}^k \Hau_f(λ_i).
\end{equation}
Für jeden Index $i$ betrachte
\[
g_i := \bigl(f-λ_\Id_V\bigr)|_{\Hau_f(λ_i)} : \Hau_f(λ_i) → V.
\]
Nach Punkt~\ref{il:2-2-10-3} von Satz~\ref{satz:2-2-10} wissen wir schon, dass
$g_i$ den Hauptraum $\Hau_f(λ_i)$ in den Hauptraum $\Hau_f(λ_i)$ abbildet. Wir
können $g_i$ also als Endomorphismus $g_i ∈ \End\bigl(\Hau_f(λ_i)\bigr)$
auffassen. Per Definition von „Hauptraum“ ist jeder Endomorphismus $g_i$
nilpotent. Das erlaubt, Proposition~\ref{prop:JNF} anzuwenden; dies liefert uns
für jeden Index $i$ eine angeordnete Basis
\[
\mathcal{B}_i = \{ \vec{w}_{i,1}, …, \vec{w}_{i,r_i}\}.
\]
Wegen der Zerlegung \eqref{eq:dfgd} von $V$ als direkte Summe ist klar, dass
\[
\mathcal{B} := \{ \vec{w}_{1,1}, …, \vec{w}_{1,r_1}, \vec{w}_{2,1}, …,
\vec{w}_{2,r_2}, …, \vec{w}_{k,1}, …, \vec{w}_{k,r_k} \}
\]
eine angeordnete Basis von $V$ ist. Nach Wahl der Basis in
Proposition~\ref{prop:JNF} ist klar, dass es sich dabei um eine Jordanbasis
handelt. Damit ist Satz~\ref{satz:JNF} bewiesen. \qed
\section{Praktische Methode zur Berechnung}
Der Beweis von Satz~\ref{satz:JNF} ist so konkret, dass sich daraus eine
praktisch nützliche Methode zur Berechnung einer Jordanbasis ergibt. Es sei
also $V$ ein endlich-dimensionaler Vektorraum über den komplexen Zahlen, und es
sei $f ∈ \End(V)$ ein Endomorphismus. Um eine Jordanbasis zu finden, gehe wie
folgt vor.
\begin{enumerate}
\item Es seien $λ_1, …, λ_k$ die Eigenwerte von $f$ --- diese bestimmen wir,
indem wir die Nullstellen des charakteristischen Polynoms suchen.
\item Für jeden Index $i$ sei $r_i$ die algebraische Multiplizität des
Eigenwertes --- da wir über den komplexen Zahlen arbeiten, wissen wir schon,
dass das charakteristische Polynom von $f$ in Linearfaktoren zerfällt. Wir
müssen also schauen, wie oft der Term $t-λ_i$ das charakteristische Polynom
teilt.
\item Für jeden Index $i$ bestimme den Hauptraum $\Hau_f(λ_i)$ von $f$ zum
Eigenwert $λ_i$ --- Punkt~\ref{il:2-2-10-1} von Satz~\ref{satz:2-2-10}
(„Geometrische Bedeutung der algebraischen Multiplizität“) sagt, wie das geht:
Der Hauptraum ist gegeben als
\[
\Hau_f(λ_i) = \ker \bigl( (f - λ_\Id)^{r_i} \bigr).
\]
Um die Länge der Notation im Rahmen zu halten, schreibe $W_i := \Hau_f(λ_i)$.
\item Für jeden Index $i$ betrachte $g_i := (f - λ·\Id_V)|_{W_i}$ --- wir wissen
schon, dass dies ein nilpotenter Endomorphismus von $W_i$ ist.
\item Für jeden Index $i$ bestimme die zu $g_i$ gehörende Partition $P_i$ und
die duale Partition
\[
P^*_i = (n_{i,1}, n_{i,2}, …, n_{i,l_i})
\]
dazu muss man mit LA1-Methoden die Dimensionen der Räume $W^p_i :=
\ker(g^p_i)$ ausrechnen und dann die Dimensionen der Quotientenvektorräume
bestimmen. Um die duale Partition auszurechnen, empfiehlt es sich, ein Bild
wie in Abbildung~\ref{fig:part} zu malen.
\end{enumerate}
Falls Sie nur daran interessiert sind, wie die Jordansche Normalform des
Endomorphismus $f$ aussieht, sind sie jetzt fertig: Die Jordansche Normalform
von $f$ hat Blockgestalt,
\[
\begin{pmatrix}
A_1 \\
& \ddots \\
& & A_k
\end{pmatrix}
\]
wobei jeder Block $A_i$ eine quadratische Matrix von der Form
\[
A_i =
\begin{pmatrix}
J(λ_i, n_{i,1}) & & & 0 \\
& J(λ_i, n_{i,2}) & \\
& & \ddots \\
0 & & & J(λ_i, n_{i,l_i})
\end{pmatrix}
\]
ist. In der Praxis ist man aber an diesem Punkt meist noch nicht fertig. Es
bleibt noch die Aufgabe, eine Jordanbasis konkret anzugeben.
\begin{enumerate}
\item Schauen Sie sich den Beweis von Proposition~\ref{prop:JNF} noch einmal an
und erkennen Sie, dass Sie die Schritte dort konkret nachvollziehen können.
Finden Sie so für jeden Index $i$ eine angeordnete Basis $\mathcal{B}_i = \{
\vec{w}_{i,1}, …, \vec{w}_{i,r_i}\}$, sodass die Matrix von $g_i$ die Form
\[
\begin{pmatrix}
J(0, n_{i,1}) & & & 0 \\
& J(0, n_{i,2}) & \\
& & \ddots \\
0 & & & J(0, n_{i,l_i})
\end{pmatrix}
\]
hat.
\end{enumerate}
Wie wir oben gesehen haben, ist
$$
\mathcal{B} := \{ \vec{w}_{1,1}, …, \vec{w}_{1,r_1}, \vec{w}_{2,1}, …, \vec{w}_{2,r_2}, …, \vec{w}_{k,1}, …, \vec{w}_{k,r_k} \}
$$
dann eine Jordanbasis.
\subsection{Beispiele}
Das Internet ist voll von Beispielen. Hier nennen wir nur einige, die wir bei
einer Suche sofort gefunden haben. Wenn Sie noch andere gute Beispiele finden,
melden Sie sich doch bitte bei uns.
\begin{itemize}
\item \url{https://metaphor.ethz.ch/x/2017/hs/401-1151-00L/Beispiel_JNF.pdf}
\item \url{http://www.math.kit.edu/iag2/lehre/la2mathe20122012s/media/tutorium02_l\%C3\%B6sungshinweise.pdf}
\item \url{https://www.youtube.com/watch?v=hPAQdmEPU_k}
\item \url{https://www3.math.tu-berlin.de/Vorlesungen/WS10/LinAlg2/BerechnungJNF.pdf}
\item \url{https://www.youtube.com/watch?v=S31sSZ2FbRo}
\end{itemize}
% !TEX root = LineareAlgebra2